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US-Senatoren drohen Sassnitz zu schaden

Leonie von Hammerstein
14. August 2020

Drei US-Senatoren drohen dem Fährhafen Sassnitz mit "vernichtenden" Sanktionen, um die umstrittene Nord Stream 2-Pipeline zu verhindern. Das wäre der finanzielle Ruin für den Hafen. Die Sassnitzer geben sich kämpferisch.

Deutschland Fährhafen Sassnitz auf Rügen
Ziel von US-Sanktionen: Der Port Mukran auf RügenBild: DW/L. von Hammerstein

Es riecht nach Backfisch, die Sonne spiegelt sich glitzernd auf dem Wasser, träge dümpeln ein paar Segelboote vorbei. Es ist Sommerferienzeit in Deutschland. Und hier in Sassnitz auf der Ostsee-Ferieninsel Rügen erst recht. Selbst der Bürgermeister des 9000-Menschen-Städtchens hat Urlaub. Eigentlich. Wäre da nicht ein Drohbrief aus den USA.

"Es passiert ja nicht alle Tage, dass Sassnitz von 0 auf 100 in die weltpolitische Aufmerksamkeit rückt", sagt Frank Kracht und lacht. Dann wird er gleich wieder ernst. "Ich muss diese Drohungen ernst nehmen. Denn zuerst geht es hier auch um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter."

An sie ist der Drohbrief adressiert: Bürgermeister Kracht (links) und Fährhafenchef Sievers (Mitte)Bild: Imago Images/J. Koehler

Er redet von den Arbeitnehmern der Fährhafen Sassnitz GmbH. Dieses Unternehmen betreibt den Port Mukran. Der wiederum ist logistischer Knotenpunkt für die Fertigstellung der umstrittenen "Nord Stream 2"-Gaspipeline. Direkt aus Russland soll sie Gas nach Deutschland transportieren. Gut 150 Kilometer fehlen noch, bis sie fertig ist.

Die Kritik ist nicht neu, der Ton schon

Die USA wollen die Pipeline mit allen Mitteln verhindern. Die Kritik ist nicht neu.  Deutschland mache sich abhängig von russischem Gas, argumentieren die US-Amerikaner. Präsident Donald Trump wirft Deutschland vor, es lasse sich militärisch vor Russland schützen, verschaffe Moskau aber gleichzeitig hohe Einnahmen aus Gasexporten. 

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Auch die Ukraine und Polen protestieren, dass die Pipeline in der Ostsee dazu führe, dass sie Milliarden an Transitgebühren verlieren. Kritiker sagen aber auch, die US-Amerikaner hätten eigene wirtschaftliche Interessen hinter ihrem harten Kurs, wollten selbst ihr Flüssiggas loswerden in Europa.  

Drei US-Senatoren, Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses, drohen dem Port Mukran in einem Brief direkt mit "vernichtenden" wirtschaftlichen und rechtlichen Sanktionen, sollte er es weiterhin erlauben, dass Schiffe für das Pipeline-Projekt ausgerüstet werden.

Ted Cruz, republikanischer Senator aus Texas, droht Sassnitz. In der Vergangenheit war er damit schon einmal erfolgreichBild: picture-alliance/CNP/AdMedia

Einmal hat eine Drohung wie diese  schon funktioniert: Als der US-Senator Ted Cruz im Dezember letzten Jahres einen ähnlichen Brief an die Reederei Allseas mit Sitz in der Schweiz verschickte. Deren Spezialschiffe werden durch internationale Fonds finanziert, die Reederei zog daraufhin ihre zwei im Dezember letzten Jahres zurück. Seitdem hat sich an der Pipeline nichts getan.

Die Akademik Cherskiy, ein russisches Schiff, soll die Arbeit jetzt zu Ende bringen. Sie muss noch technisch ausgestattet werden, um die fertigen Rohre, die im Port Mukran lagern, in die Ostsee zu bringen. Diese Arbeit liegt nun aber erstmal still, genau da setzt der Drohbrief der US-Amerikaner an. 

Bürger in Sassnitz beunruhigt

Eine "wirtschaftliche Kriegserklärung" nennt Grünen-Politiker Jürgen Trittin den Brief. "Ungeheuerlich" sagt auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und spricht von einem "Erpressungsversuch".

