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Republikanerin: "Möchte meine Partei zurück"

17. Juli 2020

Seit ihrem 13. Lebensjahr engagiert sich Linda Rawles bei den Republikanern. In diesem Wahlkampf kämpft sie gegen deren eigenen Präsidenten. Und ist damit nicht allein. Ein Lagebericht aus Arizona von Ines Pohl.

USA |  Republikanerin Linda Rawles
Republikanerin Linda Rawles lässt sich selbst von Klapperschlangen im Vorgarten nicht einschüchternBild: DW/I. Pohl

Trump verliert an Boden

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"Vorsicht hier bei diesem Stein, seht Ihr diese Löcher? Hier lebt eine Klapperschlange", warnt Linda Rawles. Es sei besser, ordentlich Lärm zu machen, um das schlimmstenfalls todbringende Tier zu vertreiben.

Ordentlich Lärm machen. Das ist Rawles Lebensmotto in diesen verbleibenden Monaten vor der Präsidentschaftswahl. Ordentlich Lärm machen, um Schlimmes, noch Schlimmeres im November zu verhindern.

Die 61-jährige Juristin kämpft wie so viele US-Amerikanerinnen ihrer Altersgruppe mit allen Mitteln gegen eine zweite Amtszeit von Donald Trump. Sie kämpft gegen einen Präsidenten, für den sie sich schämt. Für seinen Rassismus, seine Frauenfeindlichkeit, seine Immigrationspolitik und die rüpelhafte Art, mit der er jahrzehntealte Verbündete vor den Kopf stößt, sagt sie.

Sie kämpft aber vor allem gegen den Mann, der ihre politische Heimat zerstört hat.

Republikanerin durch und durch

Linda Rawles ist Republikanerin. Vollblutrepublikanerin. Seit ihrem 13. Lebensjahr engagiert sich die Frau, die mit ihrem Ehemann in Carefree, einem Teil von Phoenix im Bundestaat Arizona, lebt, für diese Partei. Hat immer wieder Wahlkampf für Parteifreunde auf lokaler und regionaler Ebene gemacht, und 1994 selbst um einen Sitz im Kongress gekämpft. Für einen Sieg hat es nicht gereicht. In ihrer Stimme klingt trotzdem eine Mischung aus Stolz und Wehmut an, wenn sie sich über die alten Wahlkampfbroschüren beugt.

Schon als Teenagerin engagierte Rawles sich für ihre Partei, kämpfte 1994 sogar um einen Sitz im KongressBild: DW/I. Pohl

"Ich stehe ja noch immer für die gleichen Werte", sagt sie. Für einen freien Markt, dafür seien die Vereinigten Staaten von Amerika schließlich gegründet worden. Und für individuelle Verantwortung. "Meiner Meinung nach sollte die Regierung Deinen Geldbeutel und Dein Schlafzimmer in Ruhe lassen."

Doch von all dem sei nach vier Jahren Donald Trump nichts mehr übriggeblieben: "Er hat die Partei von einer Partei der Freiheit zu einer Partei gemacht, die Diktatoren huldigt und die Gesetzesgrundlagen zerstört." Rawles findet harte Worte für den Präsidenten, spricht von einem "psychisch gestörten Soziopathen."

Arizona lange eine sichere Bank 

Arizona war bei den Präsidentschaftswahlen jahrzehntelang eine sichere Bank für die Republikaner. Wahlforscher sagen, dass sich das in diesem Jahr ändern kann. Vor allem Frauen wie Linda Rawles, die in den gut situierten Vorstädten leben, seien entscheidend dafür, wer am Ende den Kampf ums Weiße Haus gewinnt.

Ein Faktor dabei: Das Coronavirus. Der Bundesstaat der Wüsten und Kakteen im Südwesten der USA ist schwer betroffen von COVID-19. Nach offiziellen Angaben sind hier schon jetzt mehr als 2400 Menschen am Virus gestorben. Früh ist der republikanische Gouverneur Doug Ducey der Ansage Trumps gefolgt und hat die kurzfristigen Sicherheitsvorkehrungen wieder gelockert.

