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Politik

US-Truppenabzug nur leere Drohung?

9. Juni 2020

Präsident Trump soll einen Teilabzug der US-Streitkräfte aus Deutschland angeordnet haben. Während Sicherheitspolitiker von beiden Seiten des Atlantiks aufschreien, will Washington solche Pläne nicht bestätigen.

US-Truppen in Deutschland
US-Soldaten während einer militärischen Zeremonie in den Storck-Barracks im bayrischen Illesheim (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/N. Armer

Rund 35.000 Amerikaner sind noch an den verschiedenen US-Standorten in Deutschland stationiert. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges waren es fast zehnmal so viele. Doch US-Präsident Donald Trump will die amerikanische Truppenpräsenz im Land seiner Vorfahren noch einmal um fast 10.000 kürzen. So heißt es bislang nur in Medienberichten, die sich auf US-Regierungsvertreter stützen.

In Berlin sah Regierungssprecher Steffen Seibert zunächst gar keinen Grund, überhaupt darauf zu reagieren: "Wenn es offizielle Informationen gibt, dann können wir dazu auch Stellung nehmen. Reine Medienberichte sind für uns kein Anlass." Seibert tat auch das, was seine Chefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, in solchen Fällen gerne tut: Statt auf eine angebliche Drohung - denn so sehen es die meisten Sicherheitspolitiker - scharf zu antworten, lobte er die Arbeit der US-Truppen "im Rahmen des Bündnisses, das unsere Sicherheit gewährleistet".

"Kolossaler Fehler"

Auch wenn selbst am Dienstag noch nichts Offizielles aus Washington drang, hat die Meldung die Politik in Berlin in helle Aufregung gestürzt. Der Christdemokrat Peter Beyer, Koordinator für transatlantische Beziehungen, meint, ein solcher Truppenabzug würde "die Säulen der transatlantischen Beziehungen erschüttern". Sein Parteifreund Johann Wadephul sieht in Trumps angeblicher Ankündigung einen weiteren Weckruf, dass Europa sich militärisch mehr auf sich selbst verlassen soll. Dasselbe fordert SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Doch während zahlreiche Politiker mehr oder weniger offen über Trumps Unberechenbarkeit klagen, mahnt FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen.

Merkel (links) und Trump haben sich nie gut verstandenBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Kritik an Trump kommt selbst von amerikanisch-militärischer Seite - von einem, der mit genau diesen sicherheitspolitischen Fragen bestens vertraut ist. Der frühere Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, Ben Hodges, der vor seiner Pensionierung im hessischen Wiesbaden stationiert war, warnte in einem Tweet, ein Abzug wäre ein "kolossaler Fehler" und ein "Geschenk" an den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Die US-Truppen sind nicht in Europa, um Deutsche zu schützen", so Hodges in einem weiteren Tweet. Sie seien als Teil der NATO dort stationiert, "um alle Mitglieder einschließlich der USA zu schützen".

Und Colin Powell aus Trumps eigener Republikanischer Partei setzte noch einen drauf. Der ehemalige Generalstabschef und Außenminister geißelte Trump, der angebliche Truppenabzug sei Teil einer Politik, die "praktisch jeden auf der Welt" gegen Amerika aufbringe. Das sei nicht im Interesse der USA. Powell hat angekündigt, bei der anstehenden Präsidentenwahl für Joe Biden von den Demokraten zu stimmen.

Stützpunkte in Deutschland für die USA strategisch wichtig

Es ist nicht das erste Mal, dass Trump Deutschland mit Truppenabzug droht, weil es von amerikanischem Schutz profitiere, ohne angeblich selbst genügend für Verteidigung auszugeben. Polen dagegen macht es mit einem prozentual weit höheren Rüstungsbudget richtig - so sieht es Trump. Polen will er daher belohnen. Vor einem Jahr brachte er bei einem Besuch des polnischen Präsidenten Andrzej Duda in Washington eine Verlegung von US-Truppen von Deutschland nach Polen ins Spiel; Duda wollte einen solchen Stützpunkt sogar zum Dank "Fort Trump" nennen.

