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US-Klimapolitik: Die Wut der Jungen

Helena Kaschel27. Mai 2016

Vor 15 Jahren lehnten die USA das Kyoto-Protokoll ab. Allmählich ändert das Land sein schwieriges Verhältnis zum Thema Klimaschutz. Jungen Amerikanern geht das nicht schnell genug - denn es geht um ihre Zukunft.

Ein Gehölz in Kalifornien (Foto: Picture Alliance/ dpa/M.Nelson)
Die jungen Aktivisten spüren bereits die Folgen des Klimawandels: Seit vier Jahren herrscht in Kalifornien DürreBild: picture-alliance/dpa/M. Nelson

Erin Schrodes Charisma macht einem fast Angst. Sie spricht rhythmisch und druckreif. Ihre dunklen Augen funkeln, wenn sie Sätze sagt wie: "Ich glaube, die Zukunft unseres Landes ist in jungen Händen am besten aufgehoben." Die 25-jährige Kalifornierin hat große Pläne: Als jüngste Frau in der amerikanischen Geschichte will Sie in den US-Kongress gewählt werden. Den Klimaschutz hat sie sich dabei besonders auf die Fahnen geschrieben. Vor wenigen Minuten hat Schrode auf dem internationalen Jugend-Umweltgipfel "One Young World" in Arizona vor jungen Delegierten aus aller Welt eine leidenschaftliche Rede gehalten. Zwischen Hinsetzen und erster Interviewfrage schnell Snapchat - dann geht es mit der gleichen Energie weiter.

"Wir erleben gerade die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten", sagt Schrode und beugt sich dabei zum Mikrofon. "Das betrifft uns alle, es betrifft unsere Wirtschaft. In Kalifornien können wir den Klimawandel nicht einfach ignorieren, denn er bedroht unser Leben, unsere Jobs, unseren Wohlstand." Dass die USA mit der Entwicklung klimapolitischer Lösungen nicht vorankommen, frustriert die Aktivistin. Auf die Frage, wie sie sich den Stillstand in Washington erkläre, antwortet sie mit einem zynischen Lachen. "Eine große Mehrheit unserer gewählten Vertreter akzeptiert nicht einmal, dass der Klimawandel echt ist - auch wenn eine überwältigende Mehrheit von Wissenschaftlern sagt, dass der Klimawandel real ist, dass er passiert. Wie kann man etwas ändern, wenn man es nicht einmal akzeptiert?"

Erin Schrode will im Kongress progressive Ideen vertretenBild: Josh LaCuna

Klimapräsident ohne Macht: Obamas härtester Kampf

Seit die USA als größte Industrienation, und damals von Umweltschützern als "Klimasünder Nummer eins" gebrandmarkt, 2001 die Ratifizierung des Kyoto-Protokoll ablehnten, hat sich einiges geändert - nicht umsonst gilt Barack Obama als "Klimapräsident".

Schon 2009, kurz nach Amtsantritt, stellte er einen Plan zur Senkung von Treibhausgasen vor. 2011 führte er Subventionen für Solarenergie ein - und löste eine Kontroverse aus, als eines der bezuschussten Unternehmen pleite ging. Heute werden rund 13 Prozent des amerikanischen Strombedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt. 2014 schloss Obama mit China ein gemeinsames Abkommen zur Durchsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Und das Clean Energy Ministerial, ein Treffen internationaler Energieminister, findet im Juni zum ersten Mal in den USA statt.

Doch Obamas 2013 vorgestellter "Climate Action Plan" wurde größtenteils vom republikanisch bestimmten Kongress blockiert - Klimaschutz und freie Marktwirtschaft, das passt für die Konservativen in den USA nicht zusammen. Besonders deutlich wurde das im diesjähigen Wahlkampf: Mehrere republikanische Präsidentschaftsbewerber, darunter Donald Trump, erklärten, dass sie sich dem Klimaschutz verweigern würden. Umweltschützer werfen der amerikanischen Politik unterdessen zu starke Verbindungen zur Erdöl-Lobby vor.

Umweltschutz als Angriff auf den American Dream?

