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US-Präsidentschaftswahl - die Macht des Wahlkollegiums

Clare Roth
31. Oktober 2024

US-Präsidenten werden nicht direkt vom Volk gewählt, sondern über den Umweg eines Wahlkollegiums. Die Gründe dafür liegen in der Geschichte des Landes. Doch wie funktioniert das Wahlkollegium?

Blick auf das US-Kapitol
Am 5. November wird in den USA nicht nur ein neuer Präsident gewählt, auch 488 Sitze im Kongress sind neu zu besetzenBild: Kevin Wurm/REUTERS

Auf den ersten - und vielleicht auch zweiten - Blick ist es gar nicht so einfach, zu durchblicken, wie US-amerikanische Präsidenten ins Amt gewählt werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei das sogenannte Electoral College oder Wahlkollegium. Wir wollen versuchen, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen und zu erklären, wie das System funktioniert.

Wie kam es überhaupt zu diesem Wahlsystem?

Eingeführt wurde das Wahlkollegium, auch häufig als Wahlmännerkollegium bezeichnet, im Jahr 1787 von den Urhebern der US-Verfassung. Die Vereinigten Staaten hatten damals gerade erst in einem achtjährigen Krieg die Unabhängigkeit von Großbritannien errungen und waren ein noch junger Staat.

Die Gründerväter der USA wollten eine Machtkonzentration durch das Wahlsystem verhindern. Sie hatten sich gerade von einer Monarchie befreit und fürchteten die Bildung monarchieähnlicher Strukturen.

Doch die Vorstellung einer direkten Wahl durch das Volk warf andere Bedenken auf. Einige der Gründungsväter bezweifelten, dass das Wahlvolk über ausreichend Bildung verfügte, um mündige und kompetente Wahlentscheidungen zu treffen. Nur wenige der Menschen konnten lesen und schreiben und damals gab es noch keine anderen Länder, in denen das Staatsoberhaupt durch eine allgemeine Wahl bestimmt wurde.

Donald Trump und Kamala Harris kämpfen darum, am 5. November jeweils möglichst viele Delegierte zu gewinnen

Ein Wahlkollegium erschien den Gründervätern als guter Kompromiss zwischen einer Abstimmung durch das Volk und der Übertragung der Verantwortung für die Wahl des Präsidenten an eine einzige Institution. Sie entschieden sich also dafür, den Präsidenten durch von den einzelnen Bundesstaaten ernannten Wahlmännern oder Delegierten wählen zu lassen.

Wie funktioniert das Wahlkollegium?

Die US-Regierung setzt sich aus drei Gewalten zusammen, die theoretisch gleichrangig sind: der Exekutive (dem Präsidenten und seinem Kabinett), der Judikative (dem Obersten Gerichtshof) und der Legislative oder Gesetzgebung (dem Kongress). Der Kongress besteht aus zwei Kammern, dem Repräsentantenhaus und dem Senat.

Ein Wegweiser zum Wahllokal in Michigan. Der Staat zählt zu den hart umkämpften Swing StatesBild: Paul Sancya/AP/picture alliance

Jeder Bundesstaat entsendet zwei Vertreter in den Senat. Sie repräsentieren den jeweiligen Bundesstaat auf Bundesebene. Die Abgeordneten im Repräsentantenhaus repräsentieren die verschiedenen Wahlbezirke in den Bundesstaaten.

Wie viele Abgeordnete ein Bundesstaat in das Repräsentantenhaus entsendet, wird durch die Volkszählung der USA bestimmt, die alle zehn Jahre stattfindet.

Kalifornien ist der bevölkerungsreichste Bundesstaat, er verfügt mit 52 Abgeordneten also auch über die höchste Anzahl an Repräsentanten. Staaten mit relativ geringer Bevölkerungszahl, zum Beispiel Alaska, entsenden dagegen nur einen Repräsentanten.

Jeder Bundesstaat erhält für jedes seiner Kongressmitglieder eine Stimme im Wahlkollegium. Kalifornien erhält also 54 Stimmen, 52 für die Abgeordneten im Repräsentantenhaus und zwei für seine Senatoren. Alaska wiederum erhält drei Stimmen, eine für den Abgeordneten im Repräsentantenhaus und zwei für die Senatoren.

Der Kongress zählt 538 Mitglieder, das Wahlkollegium besteht also aus 538 Delegierten. Im Rennen um die Präsidentschaft gilt es, mindestens 270 dieser Delegierten für sich zu gewinnen.

Wen wählen die US-Amerikaner also?

