China hatte "ernsthafte Bedenken" angemeldet: Jetzt hat Washington dennoch Waffenlieferungen in Milliardenhöhe nach Taiwan auf den Weg gebracht. Es gehe auch um Sicherheitsinteressen der USA, hieß es aus dem Pentagon.
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Das US-Außenministerium billigte ein Rüstungsgeschäft mit der Regierung in Taipeh im Wert von umgerechnet knapp zwei Milliarden Euro. Geliefert werden sollen unter anderem 108 Kampfpanzer vom Typ M1A2T Abrams und rund 250 Stinger-Luftabwehrraketen, wie das US-Verteidigungsministerium mitteilte. Mit der Waffenlieferung könne Taiwan seine Kampfpanzer-Flotte modernisieren, seine Verteidigungsfähigkeit stärken und sich besser gegen "gegenwärtige und künftige regionale Risiken" wappnen, so das Pentagon weiter.
Das Rüstungsgeschäft diene auch den Sicherheitsinteressen der USA: Taiwan sei eine wichtige Kraft für "politische Stabilität, militärisches Gleichgewicht und wirtschaftlichen Fortschritt in der Region". Nach Aussagen der zum Verteidigungsministerium gehörenden Agentur DSCA veränderten die Waffenlieferungen die militärische Balance in der Region jedoch nicht.
Ärger mit China programmiert
Das Rüstungsgeschäft hat China schwer verärgert. Die Regierung in Peking betrachtet den Inselstaat Taiwan als abtrünnige Provinz, die eines Tages wieder mit dem Festland vereinigt werden soll - notfalls mit militärischer Gewalt. Vom Pekinger Außenministeriums hieß es denn auch, das Rüstungsgeschäft stelle einen schweren "Verstoß gegen das Ein-China-Prinzip" dar, der die Souveränität und Sicherheitsinteressen Chinas untergrabe. Die USA wurden aufgefordert, den Deal "sofort rückgängig zu machen". Im Juni bereits hatte das chinesische Außenministerium wegen des geplanten Rüstungsgeschäfts "ernsthafte Bedenken" angemeldet und die USA aufgefordert, es aufzugeben, um die bilateralen Beziehungen nicht zu belasten.
Noch könnte der US-Kongress die Waffenlieferungen mit einem Veto binnen 30 Tagen stoppen. Dies gilt allerdings als unwahrscheinlich. Die USA haben zwar keine offiziellen Beziehungen zu Taiwan. Sie sind aber der wichtigste politische Unterstützer und größter Waffenlieferant des Inselstaates.
ww/ml (afp, rtr)
China und Taiwan: Ziemlich beste Feinde
Die Lage in der Taiwan-Straße ist angespannt. China schließt auch den Einsatz militärischer Gewalt nicht aus, um eine Wiedervereinigung zu erreichen. Ein Rückblick in Bildern.
Bild: picture-alliance/EPA/R. B. Tongo
"Rückeroberung" vs. "Befreiung"
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs führt die KP Chinas unter Mao Zedong einen erbitterten Bürgerkrieg gegen den Erzrivalen Chiang Kai-shek, Chef der Kuomintang (KMT). Chiang unterliegt und zieht sich auf die Insel Taiwan zurück. Die Zeiten danach sind geprägt von propagandistischen Parolen. Die KP will die Insel Taiwan "befreien", die KMT das "Festland zurückerobern".
Bild: AFP/Getty Images
Briefe an die Landsleute auf Taiwan
Die KP veröffentlicht in den 1950er Jahren vier "Briefe an die chinesischen Landsleute auf Taiwan". Diese gelten als Grundlage der Taiwan-Politik. Darin warnt Peking eindringlich vor einem Schulterschluss mit den "Imperialisten der USA". Die militärische Konfrontation wird währenddessen fortgesetzt. Ständig fallen Schüsse in der Meeresenge, überwiegend durch Artillerie.
Bild: Imago/Zuma/Keystone
Peking ersetzt Taipeh in UN-Gremien
Die UN-Generalversammlung beschließt 1971, die Volksrepublik China als einzig rechtmäßigen Vertreter Chinas anzuerkennen. Damit scheidet die Republik China/Taiwan aus allen UN-Gremien aus. Die Frustration von Außenminister Chow Shu-kai (r.) und seinem Botschafter Liu Chieh ist deutlich zu erkennen.
Bild: Imago/ZUMA/Keystone
Neue Taiwan-Politik
Der fünfte und letzte Brief aus Peking an Taiwan wird am 1. Januar 1979 veröffentlicht. Das Festland - unter der Führung des Reformpolitikers Deng Xiaoping - schlägt das Ende militärischer Aktionen, den Ausbau eines bilateralen Austausches sowie eine friedliche Wiedervereinigung vor, ohne jedoch das internationale Alleinvertretungsrecht Pekings infrage zu stellen.
Bild: picture-alliance/dpa/UPI
"Ein-China-Prinzip"
Die Neuausrichtung der Taiwan-Politik findet vor dem Hintergrund der Annäherung zwischen Washington und Peking statt. Am 1. Januar 1979 nehmen die USA und die VR China diplomatische Beziehungen auf. Damit erkennt auch Washington unter der Präsidentschaft von Jimmy Carter Peking als die einzige legitime Regierung Chinas an. Aus der US-Botschaft in Taiwan wird ein Kulturinstitut.
