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US-Drohnen-Krieg: Verfassungsgericht entlastet Deutschland

15. Juli 2025

Die US-Airbase in Ramstein darf für tödliche Drohnen genutzt werden, allerdings hat Deutschland auch eine Schutzpflicht. Entscheidend ist der Einzelfall.

Eine US-Drohne vom Typ "MQ-9 Reaper" ähnelt mit seinen Tragflächen und den ausgefahrenen Rädern auf den ersten Blick einem Mini-Passagierflugzeug. Der auffälligste Unterschied: Das Cockpit ist fensterlos.
Drohnen vom Typ "MQ-9 Reaper" kommen auch beim US-Einsatz gegen mutmaßliche Terroristen im Jemen zum EinsatzBild: Staff Sgt. Brian Ferguson/U.S. Air Force/abaca/picture alliance

Gilt das im Grundgesetz garantierte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit auch, wenn Menschen weit entfernt von Deutschland von einem anderen Staat getötet werden und dabei zumindest indirekt deutsche Hilfe in Anspruch nehmen? Diese knifflige Frage musste das Bundesverfassungsgericht beantworten.

Anlass war die Klage von zwei Männern, deren Angehörige 2012 bei einem gezielten Drohnen-Angriff der USA im Jemen ums Leben gekommen sind. Dabei ist auch die technische Infrastruktur der US-Airbase Ramstein in Rheinland-Pfalz genutzt worden. Im konkreten Fall wurde die Klage als unbegründet zurückgewiesen.

Es geht auch um die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik

Das Urteil ist jedoch kein Freibrief für künftige Drohnen-Einsätze, die potenziell tödlich sein können. Denn Deutschland müsse den Schutz grundlegender Menschenrechte und die Kernnormen des humanitären Völkerrechts auch gegenüber Ausländern im Ausland wahren, heißt es in er Begründung. Dabei gewährt das Gericht der Bundesregierung mit Blick auf die Außen- und Sicherheitspolitik allerdings einen weit bemessenen Spielraum.

Zerstörte Häuser und Straßen nach einem US-Drohen-Angriff im Jemen 2012Bild: Sami Al-Ansi/AFP/Getty Images

Der nun verkündete Schutzauftrag ist an zwei Bedingungen geknüpft: einen ausreichenden Bezug zur deutschen Staatsgewalt und die ernsthafte Gefahr, dass das Völkerrecht systematisch verletzt werden könnte. Bei den Drohnen-Angriffen im Jemen war das laut Bundesverfassungsgericht nicht der Fall. Den USA wurde attestiert, bei ihrem Kampf gegen den internationalen Terror den Schutz von Zivilisten ausreichend berücksichtigt zu haben. Im Urteil ist von "legitimen militärischen Zielen" die Rede.

Beim Angriff im Jemen wurden auch Unschuldige getötet

Die besondere Tragik: Bei der über Ramstein gesteuerten Attacke sind neben mutmaßlichen Terroristen auch Unschuldige ums Leben gekommen. Ein Umstand, den die Rechtwissenschaftlerin Paulina Starski von der Universität Freiburg im TV-Sender Phönix kritisch bewertete: "Wenn sie nicht genau wissen, wen sie da angreifen, haben sie im Zweifel davon auszugehen, dass es eine Zivilperson ist." Deshalb seien gezielte Tötungen mitunter humanitär und völkerrechtlich höchst problematisch.

Könnte die US-Luftwaffe ihre aus Florida ferngesteuerten Geschosse auf geradem Weg ins Ziel bringen, bräuchte sie keine logistische Unterstützung von ihrer Airbase Ramstein. Von dort werden nämlich Signale umgeleitet, die wegen der Erdkrümmung sonst nur verzögert übertragen werden könnten. Darum ging es - technisch betrachtet - worüber das Bundesverfassungsgericht jetzt entschieden hat.

Für den Drohnenangriff 2012 nutzen die USA die technische Infrastruktur ihres Luftwaffenstützpunkts Ramstein im Südwesten DeutschlandsBild: Boris Roessler/dpa/picture alliance

Direkte Funkstrecken zwischen den USA und dem Jemen sind also nicht möglich. Deshalb ist Ramstein für Angriffe in dieser Weltregion unverzichtbar. Und sie sind denkbar einfach: In Florida sitzt ein Drohnen-Pilot, der per Glasfaser mit dem Knotenpunkt Ramstein verbunden ist. Am Ende genügt ein Knopfdruck, um die tödliche Waffe ins angepeilte Ziel zu steuern.

Kläger enttäuscht, Bundesregierung erleichtert

Der Anwalt der unterlegenen Kläger aus dem Jemen, Andreas Schüller, nannte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts schmerzlich und enttäuschend. Die jetzt formulierte Schutzpflicht eröffne aber auch klare Leitlinien für künftige Konfliktfälle: "Nach dem heutigen Urteil kann es Situationen geben, bei denen Menschen- und Völkerrechtsverletzungen im Ausland vor deutsche Gerichte kommen."

Die Bundesregierung reagierte erleichtert. Staatssekretär Nils Schmid aus dem Verteidigungsministerium betonte, man habe die Einhaltung des Völkerrechts immer im Blick. Zugleich gebe das Urteil der deutschen Sicherheitspolitik "die notwendige Beinfreiheit", verlässlicher Bündnispartner zu sein.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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