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Politik

US-Außenminister zu Blitzbesuch in Afghanistan

15. April 2021

Das ging flott: Nur Stunden nach der Ankündigung des Abzugs der amerikanischen Truppen aus Afghanistan ist US-Außenminister Antony Blinken in Kabul eingetroffen.

Afghanistan Antony Blinken trifft Abdullah Abdullah in Kabul
US-Außenminister Anthony Blinken trifft Abdullah Abdullah in KabulBild: High Council for National Reconciliation Press Office/ REUTERS

Wie der Präsidentenpalast auf Twitter mitteilte, unterstrich Antony Blinken bei einem Treffen mit dem afghanischen Staatschef Aschraf Ghani, dass der US-Abzug die strategischen Beziehungen zwischen beiden Ländern nicht schwächen werde. Die Vereinigten Staaten fühlten sich Afghanistan und seinen Menschen weiter verpflichtet.

Der afghanische Fernsehsender ToloNews zeigte Bilder eines Treffens Blinkens mit dem Vorsitzenden des Hohen Rats für Nationale Aussöhnung, Abdullah Abdullah. "Ich bin hier, um unser anhaltendes Engagement zu demonstrieren", sagte Blinken in dem Video zu Abdullah. Beide Länder hätten eine Partnerschaft, die sich verändere, aber dauerhaft sei.

Der Minister sagte bei dem achtstündigen Aufenthalt zu, dass sein Land sein gesamtes diplomatisches, wirtschaftliches und humanitäres Instrumentarium einsetzen werde, um die Zukunft zu unterstützen, die sich die Afghanen wünschten, inklusive der Frauen. Abdullah dankte Blinken für die "enormen Beiträge", die die USA am Hindukusch geleistet hätten.

Warnung in Richtung Taliban

In der US-Botschaft sagte Blinken zudem, die USA hätten nie vorgehabt, eine dauerhafte militärische Präsenz in Afghanistan zu haben. Die Bedrohung durch die Terrormiliz Al-Kaida in Afghanistan sei erheblich geringer geworden. Zugleich warnte Blinken die radikalislamischen Taliban, Angriffe auf abziehende US-Truppen hätten "eine sehr kraftvolle Antwort" zur Folge.

US-Präsident Joe Biden hatte am Mittwoch den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan zum 11. September angekündigt. Das Datum markiert den 20. Jahrestag der Terroranschläge von 2001 in New York und Washington, die der Anlass für den Einsatz waren. Kurz darauf kündigte auch die NATO das Ende ihres 20-jährigen Einsatzes in Afghanistan an. Neben 2500 US-Soldaten sind noch etwa 7000 ausländische Soldaten in dem Land. Das Mandat der Bundeswehr sieht den Einsatz von bis zu 1300 Soldaten vor.

Die Taliban bestehen darauf, dass die USA sich an den mit Bidens Vorgänger Donald Trump vereinbarten Abzugstermin bis zum 1. Mai halten. Am Donnerstag bekräftigten sie zudem ihr Ziel, ein "pures islamisches System" aufzubauen. Die Folgen der Entwicklungen für die laufenden innerafghanischen Friedensverhandlungen sind noch nicht absehbar. An neuen Gesprächen in der Türkei wollen die Taliban nur teilnehmen, wenn alle ausländischen Truppen abgezogen sind.

Expertin warnt

Derweil erklärte die Afghanistan-Expertin Mariam Safi, dass ein Abzug der USA aus dem Land ohne jegliche Bedingungen "sehr gefährlich" sei. Dies könne der Lage der Menschenrechte im Land schaden. Die Direktorin der in Kabul ansässigen Denkfabrik Organization for Policy Research and Development Studies sagte der Deutsche Welle, dass die nationalen Streitkräfte vor immensen Sicherheitsherausforderungen stünden. "Für Afghanistan wird der Abzug bedeuten, dass die gesamte Verantwortung für alle Sicherheitsmaßnahmen auf den Schultern der afghanischen Sicherheitskräfte liegen wird, die ohnehin schon sehr dünn bespannt sind."

Macht sich erhebliche Sorgen um die Zukunft Afghanistans: Mariam Safi (Archivbild)Bild: Evan Schneider/United Nations/AP Photo/picture alliance

Safi fügte hinzu: "Wir dürfen nicht vergessen, dass die internationale Gemeinschaft im Jahr 2001, als sie in Afghanistan einmarschierte, gegen eine einzige terroristische Gruppe kämpfte. Jetzt gibt es Berichten zufolge über 22 terroristische Organisationen, die regional und national in Afghanistan operieren. Und das wird eine ziemliche Herausforderung sein." Die Expertin wies darauf hin, dass die Taliban Zufluchtsorte im benachbarten Pakistan haben, was den Kampf für die afghanische Armee noch schwieriger mache.

Deutsche Soldaten noch sicher?

Auch in Deutschland rief der bevorstehende Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan teils besorgte Reaktionen hervor. Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, mahnte an, die Sicherheit der Bundeswehrsoldaten müsse "in der verbleibenden Zeit und bei der Planung des Abzugs höchste Priorität haben". Die SPD-Politikerin verlangte, "eine kritische, ehrliche und möglichst unabhängige Bilanz" zum Einsatz zu erstellen. "Diese Analyse ist auch wichtig für alle weiteren Auslandseinsätze, damit aus Fehlern gelernt werden kann."

Kurz vor der Rückkehr: Deutsche Soldaten beim Einsatz in Masar-i-ScharifBild: FARSHAD USYAN/AFP/Getty Images

Die Unionsfraktion bezeichnete den Abzugsbeschluss als "mutig und richtig". Alle diplomatische Energie müsse nun darauf gerichtet sein, die innerafghanischen Friedensverhandlungen zum Erfolg zu führen, sagte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt.

Die deutschen Soldaten seien in Afghanistan "in einen sinnlosen Krieg geschickt" worden, kritisierte dagegen die stellvertretende Vorsitzende der Linken-Fraktion, Heike Hänsel. "Notwendig ist jetzt eine umfassende und schonungslose Aufarbeitung der deutschen Beteiligung an dem mörderischen Krieg in Afghanistan."

Ruf nach Abschiebestopp

Der Grünen-Außenexperte Omid Nouripour erklärte, Deutschland trage weiterhin "eine enorme Verantwortung" für Afghanistan. "Es gilt, die Rechte von Frauen weiterhin zu schützen und die Zivilgesellschaft zu stärken." Mit Blick auf die dortige Sicherheitslage forderte Nouripour einen sofortigen Abschiebestopp. Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl verlangte ebenfalls, alle Abschiebungen nach Afghanistan umgehend auszusetzen.

kle/sti (rtr, dpa, afp, DW)

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