Bild: AFP/AFP/Getty Images
"Ein China, zwei Systeme"
Schon beim Treffen mit US-Präsident Carter stellt Deng Xiaoping den Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme" vor, der Taiwan im Falle einer Wiedervereinigung die Beibehaltung des gesellschaftlich Systems garantieren soll. Jedoch geht Taiwans Präsident Chiang Ching-kuo (Bild) nicht direkt auf den Vorstoß ein. Dagegen formuliert er 1987 das Prinzip: "Ein China für das bessere System".
Bild: picture-alliance/Everett Collection
Die Unabhängigkeitsbewegung
1986 wird in Taiwan die erste Oppositionspartei, die Demokratische Fortschrittspartei (DPP), gegründet. Auf der Klausur 1991 beschließt die DPP eine Klausel zur Unabhängigkeit Taiwans. Darin heißt es, Taiwan sei souverän und kein Bestandteil der VR China.
Bild: Getty Images/AFP/S. Yeh
"Konsens von 1992"
Bei inoffiziellen Gesprächen 1992 in Hongkong erzielen Vertreter aus Peking und Taipeh eine politische Übereinkunft über die Gestaltung der Beziehungen. Beide Seiten stimmen überein, dass es nur ein China gibt. Jedoch haben beide Seiten unterschiedliche Ansichten, was der Begriff "ein China" bedeutet. Ein Jahr später treffen sich die Chefunterhändler Wang (l.) und Koo in Singapur.
Bild: Imago/Xinhua
"Zwischenstaatliche Beziehungen"
Der erste demokratisch gewählte Präsident Taiwans und KMT-Vorsitzende Lee Teng-hui sagt 1995 im Interview mit der Deutschen Welle, die Beziehungen über die Straße von Taiwan hinweg würden als "Beziehung zwischen Staaten definiert, mindestens aber als Beziehung besonderer Art zwischen Staaten". Seine Formulierung liegt hart an der Grenze zu einer Unabhängigkeitserklärung.
Bild: Academia Historica Taiwan
"Ein Staat auf jeder Seite"
2000 gewinnt zum ersten Mal die DPP die Präsidentschaftswahlen mit dem Spitzenkandidaten Chen Shui-bian. Der gebürtige Taiwanese - ohne jegliche Verbindungen zum Festland - ruft die Parole "Ein Staat auf jeder Seite" aus. Taiwan soll mit China nichts mehr zu tun haben. Peking reagiert 2005 mit einem "Antispaltungsgesetz", das militärische Gewalt im Falle einer Unabhängigkeit rechtfertigt.
Bild: picture alliance/AP Photo/Jerome Favre
"Ein China, unterschiedliche Interpretationen"
Nach den verlorenen Wahlen 2000 nimmt die KMT eine geänderte Formulierung des "Konsens von 1992" in die Parteisatzung auf. Darin heißt es "Ein China, unterschiedliche Interpretationen". Damit wird auch der "Konsens von 1992" zum festen Begriff, der in Taiwan allerdings umstritten ist. Die Begründung: Die Unterhändler von 1992 hätten keine offiziellen Positionen gehabt.
Bild: Imago/ZumaPress
KP trifft KMT
Das Festland nimmt den "Konsens von 1992" als politische Grundlage für die Gestaltung der Beziehungen zu Taiwan. Beim ersten Gipfeltreffen zwischen der KMT und der KP nach dem Zweiten Weltkrieg bekennen sich 2005 beide Parteichefs Hu Jintao (r.) und Lian Zhan zum "Konsens von 1992" und dem "Ein-China-Prinzip".
Bild: picture-alliance/dpa/M. Reynolds
"Die Richtung stimmt"
Nach dem Sieg der KMT unter Ma Ying-jeou bei den Präsidentschaftswahlen 2008 nähern sich beide Seiten weiter an. Im Interview mit der Deutschen Welle sagt Ma 2009, die Taiwan-Straße solle ein "Ort des Friedens und der Sicherheit" bleiben. "Wir sind diesem Ziel schon wesentlich näher gekommen. Grundsätzlich stimmt unsere Richtung."
Bild: GIO
Herr Ma trifft Herrn Xi
Im November 2015 trifft sich Ma in Singapur mit Xi Jinping. Offiziell handelt es sich um ein "Gespräch zwischen den politischen Führern der beiden Seiten der Taiwan-Straße". Ma und Xi reden sich nicht mit ihrer politischen Funktion, sondern mit "Herr" an. Es gibt weder Flaggen noch Wappen. Auf der Pressekonferenz schließt Ma "zwei Chinas" sowie "ein China und ein Taiwan" kategorisch aus.
Bild: Reuters/J. Nair
Quo vadis?
Nach der gewonnenen Wahl von Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen 2016 bekommt die Unabhängigkeitsbewegung spürbar Rückenwind. Tsai bestreitet die Existenz des "Konsens von 1992". Sie bezeichnet den "Versuch Chinas, in die politische und gesellschaftliche Entwicklung von Taiwan einzugreifen" als die "größte Herausforderung".