US-Kongress bestätigt Joe Bidens Wahlsieg
7. Januar 2021Beide Kammern des Kongresses haben die Stimmen aller Wahlleute und damit die Wahl des Demokraten Joe Biden zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten formell bestätigt. Der 78-Jährige kommt wie erwartet auf 306 Stimmen, der abgewählte Präsident Donald Trump auf 232.
Der amtierende US-Vizepräsident Mike Pence gab das offizielle Endresultat in einer gemeinsamen Sitzung beider Kongresskammern bekannt. Im formalen Nach-Wahl-Prozedere der USA ist vorgeschrieben, dass die Ergebnisse aus den einzelnen Bundesstaaten im Kongress zertifiziert werden. Erst dann ist amtlich, wer die Wahl gewonnen hat. Es ist der Endpunkt eines langen formalen Aktes vor der Vereidigung eines neuen Präsidenten.
Trump verspricht "geordnete" Amtsübergabe
Kurz nach der Bestätigung Bidens durch den Kongress ließ Trump über seinen stellvertretenden Stabschef Dan Scavino mitteilen, er werde sich nicht weiter gegen die Machtübergabe sperren. Die Amtsgeschäfte würden am 20. Januar geordnet übertragen, heißt es in der per Twitter verbreiteten Mitteilung. Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl erkenne er aber weiterhin nicht an.
"Es ist an der Zeit, dass Demokratien zusammenrücken, denn dies ist nicht nur eine Bedrohung in Amerika. Wir erkennen das auch überall in Europa", sagte James D. Bindenagel gegenüber der DW. Der frühere US-Botschafter in Deutschland, heute Direktor des "Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies" (CASSIS) an der Universität Bonn, erklärte in einer Einordnung, die Bestätigung des Wahlsiegs Biden sei ein "wirklich sehr gutes Signal" der Widerstandkraft des Kongresses und der demokratischen Institutionen. Aber die Bedrohung durch den Populismus sei real.
Am US-Parlamentssitz spielten sich in den Stunden zuvor nie da gewesene Szenen ab. Proteste wütender Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump in der Hauptstadt Washington sind am Mittwoch (Ortszeit) eskaliert und haben das politische Zentrum der USA zeitweise in beispielloses Chaos gestürzt. Nach einer aufstachelnden Rede des Republikaners marschierten Trump-Unterstützer vor dem Kapitol auf, dem Sitz des US-Parlaments, um gegen die Zertifizierung der Präsidentschaftswahlergebnisse zu protestieren. Randalierer stürmten das Kongressgebäude. Die beiden Kongresskammern mussten ihre Sitzungen unterbrechen, Parlamentssäle wurden geräumt, Abgeordnete in Sicherheit gebracht. Erst Stunden später nahm der Kongress seine Beratungen demonstrativ wieder auf, um Trumps Niederlage bei der Wahl endgültig zu besiegeln.
Abgeordnete beider Kongresskammern stellen sich gegen Trump und seine Anhänger
Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, sagte, die Kammer lasse sich nicht einschüchtern und werde sich nicht Gesetzlosen beugen. Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, nannte die Aufrührer "inländische Terroristen". Er machte Trump für den Angriff auf das Kapitol mitverantwortlich. Mehrere demokratische Kongressabgeordnete gaben Trump ebenfalls persönlich die Schuld für die Eskalation und forderten ein erneutes Amtsenthebungsverfahren gegen ihn. Aber auch mehrere Republikaner warfen Trump öffentlich vor, er habe den Aufruhr angezettelt.
Der künftige US-Präsident Biden sprach von einem Angriff auf die Demokratie. "Das Kapitol zu stürmen, Fenster einzuschlagen, Büros zu besetzen, den Senat der Vereinigten Staaten zu besetzen, durch die Schreibtische des Repräsentantenhauses im Kapitol zu wühlen und die Sicherheit ordnungsgemäß gewählter Beamter zu bedrohen, ist kein Protest", sagte der Demokrat. "Es ist Aufruhr."
Auch international lösten die Unruhen Besorgnis aus. Vertreter der deutschen Regierung und Regierungschefs anderer Länder äußerten sich ebenso schockiert über die Ausschreitungen wie die Spitzen des EU-Parlaments und der Europäischen Kommission. "Die Feinde der Demokratie werden sich über diese unfassbaren Bilder aus Washington, D.C. freuen", schrieb Bundesaußenminister Heiko Maas auf Twitter. Trump und seine Unterstützer sollten endlich die Entscheidung der amerikanischen Wähler akzeptieren und "aufhören, die Demokratie mit Füßen zu treten".
Ausnahmezustand in Washington bis nach Bidens Amtseinführung
Angesichts der Ausschreitungen wurde die Nationalgarde mobilisiert. In Washington trat am Abend eine Ausgangssperre bis zum frühen Donnerstagmorgen in Kraft. Auch für die angrenzenden Städte Arlington und Alexandria wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.
Die Bürgermeisterin von Washington, Muriel Bowser, verlängerte den Ausnahmezustand für die Hauptstadt um zwei Wochen und damit bis über die geplante Amtseinführung von Trumps Nachfolger Biden am 20. Januar hinaus. Bowser forderte, Trump müsse dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass er seine Anhänger zum Marsch auf das Kapitol aufgefordert habe.
qu/pg/ml (dpa, afp, rtr)