Seit 50 Jahren lebt sie in Sassnitz: Susanne BenderBild: DW/L. von Hammerstein

Auch am Stadthafen von Sassnitz hat man für die Politik der USA wenig Verständnis. Susanne Bender wohnt seit 50 Jahren in Sassnitz, sie betreibt den Frisch-Fisch-Räucher-Kutter "Heimat". Bender verkauft Fischbrötchen, sie scheinen lecker zu sein, die Schlange ist lang.

"Es ist nicht in Ordnung, was der Trump macht. Was mischt der sich bei uns ein?", sagt sie. "Nicht nur ich persönlich, sondern alle hier machen sich Sorgen. Wir sind ja alle abhängig vom Hafen." Neben dem Tourismus ist der industrielle Fährhafen der wichtigste Arbeitgeber in der Region.

"Man baut sich was auf, und von hinten soll es jetzt wieder eingerissen werden", sagt René Beinhoff, er verkauft Eis an der Sassnitzer Promenade. "So ein Schwachsinn!"

René Beinhoff betreibt einen Eisladen in SassnitzBild: DW/L. von Hammerstein

Auch Bürgermeister Frank Kracht betont, dass die Genehmigungen alle vorliegen würden, die Pipeline so gut wie fertig sei, zu 94 Prozent, man wolle daran festhalten. "Es ist eine Drohung. Es gibt keine Sanktionen im Moment. Wir müssen das ernst nehmen, aber auch unsere Menschen beruhigen, dass sie da in keiner Art und Weise in dieses politische Geplänkel hereingezogen werden."

Die Drohkulisse könnte wirken

"Die Sassnitzer scheinen noch nicht richtig verstanden zu haben, in welchen Abgrund sie da blicken", sagt hingegen Sascha Lohmann. Er ist Politikwissenschaftler in der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik und forscht seit Jahren zu US-Sanktionen. 

Die Drohkulisse aus einem Mix an Sanktionen in dem Brief reiche, laut Lohmann, um die Finanzmarkt-Akteure im Hintergrund, also zum Beispiel die Hausbank des Fährhafens, zu verunsichern. "Die Senatoren verstehen genau, was für eine psychologische Wirkung diese Drohungen haben", betont Lohmann. 

Sascha Lohmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht harte Zeiten auf Sassnitz zukommenBild: Jens Meyer

Dabei gehe es um Sekundär-Sanktionen, so Lohmann. Das bedeutet: Die USA verbieten ihren eigenen Unternehmen, Geschäfte mit von Sanktionen betroffenen Unternehmen zu machen, in diesem Fall also dem Port Mukran und seinen Geschäftspartnern.

Aus Sorge davor, erklärt der Politikwissenschaftler, zögen sich viele Geschäftspartner dann aber schon von vornherein zurück, sie verzichteten lieber auf das Geschäft mit Mukran als ihr gesamtes US-Geschäft zu riskieren. "Diese Finanzakteure würden dann dafür sorgen, dass der Hafen faktisch zahlungsunfähig wäre."

Tun könne man derzeit dagegen kaum etwas.

Drohbrief statt Freundschaftsbesuch

Wie es jetzt weitergeht, darüber möchte niemand so wirklich konkret sprechen. Die "Akademik Cherskiy" liegt weiterhin im Fährhafen Mukran. Bisher scheint man von deutscher Seite an dem Projekt festhalten zu wollen. Einige Stimmen in der Politik fordern die Bundesregierung auf, Stellung zu beziehen, Gegen-Sanktionen zu erlassen.

150 Kilometer fehlen noch von der umstrittenen PipelineBild: DW/L. von Hammerstein

Davon hält Bürgermeister Kracht nicht viel. "Ich denke, es ist kontraproduktiv, genau so mit den gleichen Waffen zurückzurasseln. Ich glaube, eine friedliche Lösung und ein Miteinander steht uns gut zu Gesicht." Wie genau dieses Miteinander aussehen soll oder wird, ist allerdings nicht ganz klar.

Die einzige Verbindung, die Sassnitz mit den USA habe, erzählt Kracht, sei eine Städtepartnerschaft mit Port Washington. Eigentlich sollte diesen Sommer sogar eine Gruppe Jugendliche nach Sassnitz reisen. Dann jedoch funkte Corona dazwischen und der Besuch musste abgesagt werden. Statt der reisefreudigen Teenager kam dann der Drohbrief aus den USA.

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