Finanzministertreffen Schäuble/Geithner
30. Juli 2012 Die Euro-Krise beunruhigt die US-Regierung bereits seit längerem. Neben der drohenden Staatspleite Griechenlands bereiten Finanzminister Timothy Geithner vor allem die hohen Zinsen Sorgen, die Spanien und Italien auf ihre Staatsanleihen zahlen. Am Montag (30.07.2012) reiste Geithner kurzfristig nach Deutschland, um sich mit seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble (CDU) über die Entwicklungen in der Eurozone auszutauschen. Das Treffen, das auf amerikanische Initiative zurückging, fand auf der Insel Sylt statt, wo Schäuble gerade Urlaub macht.
Keine konkreten Aussagen
Schäuble und Geithner hätten noch einmal die "Notwendigkeit fortlaufender internationaler Zusammenarbeit" im Kampf gegen die Krise betont, teilte das Bundesfinanzministerium mit. Nahezu allen Euro-Krisenländern hätten die beiden Minister Fortschritte bescheinigt. Gleichzeitig betonten sie, dass man "alle zur Bewältigung der Finanz- und Vertrauenskrise erforderlichen Reformschritte vereinbaren und umsetzen" müsse. Die "Äußerungen der EU-Entscheidungsträger in der letzten Woche" habe man zur Kenntnis genommen.
Am Wochenende hatte Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker noch einmal vor dem Auseinanderfallen der Eurozone gewarnt. "Wir sind an einem entscheidenden Punkt angekommen", sagte Juncker in einem Zeitungsinterview. "Die Welt redet darüber, ob es die Euro-Zone in einigen Monaten noch gibt." Die Euro-Staaten, der Rettungsfonds EFSF und die EZB sollten sich darauf vorbereiten, notfalls auch die Staatsanleihen der notleidenden Länder aufzukaufen, um die Zinslast dieser Länder zu senken. Deutschland gab Juncker eine Mitschuld daran, dass die Krise nicht in den Griff zu bekommen sei, da sich die Bundesrepublik den Luxus erlaube, "andauernd Innenpolitik in Sachen Euro-Fragen zu machen".
Umstrittener Aufkauf von Staatsanleihen
Auch die USA hatten Deutschland bereits mehrfach gedrängt, den strikten Sparkurs aufzugeben und Kauf von Staatsanleihen mitzutragen. "Die Inflationsangst ist eine typisch deutsche Eigenart, die sehr berechtigt ist, aber im Ausland kaum verstanden wird", erklärt Peter Tillmann, Professor für Monetäre Ökonomie an der Universität Giessen, im Gespräch mit der DW. Die Amerikaner seien von ihrer Notenbank Fed viel größere Handlungsspielräume für konjunkturpolitische Maßnahmen gewohnt.
Die Fed ist nicht nur – wie die EZB – der Sicherung der Preisstabilität, sondern auch der Sicherung der Konjunkturstabilität verpflichtet. Den von Juncker und Geithner geforderten Aufkauf von Staatsanleihen kriselnder Länder sieht Peter Tillmann eher kritisch: "Wir haben ein Verschuldungsproblem, kein Liquiditätsproblem und das könne wir auch nicht durch eine großzügige Bereitstellung von Liquidität durch die EZB lösen."
Angst vor Übergreifen der Krise
Überraschend findet Tillmann allerdings, dass sich die sonst eher marktliberalen Amerikaner zur Bekämpfung der Eurokrise so offen für staatliche Eingriffe in die Finanzmärkte aussprechen. "Vielleicht ist es der letzte Strohhalm, an den sich einige klammern. Vielleicht will man im Wahlkampf aber auch mit dem Finger auf die europäischen Regierungen zeigen, die aus amerikanischer Sicht zu wenig gemacht haben", vermutet der Experte.
Dass der spontane Besuch Geithners mitten in den amerikanischen Wahlkampf fällt, ist wohl kein Zufall. Die Euro-Krise wirkt sich negativ auf die US-Wirtschaft aus - und damit auch auf die Bilanz der Obama-Regierung. "Wenn die Wirtschaft in der Eurozone angeschlagen ist, dann ist das zum einen schlecht für die amerikanischen Exporte in die Region", erklärt Peter Tillmann. Indirekt gäbe es aber auch Folgen für den Wechselkurs: "Wenn der Euro gemieden wird und viel Kapital in den Dollar fließt, wertet das den Dollar auf, und das macht amerikanische Produkte weltweit teuer." Und schließlich trage die Eurokrise zur weltweiten konjunkturelle Abschwächung bei, die sich auch in den USA bemerkbar mache. Im zweiten Quartal betrug das Wachstum auf das Jahr gerechnet nur 1,5 Prozent. Die Arbeitslosigkeit erreichte mit mehr als acht Prozent einen neuen Höchststand.
Nach dem Treffen mit Schäuble flog Geithner weiter nach Frankfurt am Main zu einem Gespräch mit Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB). Draghi hatte bereits in der vergangenen Woche angedeutet, dass die EZB erneut Staatsanleihen von Krisenländern aufkaufen könnte.