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PolitikEuropa

US-Sanktionen gegen Ungarn: Tiefpunkt der Beziehungen

13. April 2023

Erstmals seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine sanktionieren die USA auch einen Verbündeten: Ungarn. Die Orban-Regierung reagiert trotzig und will ihren russlandfreundlichen Kurs fortsetzen.

Der russische Staatschef Wladimir Putin und Ungarns Präsident Viktor Orban geben sich die Hand, Im Hintergrund die russische und die ungarische Flagge
Enge Beziehungen: Wladimir Putin und Viktor Orban, hier am 30.10.2019 in BudapestBild: Kremlin Press Office /AA/picture alliance

Wer dieser Tage einen Blick in die regierungsnahen Medien Ungarns wirft, fragt sich unweigerlich, wo in Europa eigentlich gerade Krieg herrscht und welches Land daran die Schuld trägt. Russlands Invasion der Ukraine wird als "ukrainische Krise" bezeichnet. Als Aggressor hingegen stehen die USA da - nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Ungarn. Die Vereinigten Staaten würden Ungarns Souveränität angreifen und das Land in "einen Krieg hineinzwingen", heißt es unisono in den Orban-Medien.

So schrille antiamerikanische Töne wie derzeit waren in Ungarn selbst in den späten Jahren der realsozialistischen Diktatur nicht mehr zu hören. Aktueller Anlass für sie ist ein antirussisches Sanktionspaket der US-Regierung, das am Mittwoch (12.04.2023) verkündet wurde, und von dem auch Ungarn betroffen ist. Vordergründig hört es sich erst einmal nicht sehr schwerwiegend an: Betroffen von den US-Sanktionen sind die russisch-ungarische Internationale Investitionsbank (IIB) sowie deren Führungspersonal, darunter ein ungarischer Staatsbürger, der stellvertretende IIB-Chef Imre Laszloczki.

Das Gebäude der Internationalen Investitionsbank (IIB) in BudapestBild: Martin Fejer/EST&OST/IMAGO

Das an sich ist noch kein Präzedenzfall: Die USA haben in den vergangenen Jahren mehrfach Politiker und Geschäftsleute aus verbündeten Ländern sanktioniert, darunter aus Albanien und Bulgarien. Auch offiziell namentlich nicht genannte ungarische Staatsbürger standen schon auf US-Sanktionslisten. Doch nun wird mit Ungarn erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ein NATO- und EU-Land sanktioniert. Denn die IIB ist nicht eine beliebige Bank, sondern eine Staatsbank, an der Ungarn rund 25 Prozent Anteile hält.

Noch: Denn überraschend gab das ungarische Wirtschaftsministerium am späten Donnerstagnachmittag (13.04.2023) bekannt, dass Ungarn sich aus der IIB zurückziehen wird. Damit zog die ungarische Regierung erste Konsequenzen aus den US-Sanktionen.

Ob damit ein weiter reichender Kurswechsel Ungarns in seiner Außenpolitik verbunden ist, bleibt abzuwarten. Üblicherweise hat Ungarns Premier Viktor Orban bei Konflikten mit den USA und der EU bisher meistens kleinere Schritte zurück gemacht, doch keine grundlegenden Kursänderungen vorgenommen.

IIB - Ungarns "Spionagebank"

Die IIB wird in Ungarn auch als "Spionagebank" betitelt, da ihre Führungsriege aus dem Umfeld des russischen Geheimdienstes FSB und namentlich der IIB-Chef Nikolai Kosow aus einer Familie von KGB-Offizieren stammt. Die Bank, deren Sitz 2019 von Moskau nach Budapest verlegt wurde, spielt eine wichtige Rolle in den russisch-ungarischen Beziehungen. Der stellvertretende IIB-Chef Laszloczki wiederum ist ein Architekt und Manager der ungarischen Wirtschaftspolitik in Russland und den zentralasiatischen Republiken.

Donald Trump und Viktor Orban, hier am 13.05.2019 in BudapestBild: Imago Images/UPI Photo/K. Dietsch

Die US-Sanktionen gegen Ungarn sind der vorläufige Tiefpunkt in den seit langem angespannten und inzwischen offen feindseligen Beziehungen zwischen Ungarn und den USA. Ungarns Premier Viktor Orban hat aus seiner Antipathie gegen die US-Demokraten und den US-Präsidenten Joe Biden nie einen Hehl gemacht und ist bis heute ein Freund und Fan von Donald Trump. Er war der erste EU-Regierungschef, der Trump 2017 zu seiner Wahl gratulierte. Und erst vor Kurzem, anlässlich der Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten, twitterte Orban: "Keep on fighting, Mr. President! We are with you, @realDonaldTrump!"