"Trump hat Blut an seinen Händen"

Jetzt explodieren die Neuinfektionen, in immer mehr Krankenhäusern fehlen Betten, um eine angemessene Behandlung zu ermöglichen. COVID-19-Patienten werden viel zu früh entlassen und stecken weitere Menschen an. Die Leichenhallen reichen nicht mehr aus, um die Toten zu kühlen, bevor sie in der Wüstenhitze beerdigt werden können.

Temporäre Leichenhallen in den USA (New York, Ende April 2020)Bild: Reuters/L. Jackson

"Donald Trump hat Blut an seinen Händen, er hat das Virus ignoriert, weil es ihm politisch peinlich war", sagt Rawles. "Er hat unseren Gouverneur davon überzeugt, alles viel zu früh wieder zu öffnen – und nun sterben die Menschen." Weil ihm gute Wirtschaftszahlen wichtiger seien als Hunderttausend und mehr Tote. Dabei sei es gar nicht möglich, die Pandemie und die Wirtschaft zu trennen. "Das eine hängt doch ganz eng mit dem anderen zusammen", sagt die Anwältin.

Gesamte Führung austauschen

Immer mehr Republikaner sind mit dem Krisenmanagement der Regierung unzufrieden, so Rawles. Und doch sei es für viele fast unmöglich, sich offen von Trump abzuwenden. "Wenn Du so felsenfest von etwas überzeugt warst, ist es schwer, diese mentale Veränderung hinzubekommen", erklärt sie. "Es ist schwer zu sagen: Ich lag da falsch. Das erfordert viel Mut." So stolz sie auf die ehemaligen Trump-Unterstützer, die sich jetzt offen gegen ihren ehemaligen Wunschkandidaten aussprechen, so sehr verachtet sie die Parteiführung, die dem Präsidenten weiter die Stange hält.

Der Präsident will eine zweite Amtszeit - viele US-Bürger wollen das nichtBild: picture-alliance/dpa/AP/E. Vucci

Sie ist überzeugt, dass die Republikaner nur eine Chance haben, als Partei zu überleben und sich wieder auf ihre Grundwerte zu besinnen, wenn die ganze Führungsriege ausgetauscht wird. Wer weiterhin ein Fan von Donald Trump sei, der teile auch seinen moralischen Kompass, und in diese Leute habe sie kein Vertrauen mehr. "Ich möchte meine Partei zurück", sagt Rawles. Am Ende gehe es darum, was für ein Mensch man sein wolle: einer, der dem Gesetz folgt und sein Gegenüber respektiert, oder einer, der Kinder an der Grenze in Käfige sperrt.

Eine neue Partei gründen?

Auch wenn Linda Rawles in weiten Teilen die Politik Joe Bidens  ablehnt, wird sie ihn in diesem Herbst wählen. Er sei wenigstens ein anständiger und mental gesunder Mensch. Und alles sei besser als Trump. Auf Dauer aber will sie wieder eine eigene politische Heimat. Eine traditionellere Partei, die ihre wirtschaftlichen Vorstellungen vertritt und nicht so weit links ist, wie es die Demokraten seien.

Joe Biden - auch für manche traditionellen Republikaner die bessere WahlBild: Reuters/J. Bourg

Aber können die Republikaner ihre existenzielle Krise überwinden, selbst wenn Trump die Wahl im November verliert? Linda Rawles hat große Zweifel. Vielleicht müsse man am Ende das ganze Parteiensystem ändern, sagt sie - oder sogar eine neue Partei gründen.

Das alles aber ist etwas für die Zukunft. Jetzt müsse man erstmal mit aller Kraft kämpfen. Und dabei ordentlich Lärm machen. Wie an dem großen Stein in ihrem Vorgarten. 

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