1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

US-Job-Boom durch erneuerbare Energien?

8. Oktober 2024

Mit einem Milliardenprogramm an Investitionen hat die US-Regierung in den letzten zwei Jahren saubere Energien gefördert und dabei über 100.000 neue Jobs geschaffen. Hat die grüne Wirtschaft in den USA eine Zukunft?

Arbeiter montieren Solarmodule in Chicago auf einem Dach
Mehr Jobs, sauberere und günstige Energie in den USA: Auch in hier werden immer mehr Solaranlagen montiert Bild: Terrence Antonio James/Zumapress/picture alliance

US-Vizepräsidentin Kamala Harris bezeichnete das 738 Milliarden Dollar schwere Investitionsprogramm, den Inflation Reduction Act (IRA), 2022 nach der Verabschiedung im US-Senat als "einen historischen Erfolg für unser Land, von dem Millionen Amerikaner direkt profitieren werden".

Zwei Jahre später, in den letzten Wochen ihres Präsidentschaftswahlkampfes, erinnerte Harris die Wähler an "Hunderttausende hochwertiger Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien" und die "florierende Wirtschaft der sauberen Energien", die durch das Gesetz geschaffen wurden.

"Ich werde die Nation erneut zu einer globalen Führungsrolle in den Sektoren verpflichten, die das nächste Jahrhundert bestimmen werden", sagte Harris Ende September bei einem Wahlkampfauftritt in Pennsylvania. Und sie kündigte an, "unseren Vorsprung bei Innovation und Produktion der erneuerbaren Energien auszubauen".

Wie ist die Bilanz nach zwei Jahren Klima-Investitionsprogramm?

Der Inflation Reduction Act ist eine der wesentlichen Errungenschaften der Biden-Regierung und das größte Klima-Investitionsprogramm der US-Geschichte. Es beinhaltet neben Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und einer Neuausrichtung der US-amerikanischen Wirtschaft auf erneuerbare Energien auch umfassende steuerliche Neuregelungen. Die meisten Analysten sagen, dass das Versprechen der Regierung, in den nächsten zehn Jahren mehr als 370 Milliarden Dollar (330 Milliarden Euro) in saubere Energie-Technologien, Produktion und Innovation zu investieren, bereits eine belebende Wirkung für die nationale Wirtschaft zeigt.

"Wie auch immer man es betrachtet, der IRA ist ein Erfolg. Es könnte die transformativste Politik der jüngeren Geschichte sein", sagt Bob Keefe, Geschäftsführer von E2, einer gemeinnützigen US-Organisation, die sich für umweltfreundliche Wirtschaftspolitik einsetzt. Gegenüber der DW erklärte er, dass private Unternehmen in den USA seit der Unterzeichnung des Programms bereits über 140 Milliarden Dollar in mehr als 340 große Projekte für saubere Energie investiert haben.

"Das macht Amerika wettbewerbsfähig auf dem voraussichtlich 20 Billionen Dollar schweren Weltmarkt für Güter der sauberen Wirtschaft", so Keefe. 

Nach Angaben von E2 waren im Jahr 2023 - dem ersten vollen Jahr, in dem Zuschüsse, Darlehen, Investitionen und andere Anreize im Rahmen des IRA gewährt werden - 58 Prozent aller neu geschaffenen Arbeitsplätze im Energiesektor umweltfreundlich. Das entspricht 149.170 Arbeitsplätzen, vor allem in den Bereichen Elektrofahrzeuge, Energieeffizienz und erneuerbare Energien.

Dieser Beschäftigungszuwachs war mehr als dreimal so schnell wie die der Gesamtbeschäftigung in den USA, so der jüngste Clean Jobs America Report von E2. Laut dem Bericht werden damit die Weichen für die nächsten Jahre gestellt, "in denen die Industrie beginnt, die Auswirkungen der historischen Investitionen und Anreize im IRA in vollem Umfang zu spüren".

