1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAsien

"Pelosis Rhetorik hilft Taiwan nicht"

31. Juli 2022

Die Asientour von Nancy Pelosi verschärft die Spannungen zwischen China und den USA. Denn die US-Demokratin hat einen Besuch in Taiwan nicht ausgeschlossen. Ein DW-Experten-Interview zu den Risiken der Reise.

USA/China Der Lenkwaffenzerstörer USS Sampson (DDG 102)
Der US-Lenkwaffenzerstörer USS Sampson auf einer Routineoperation in der Taiwan Straße im AprilBild: ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Deutsche Welle: Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hat offengelassen, ob sie im Rahmen ihrer Asienreise auch Taiwan besuchen wird. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Zack Cooper: Meine Vermutung ist, dass sie sich alle Optionen offen halten möchte, aber ich denke, dass es zu diesem Zeitpunkt ziemlich klar ist, dass sie nach Taiwan reisen wird. Ich wäre sehr überrascht, wenn sie es nicht täte.

Was sind die Risiken einer solchen Reise aus Sicht der USA?

Zunächst möchte ich betonen, dass Nancy Pelosi absolut das Recht hat, nach Taiwan zu reisen. Daran gibt es keinen Zweifel. Es gibt nichts in der US-Politik oder im US-Recht, was sie daran hindern könnte.

Aber es gibt eine Reihe von Risiken. Meiner Meinung nach geht es um das Gefühl Pekings, die USA könnten Elemente ihrer bisherigen Politik gegenüber Taiwan in einer Art Salamitaktik beschneiden. So hat Joe Biden drei große Falschaussagen zur US-Politik gegenüber Taiwan gemacht. Und zwei hochrangige Republikaner, Mike Pompeo und Mark Esper, sind kürzlich nach Taipeh gereist und haben vorgeschlagen, die bisherige Haltung der USA zur  "Ein-China-Politik" aufzugeben. Außerdem wird im US-Kongress über ein Gesetz verhandelt, das einige Teile der Beziehungen zwischen den USA und Taiwan ändern würde.

Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ist zu einer Asienreise nach Singapur, Malaysia, Südkorea und Japan aufgebrochenBild: J. Scott Applewhite/AP/dpa

Aus chinesischer Sicht handelt es sich also um eine Reihe von Maßnahmen. Und jetzt kommt oder käme auch noch der Besuch von Pelosi hinzu. Ich gehe davon aus, dass Peking etwas unternehmen muss, um sein ernsthaftes Missfallen an diesem Besuch zu bekunden. Was genau das sein wird, weiß ich nicht. Die Befürchtung ist, dass die Chinesen irgendeine Art von Eskalation in Gang setzen könnten.

Was sind die Ziele, die Nancy Pelosi erreichen will? Und was ist Ihrer Meinung nach für sie erreichbar?

Der Grund, warum ich die Weisheit dieses Besuchs in Frage stelle, ist, dass ich nicht glaube, dass er viel bewirken wird. Und ich finde, dass der Besuch die politische Einigkeit untergräbt. Joe Biden vertritt jetzt bei einem wichtigen politischen Thema bis zu einem gewissen Grad eine andere Position als Nancy Pelosi, was nicht gesund ist. Ich vermute, dass Pelosi Taiwan besuchen will, weil sie seit langem eine Kritikerin der Kommunistischen Partei Chinas ist. Sie war 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens und sprach sich für die Demonstranten aus. Dies ist also kein neuer Ansatz.

Aber es ist nicht klar, wie dies Taiwan konkret helfen soll. Und das ist das Problem bei dieser Art von Besuch. Taiwan braucht eine Menge Hilfe, wenn es um die wirtschaftlichen Beziehungen mit den USA geht oder um militärische Kooperation. Aber Besuche und Rhetorik helfen da nicht wirklich weiter. Deshalb ist dies für mich eine Reise mit hohem Risiko und geringem Nutzen.

In dem Telefongespräch zwischen Joe Biden und Xi Jinping vor ein paar Tagen gab es Drohungen von chinesischer Seite, während Joe Biden eindeutig zu versichern versuchte, dass es keine Änderung der US-Politik gegenüber China, und insbesondere gegenüber Taiwan geben würde. Wie sieht es nun mit dem Ausblick auf diese Reise aus?

Ich habe ein besseres Gefühl als noch vor zwei oder drei Tagen. Das virtuelle Treffen zwischen Biden und Xi ist so gut gelaufen, wie es nur hätte laufen können. Denn es gibt keine Welt, in der Xi Jinping sagen würde: Die Pelosi-Reise ist in Ordnung, wir werden nicht reagieren. Aber es gibt eine Welt, in der die Chinesen sehr viel direkter und wütender hätten sein können, als sie es meiner Meinung nach bei dem Treffen waren. Ich bin also vorsichtig optimistisch, dass es einige Wege aus dieser Krise gibt. Die ein oder zwei Tage um den Besuch von Pelosi herum könnten sehr angespannt sein. Aber ich bin zuversichtlich, dass eine Krise in der Straße von Taiwan vermieden werden könnte - die letzte war in den Jahren 1995-96. Die Reise könnte ein kleineres Ärgernis sein und nicht etwas, auf das wir als ein großes Ereignis zurückblicken werden.

Wie nah sind wir an einer militärischen Konfrontation, wenn Nancy Pelosi einen Fuß auf taiwanesischen Boden setzt?

Ich schätze das Risiko auf zehn bis 20 Prozent. Und es ist möglich, dass Peking eine erhebliche Eskalation in Gang setzt. Und noch eine kurze Anmerkung: Es sind hier drei Parteien – China, die USA und Taiwan - in einen Konflikt verwickelt, die ihren Weg aus dieser Krise finden müssen.

Das Gespräch führte Michaela Küfner.

Zack Cooper ist stellvertretender Direktor der Initiative "Alliance for Securing Democracy". Die Allianz ist ein Projekt der Stiftung "German Marshall Fund of the United States", die sich für die Förderung der transatlantischen Beziehungen einsetzt.

Aus dem Englischen adaptiert von Astrid Prange.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen