US-Sanktionen machen Iranern das Leben schwer
13. Mai 2019"Wir haben ein Netzwerk von ungefähr 200 Frauen, die unsere Produkte herstellen. Sie kommen aus abgelegenen Dörfern der Provinz Belutschistan", berichtet Maryam (Name geändert) im Gespräch mit der DW. Die 30-jährige Geschäftsfrau arbeitet für eines jener Start-Up Unternehmen im Iran, die versuchen, speziell für Frauen in abgelegenen Gebieten oder aus benachteiligten Schichten Arbeitsplätze zu schaffen. Solche Initiativen werden vom iranischen Staat wenn nicht finanziell, so zumindest moralisch stark unterstützt.
In diesem Fall geht es um traditionelles Kunsthandwerk, feinste manuelle Stickerei auf Kleidungsstücken aus Seide oder Leder. Die Frauen, die diese Stücke herstellen, präsentieren sich als Schülerinnen einer Meisterstickerin namens Mahtab, welche die Kleider der letzten Kaiserin Farah Pahlavi bestickt hatte. "Momentan sieht es nicht gut aus. Unter den Sanktionen ist das Nähmaterial viel teurer geworden. Gleichzeitig sind unsere Bestellungen stark zurückgegangen. Unsere Kunden kommen überwiegend aus dem Ausland, Leute, die in den vergangenen Jahren in den Iran gereist sind und uns kennengelernt haben." Der Grund für die fehlenden Bestellungen: Die Finanzsanktionen der USA machen Überweisungen schwierig bis unmöglich.
Einbußen im Tourismusgeschäft
Der Aufschwung des Tourismus nach dem Atomabkommen habe zunächst für neue Arbeitsplätzen im Iran gesorgt. "Balutschistan faszinierte europäische Touristen, trotz schlechter Presse", stellt Maryam fest. Aber wegen der US-Sanktionen haben vergangenes Jahr mehrere europäische Fluggesellschaften, darunter Air France und British Airways, ihre Flüge nach Teheran eingestellt.
Belutschistan ist eine trockene, wirtschaftlich benachteiligte Provinz im Südosten des Iran an der Grenze zu Pakistan und Afghanistan. Drogenhandel und -schmuggel sind dort weit verbreitet. Mancherorts ist das Drogengeschäft die einzige Einnahmequelle. Frauen wie Maryam haben mit cleveren Geschäftsideen diese Situation zum Besseren verändert. Nun leiden ihre Geschäfte unter den politischen Spannungen und Wirtschaftssanktionen.
"Wirtschaftskrieg"
Am Sonntag (12.5.) verglich Irans Präsident Rohani die Folgen des - so wörtlich - "Wirtschaftskriegs" der USA gegen den Iran mit dem achtjährigen Krieg zwischen Iran und Irak in den 1980er Jahren. Dieser Krieg hatte mit einem Angriff der Armee von Saddam Hussein auf den Iran begonnen und Hunderttausende Menschen das Leben gekostet. Der derzeitige "Krieg" werfe aber größere Probleme auf, warnte Rohani die Iraner: "Damals hatten wir nicht die Probleme mit dem Ölexport und der Zusammenarbeit mit den internationalen Banken." Verhandlungen mit den USA erteilte er eine Absage. Trump solle erst den Ausstieg aus dem Atomabkommen und die einseitig verhängten Sanktionen zurücknehmen.
"Alle sind betroffen"
"Meine kleine Tochter leidet unter Mangelernährung. Ich weiß nicht, wie wir in dieser Situation überleben könnten, wenn wir keine Verwandten in der Nachbarschaft hätten." Ali lebt mit seiner Frau und zwei Kinder in Mamazand, einem Vorort im Süden Teherans. Er ist Fahrer für eine Lebensmittelfirma. "In den letzten zwölf Monaten ist mein Gehalt nicht gestiegen, hat aber massiv an Wert verloren. Mein Gehalt war letztes Jahr umgerechnet 250 Euro wert, jetzt sind es gerade mal 100 Euro. Die Lebensmittelpreise steigen gleichzeitig täglich. Fleisch können wir uns nicht mehr leisten", berichtet Ali der DW.
Ali ist Alleinverdiener. Seine Frau möchte zwar arbeiten, aber sie findet keine Stelle. Viele Frauen aus der Nachbarschaft arbeiteten als Putzfrauen, berichte Ali, vor allem im wohlhabenden Norden Teherans. Ihre mageren Löhne würden allerdings zum großen Teil von den Fahrtkosten aufgefressen.
"Das Leben ist für alle schwieriger geworden", stellt auch Sajadeh aus der Nordstadt fest. Sajadehs Mann ist Ingenieur, sie arbeitet als Krankenschwester in einem Privatkrankenhaus. "Ich bin froh, dass meine Familie gesund ist. Die Situation bei Arzneimitteln und Medizinprodukten ist momentan katastrophal", berichtet die 40-jährige Mutter eines Kindes.
Die Einfuhr von Rohstoffen für die pharmazeutische Industrie und von Spezialmedikamenten wurde durch die Finanzsanktionen erschwert. Spezialmedikamente werden nun aus Indien oder China importiert. Ihre Qualität sei nicht vergleichbar mit europäischen Produkten, sagt Sajadeh und fügt hinzu: "In Krankenhäusern fehlt es an Medizinprodukten und sogar an medizinischen Verpackungen. Zum Beispiel hat die nationale Blutbank Krankenhäuser ermahnt, vorsichtig mit ihren Reserven umzugehen. Dabei fehlt es nicht an Blut. Die Menschen spenden genug. Aber es gibt keine Blutbeutel."