Wenn die Bürger und Bürgerinnen der USA bei den Präsidentschaftswahlen ihre Stimme abgeben, wählen sie die Delegierten des Kandidaten. In vielen Bundesstaaten gewinnt der Kandidat, der die Mehrzahl der Stimmen auf sich vereint, alle Delegierten für sich. Erhält Kamala Harris also zum Beispiel in Kalifornien die Mehrzahl der Stimmen, erhält sie auch alle 54 Delegierten des Staates zugesprochen.

Nur Maine und Nebraska verfahren anders. In beiden Bundesstaaten können die Delegierten im Verhältnis des Abstimmungsergebnisses auf die Kandidaten aufgeteilt werden.

Am 6. Januar 2017 bestätigte der US-Kongress den Wahlsieg von Donald TrumpBild: Yin Bogu/Photoshot/picture alliance

Obwohl verfassungsrechtlich nicht vorgeschrieben ist, dass die Delegierten den Kandidaten wählen müssen, der die Mehrheit der Stimmen gewonnen hat, kommt es nur sehr selten vor, dass Delegierte gegen den Kandidaten ihrer Partei stimmen. Angaben des US-Bundeswahlleiters zufolge haben in der Geschichte der USA "mehr als 99 Prozent der Delegierten wie vereinbart" abgestimmt.

Kann man auch ohne Mehrheit der Stimmen Präsident werden?

In der Geschichte der Vereinigten Staaten ist es schon fünfmal vorgekommen, dass ein Kandidat Präsident wurde, ohne die Mehrheit der Stimmen der US-Amerikaner und Amerikanerinnen gewonnen zu haben. 2016 erhielt der republikanische Kandidat Donald Trump drei Millionen Stimmen weniger als seine demokratische Konkurrentin, er gewann jedoch mehr Delegierte und damit die Präsidentschaftswahl. Im Jahr 2000 stimmten mehr Wähler und Wählerinnen für den demokratischen Kandidaten Al Gore, trotzdem gewann der Republikaner George W. Bush die Mehrzahl der Delegiertenstimmen. Ähnlich lief es bei drei weiteren Wahlen im 19. Jahrhundert.

Was passiert, wenn niemand die Mehrheit gewinnt?

Sollte es tatsächlich vorkommen, dass beide Präsidentschaftsanwärter gleichauf liegen und jeweils 269 Delegiertenstimmen gewinnen, also keiner eine Mehrheit von mindestens 270 Stimmen erzielt, läge es am Repräsentantenhaus, den Gewinner zu bestimmen. Jede Delegation eines Bundesstaates würde dann eine Stimme erhalten, und es wäre eine Mehrheit (26) erforderlich, um zu gewinnen. Bisher ist dieser Fall jedoch noch nicht eingetreten.

Wann wird das Abstimmungsergebnis bekannt gegeben?

Der Kongress zählt die Stimmen der Delegierten am 6. Januar aus und am 20. Januar wird der Präsident in sein Amt eingeführt. Das Wahlergebnis steht jedoch in der Regel schon nach Auszählung der Wählerstimmen im November fest und die Bekanntgabe am 6. Januar birgt keine Überraschungen. Doch auch die Auszählung der Wählerstimmen kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Im Jahr 2020 wurde der Wahlsieg Joe Bidens erst am 7. November bekannt gegeben, vier Tage nach dem Wahltag am 3. November.

Was sind Swing States und warum sind sie so wichtig?

In den meisten Bundesstaaten stimmt die Mehrzahl der Wähler Jahr für Jahr für dieselbe Partei. In Kalifornien haben die Demokraten zum Beispiel jede Wahl seit 1992 für sich entschieden, in Mississippi dagegen seit 1980 die Republikaner.

In den Swing States gewinnen mal die Republikaner, mal die Demokraten. Hier kämpfen die Kandidaten besonders intensiv um Stimmen, denn in diesen Staaten wird letztlich die Wahl entschieden.

Politikwissenschaftlern zufolge sind in diesem Jahr insbesondere Arizona, Georgia, Nevada, Pennsylvania, Wisconsin und Michigan hart umkämpft.

Über was wird 2024 sonst noch abgestimmt?

An diesem 5. November stimmen die amerikanischen Wähler auch für neue Kongressabgeordnete, sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat. 488 Sitze - 33 im Senat und 435 im Repräsentantenhaus - stehen zur Wahl.

In vielen Bundesstaaten wird am selben Tag auch über einzelne, nur den jeweiligen Bundesstaat betreffende Maßnahmen abgestimmt. Eines der größten und politisch umstrittensten Themen, das im November auf den Stimmzetteln vieler Staaten stehen wird, ist das Recht auf Abtreibung.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

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