Mit einer Verlegung drohte wenig später auch Richard Grenell, der inzwischen nach Washington zurückgekehrte US-Botschafter in Deutschland. Der polnische  Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte jetzt auch wieder, er hoffe, dass ein Teil der US-Soldaten, falls sie Deutschland verlassen sollten, in sein Land verlegt würden.

Der Stützpunkt Ramstein ist ein Drehkreuz für US-Einsätze bis nach AfghanistanBild: picture-alliance/AP Photo/M. Probst

Sollte es Trump tatsächlich ernst meinen, wäre der Plan aber nicht nur ein sehr umstrittenes politisches Signal, sondern auch logistisch schwer umzusetzen. Denn die US-Stützpunkte in Deutschland sind nicht irgendwelche. Vom Flughafen Ramstein in Rheinland-Pfalz starten zum Beispiel Einsätze in den Nahen und Mittleren Osten und nach Afghanistan. Vom Hauptquartier in Stuttgart aus koordinieren die Amerikaner ihre Streitkräfte in Europa und Afrika. Das US-Militärkrankenhaus in Landstuhl bei Ramstein ist das größte seiner Art außerhalb der USA. Und auch wenn die Zahl der Soldaten schon stark zurückgefahren wurde, ist Deutschland noch immer das Land mit den meisten US-Soldaten in Europa - und spielt für die gesamten strategischen Interessen der USA weltweit eine entscheidende Rolle.

Dazu kommt: Würden tatsächlich größere US-Verbände nach Polen verlegt, würde das Russland als ungeheure Provokation verstehen und entsprechend reagieren. Niemand in der NATO hätte daran ein Interesse.

Vielleicht gibt es gar keinen Plan

Doch warum hat Trump dann angeblich seine Drohung ausgesprochen? Ist es, weil Merkel nicht zum G7-Gipfel in die USA reisen will und damit Trump brüskiert hat? Das mutmaßen zum Beispiel der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt und Jürgen Trittin von den Grünen. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte noch einmal, Merkels Absage habe keine politischen Gründe: "Die Kanzlerin hatte gesagt, dass sie für die Einladung Ende Juni zum G7-Gipfel dankt, dass sie aber aufgrund der pandemischen Gesamtlage sich nicht in der Lage sehe, ihr persönliches Erscheinen in Washington zuzusagen."

Der ehemalige Botschafter und Trump-Vertraute Richard Grenell hat unterdessen Spekulationen als "Klatsch" abgetan, er habe Trump zu einer Truppenreduzierung gedrängt. Grenell war des öfteren ungewöhnlich scharf mit der Bundesregierung ins Gericht gegangen, vor allem in der Frage der Verteidigungsausgaben. Er sagte jetzt auf Nachfrage, der Plan sei "seit letztem Jahr in Arbeit".

US-Außenminister Pompeo, hier im November 2019 in Grafenwöhr, war als junger Mann selbst in Deutschland stationiertBild: Reuters/J. Meyer

Ob es diesen Plan aber überhaupt gibt, das ist die Frage. Denn auch nach vier Tagen will sich weder irgendjemand im Weißen Haus noch im Pentagon dazu bekennen.

Möglich also, dass alles nur eine leere Drohung ist und ein Abzug nicht kommen wird? Das sagte zumindest der frühere US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, in einem Zeitungsinterview. Und auch Edgar Knobloch, der Bürgermeister des bayerischen Städtchens Grafenwöhr, ebenfalls ein wichtiger US-Stützpunkt, gibt sich gelassen. Es werde keinen Abbau geben, glaubt er, im Gegenteil: "Grafenwöhr gewinnt an Bedeutung." Die Amerikaner hätten zuletzt sogar den Standort technisch aufgerüstet. Und auch US-Außenminister Mike Pompeo habe bei seinem Besuch vor einem halben Jahr nichts von Abzug gesagt.

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