Trotz des politischen Gegenwinds habe Obama wichtige Erfolge erziehlt, findet Parker Liautaud. Der 21-jährige Yale-Student ist ein Mann der Rekorde. Mit 15 Jahren nahm er zum ersten Mal an einer Polar-Expedition teil. Mit 19 stellte er gleich zwei Weltrekorde auf: Für den schnellsten Ski-Trek zum Südpol und als jüngster Mensch aller Zeiten, der die Antarktis ohne Nachlieferung von Lebensmitteln durchquert hat.

Parker Liautaud wünscht sich eine Diskussion über die wirtschaftlichen Folgen des KlimawandelsBild: Martin Hartley

Liautaud ist Halb-Franzose, kennt also sowohl die europäische als auch die amerikanische Perspektive auf den Klimawandel. Für ihn ist das schwierige Verhältnis der USA zum Thema historisch begründet. "Die Vereinigten Staaten wurden auf der Vorstellung von Unabhängigkeit und der Vorstellung der Freiheit vor staatlicher Willkür gegründet. Viele konservative Amerikaner fürchten einen Eingriff in ihr Leben, wenn die Regierung den Klimaschutz zum Thema macht. Wegen dieser Ängste sind sie auch skeptisch gegenüber der Wissenschaft", sagt Liautaud.

Für Gina Fiorile widersprechen die Vorbehalte ihrer Landsleute dem amerikanischen Ideal. Die Studentin der Umweltwissenschaften wurde für ihr Engagement im Bildungsbereich vom Weißen Haus als "Champion of Change" geehrt. Klimaschutz und der American Dream? Für sie ist das kein Gegensatzpaar: "Innovation hat in Amerika eine große Bedeutung. Amerikanern ist es wichtig, immer ihr bestes zu geben und an der Spitze zu sein. Deshalb ist es ein wenig ironisch, dass wir in Sachen Nachhaltigkeitsinitiativen nicht führend sind." Trotzdem sind sich Liautaud und Fiorile einig, dass das Klimabewusstsein in der amerikanischen Gesellschaft grundsätzlich gestiegen ist.

Gina Fiorile will Klimaschutz zum Bildungsthema machenBild: Sally McCay

"Das wird in meiner Lebenszeit passieren"

Nach wie vor sind es vor allem junge Amerikaner, die lautstark eine progressive Klimapolitik fordern. Für Parker Liautaud kommt die ökonomische Dimension in der Debatte oft zu kurz: "Uns interessieren vor allem wirtschaftliche Chancen, aber die müssen wir uns selbst schaffen. Und um nicht in einer Welt mit solchen Problemen zu leben, müssen wir sehr ehrgeizig sein, und zwar jetzt. Wir sind schließlich diejenigen, die mit den Entscheidungen leben müssen, die heute getroffen werden."

Genauso sieht das Erin Schrode. Für sie ist Klimaschutz mehr als ein Wahlkampfthema. "Früher galt der Klimawandel als etwas, das irgendwann einmal zukünftige Generationen betreffen würde. Jetzt steigt der Meeresspiegel doppelt so schnell an wie erwartet. Das wird nicht in der Generation meiner Kinder passieren. Das wird nicht in der Generation meiner Enkel passieren. Das wird in meiner Lebenszeit passieren. Wir können uns buchstäblich nicht einen Tag länger erlauben, den Klimawandel zu ignorieren."

In Punkto Klimapolitik hoffen Schrode, Liautaud und Fiorile 2016 auf einen demokratischen Präsidenten. Was die jungen Aktivisten tun würden, wenn Sie an der Macht wären? Erin Schrode würde Zuschüsse für chemische Landwirtschaft abschaffen. Parker Liautauds Prioritäten wären Forschung und erneuerbare Energien. Und Gina Fiorile würde dafür sorgen, dass der Klimawandel und seine Folgen in Schulen auf dem Lehrplan stehen. Wahrscheinlich würden alle drei auf die gleichen Widerstände stoßen wie Obama. Aber vielleicht hätten sie einen längeren Atem, um ihre Ziele durchzusetzen. Denn ihnen geht es um nichts weniger als ihre Zukunft.

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