Ungarns Außenminister erneut in Moskau

Vertreter von US-Regierungen haben sich wiederholt kritisch zum Zustand der Demokratie und des Rechtsstaats in Ungarn geäußert, Korruptionspraktiken in Orbans Umfeld kritisiert und sich besorgt über die engen ungarisch-russischen Beziehungen gezeigt. Letzteres dürfte nun auch den Ausschlag gegeben haben, Ungarn in das neue antirussische Sanktionspaket mit einzubeziehen.

Ungarns Außenminister Peter Szijjarto (li.) mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow (Mitte), rechts im Bild der Chef der Internationalen Investitionsbank, Nikolai KosowBild: Russian Foreign Ministry/Tass/IMAGO

Tatsächlich ist Ungarn das einzige EU-Land, das offiziell noch freundschaftliche Beziehungen zu Russland pflegt und die russische Aggression gegen die Ukraine bis heute nur halbherzig verurteilt. Am Dienstag (11.04.2023) war Ungarns Außenminister Peter Szijjarto nach Moskau gereist und hatte dort Gespräche über russische Erdgaslieferungen und über russische Investitionen in die ungarische Atomindustrie geführt. Am selben Tag war der belarussische Außenminister Sergej Alejnik zu Gesprächen nach Budapest gekommen.

US-Botschafter in Ungarn schwulenfeindlich beschimpft

Ungarn trug zwar bisher die antirussischen Sanktionen der EU bis auf einige Ausnahmen mit, wofür es von Moskau unlängst als "unfreundliches Land" eingestuft wurde. Der ungarische Premier Orban spricht sich allerdings immer wieder offen dafür aus, die Sanktionen zu beenden. Orban versteigt sich auch immer wieder zu Behauptungen wie der, dass es nicht zum Krieg gekommen wäre, wenn Donald Trump noch US-Präsident wäre. Indirekt gibt er den USA unter Präsident Biden und der "kriegsfreundlichen" EU die Schuld an Russlands Angriff auf die Ukraine.

Viktor Orban spricht auf der Conservative Political Action Conference (CPAC) in Dallas, Texas, am 4.08.2022Bild: Shelby Tauber/REUTERS

Zur Eskalation in den Beziehungen zwischen Ungarn und den USA haben auch die Person des US-Botschafters in Budapest, David Pressman, und dessen Aktivitäten beigetragen. Pressman ist offen homosexuell und damit eine ideale Zielscheibe für Ungarns homophobe Regierung. Bei seinem Amtsantritt in der ungarischen Hauptstadt wurde Pressman von regierungsnahen Aktivisten und Medien in wüster Weise schwulenfeindlich beschimpft.

Ungarns schrille Anti-USA-Kampagne geht weiter

Ungarns Regierung wiederum wirft Pressman seit längerem vor, Oppositionsparteien zu unterstützen und Orbans Sturz zu betreiben. Anlass ist unter anderem, dass die US-Botschaft derzeit eine proukrainische ungarische Plakatkampagne unterstützt, auf der es heißt: "Russen nach Hause!" Diesen Slogan benutzte Orbans Partei Fidesz in der Wendezeit für politische Kampagnen.

Pressman seinerseits ist freundlich im Ton, aber kritisch in der Beurteilung des Orban-Regimes. Mitunter kann er sich sarkastische Seitenhiebe nicht verkneifen: Im vergangenen Herbst etwa postete seine Botschaft ein Online-Quiz mit bizarren antiamerikanischen und prorussischen Aussagen. Sie stammten ausnahmslos von ungarischen Politikern und Publizisten - nicht von Wladimir Putin.

Nachdem Pressman am späten Mittwochnachmittag (12.04.2023) die US-Sanktionen gegen Ungarn verkündet hatte, fielen offizielle ungarische Reaktionen erwartbar aus. Vertreter von Orbans Regierungspartei Fidesz sagten, Ungarn werde seine Souveränität verteidigen und seinen Standpunkt nicht ändern.

Regierungsnahe Medien hingegen führten ihre schrille antiamerikanische Kampagne fort. Das vielgelesene Boulevard-Portal Origo titelte: "USA wieder aufgeflogen: Es verrät alle seine Verbündeten und stößt ihnen das Messer in den Rücken" . Und der bekannte Publizist und Orban-Freund Zsolt Bayer schrieb an die Adresse Pressmans: "Fresse halten, verstanden?".