"Staatliche Investitionen haben definitiv Investitionen des Privatsektors beschleunigt", sagt Keefe. "Durch die Schaffung dieser Steuervergünstigungen und Investitionen, durch die Verlängerung für die nächsten zehn Jahre - und weil sie in vielen Fällen durch direkte staatliche Investitionen unterstützt werden - ist es für die Unternehmen jetzt klarer, dass Investitionen in Fabriken, grüne Energieprojekte und die Umstellung ihrer Geschäftsmodelle auf eine elektrische Zukunft sinnvoll sind."

Die Mobilität der Zukunft ist elektrisch: Schulbusse mit E-Antrieb im Busdepot von Oakland in Kalifornien Bild: Jeff Chiu/AP/picture alliance

US-Wirtschaft erlebt Boom bei erneuerbaren Energien

Projekte für Elektrofahrzeuge machen mehr als ein Drittel aller im vergangenen Jahr angekündigten Projekte in der sauberen Wirtschaft aus. Damit wollen die USA den Rückstand zu chinesischen und europäischen Automobilherstellern aufholen. Jüngste Daten vom US-Amt für Arbeitsstatistik zeigen, dass die Produktion von Elektroautos zur höchsten Zahl an Arbeitsplätzen seit 34 Jahren in der US-Automobilindustrie beitragen.

Die Tatsache, dass mehr als 90 Prozent dieser Projekte in der Produktion angesiedelt sind, könnte Wähler bei der Präsidentschaftswahl am 5. November beeinflussen. Anfang dieses Jahres hat der größte Industrieverband in den USA, die National Association of Manufacturers, Teile des IRA gelobt, weil damit Produzenten im Inland gefördert werden. Die Direktinvestitionen und Steuergutschriften führten demnach zu einem erheblichen Anstieg der Produktion und mehr Jobs.

"Die Wirtschaft genießt einen Boom bei der Erzeugung von erneuerbaren Energien, der Zehntausende von guten Arbeitsplätzen schafft", so Jack Conness, Politikanalyst bei der überparteilichen Denkfabrik Energy Innovation in San Francisco. In einer Mail erklärt er gegenüber der DW, dass der IRA die Inflation "stärker als in anderen großen Volkswirtschaften der Welt" gesenkt habe, die Arbeitslosenquote unter Kontrolle hält und die USA dazu befähigt "endlich ein wichtiger Akteur bei der Erzeugung von erneuerbaren Energien auf internationaler Ebene zu werden".

Die vom IRA-Investitionsprogramm "angestoßene Revolution der sauberen Wirtschaft in Amerika bringt neue Chancen für Gemeinden in ganz Amerika", sagt Keefe und ergänzt: "Viele von ihnen wurden von früheren wirtschaftlichen Veränderungen zurückgelassen."

"Aber auch über diese direkten Investitionen und Arbeitsplätze hinaus sind die indirekten wirtschaftlichen Vorteile enorm. Es braucht Bauarbeiter, um Fabriken zu bauen", sagt Keefe. "Diese Bauarbeiter müssen in lokalen Restaurants essen, in lokalen Hotels übernachten und lokale Produkte kaufen. Wenn eine Fabrik erst einmal in Betrieb ist, brauchen ihre Mitarbeiter all das ebenfalls. Und sie investieren ihren Arbeitslohn wieder vor Ort."

Laut Keefe werden die grünen Energieprojekte in den kommenden Jahren voraussichtlich mehr als 400 Milliarden Dollar zum Bruttoinlandsprodukt der USA beitragen. Und das landesweit - von der Lithiumförderung in Kalifornien, über Solarparks in Texas bis hin zu Fabriken, die Batterien und Elektroautos in Georgia im Süden der USA herstellen. "Die Projekte für eine saubere Wirtschaft gibt es jetzt in fast jedem Bundesstaat", sagt er.

Kritik und Unterstützung von Republikanern für grüne Investitionen  

Eine kürzlich von der Financial Times durchgeführte Untersuchung ergab, dass etwa 40 Prozent der IRA-Projekte derzeit verzögert oder vorübergehend gestoppt wurden. Gründe dafür sind zum Teil die Überproduktion in China und die Unsicherheit vor den Präsidentschaftswahlen. Und Kritiker - zumeist Republikaner, von denen keiner für das Investitionsprogramm gestimmt hat - nutzen die Gelegenheit, um die ihrer Meinung nach "verschwenderischen" Ausgaben anzuprangern.

Doch Projekte dieser Größenordnung, die die Branche verändern und zum neuen Standard werden, benötigten ihre Zeit, sagt Conness.

"Große Produktionsanlagen werden nicht über Nacht in Betrieb genommen und der IRA ist erst zwei Jahre alt", erklärt er. "Dieser Prozess wird einige Zeit brauchen. Aber es war ein wichtiger Anfang für die Diversifizierung der Produktion von erneuerbaren Energien weltweit."

Und tatsächlich haben trotz aller Kritik an der Gesetzgebung auch einige republikanische Abgeordnete den republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, aufgefordert, die Steuergutschriften für erneuerbare Energien beizubehalten, falls der ehemalige Präsident Donald Trump im November wieder ins Weiße Haus einzieht.

Traditionelle republikanische Staaten, Swing States wie Georgia, North Carolina, South Carolina, Michigan, Arizona und Indiana "sind die sechs wichtigsten Empfänger von IRA-bezogenen Investitionen in die Erzeugung von erneuerbarer Energie", sagt Conness. Er verweist dabei auf Bundesstaaten, in denen die Republikanische Partei mehr Unterstützung genießt und die bei der Präsidentschaftswahl im November ausschlaggebend sein könnten.

Der jüngste E2-Bericht hebt die Tatsache hervor, dass fast 60 Prozent der seit 2022 angekündigten Projekte in republikanischen Kongressbezirken liegen. "Der IRA hat eine breite Unterstützung im gesamten politischen Spektrum", so Conness.

Und selbst Mike Johnson räumte kürzlich in einem Interview mit dem Fernsehsender CNBC ein, dass für Änderungen an der Gesetzgebung "ein Skalpell und kein Vorschlaghammer erforderlich wäre, da es einige Bestimmungen darin gibt, die insgesamt geholfen haben".

Das hat Trump nicht davon abgehalten, zu sagen, er würde wichtige Bestimmungen des IRA abbauen, wie Steuergutschriften für Elektrofahrzeuge und für die erneuerbare Energieerzeugung. Er spricht von einer "neuen grünen Betrugsmasche" und will nicht ausgegebene Mittel zurückfordern.

Todd Stern, Sonderbeauftragter für Klimaschutz unter Barack Obama, sagt der DW auf der Climate Week in New York, dass erneuerbare Energien definitiv nicht Teil von Trumps Agenda seien. Aber wenn Kamala Harris gewählt wird, "werden neue politische Maßnahmen ergriffen, um die Entwicklung erneuerbarer Energien und Rabatte für Käufer von Elektrofahrzeugen voranzutreiben".

Zukunftsmarkt E-Mobilität: Hersteller müssen Milliarden in die Umstellung investieren

Große Nachfrage und höhere Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt

Auch Hersteller wollen keinen Kurswechsel, während die Vorteile des IRA bereits spürbar werden. Nach Angaben des US-Finanzministeriums vom August erhielten beispielsweise mehr als 3,4 Millionen Haushalte im Jahr 2023 Steuergutschriften in Höhe von acht Milliarden Dollar für energieeffiziente Umbauten.

"Diese Nachfrage unterstreicht, wie wichtig es ist, diese Kredite zu erhalten, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken", sagt Chris Phalen, der Vizepräsident für Innenpolitik des größten Industrieverbands, der National Association of Manufacturers.

"Was die Zukunft der sauberen Wirtschaft angeht, gibt es eindeutig eine Dynamik", sagt Keefe. "Aber schauen Sie sich an, was vor dem IRA und was danach passiert ist. Der Unterschied ist deutlich - und ebenso die Risiken für unsere Zukunft, wenn wir nicht so schnell wie möglich mit sauberen Energien und sauberen Fahrzeugen vorankommen."

Der Bericht wurde aus dem Englischen adaptiert von Gero Rueter.

Redaktion: Tamsin Walker

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen