US-Wahl 2024: Können Sportstars einen Unterschied machen?
22. Oktober 2024"Profisportler haben eine unglaubliche Macht, vor allem diejenigen, die erfolgreich sind und sich einen Namen gemacht haben. Sie haben oft mehr Follower in den sozialen Medien als der Präsident der Vereinigten Staaten", sagt Betina Wilkinson im Gespräch mit der DW. Sie ist Professorin für Politik und internationale Angelegenheiten an der Wake Forest University im US-Bundesstaat North Carolina.
Tatsächlich haben sich in den USA in den vergangenen Jahren nicht nur Musikstars wie Taylor Swift oder Bruce Springsteen und Schauspieler wie George Clooney zunehmend politisiert. Auch US-Sportlerinnen und -Sportler aus verschiedenen Sportarten und mit unterschiedlichem Hintergrund geben politische Statements ab. Sie unterstützen Parteien oder Kandidaten, positionieren sich in politischen Fragen oder setzen sich schlicht dafür ein, dass die Menschen ihr Wahlrecht ausüben. Aber wird das am 5. November einen bedeutenden Unterschied machen?
"Menschen schauen zu Profisportlern auf, weil ihre Identität mit ihnen verbunden ist", sagt Wilkinson. „Wenn ich ein großer Basketballfan bin und zu einem bestimmten Spieler aufschaue, weil er so cool und wunderbar ist, dann bin ich eher bereit, Dinge zu tun, von denen er sagt, dass sie wichtig sind."
"Athletes for Harris"
Auch vor der anstehenden US-Präsidentschaftswahl am 5. November mischen viele Sportstars mit. Basketball-Superstar Stephen Curry hatte mit einer Videobotschaft sogar einen Auftritt auf dem Parteitag der Demokraten. Auch sein Trainer von den Golden State Warriors, Steve Kerr, unterstützt Kamala Harris, ebenso Sport-Legenden wie Ex-Basketballer Earvin "Magic" Johnson, Ex-Tennisspielerin Billie Jean King und Ex-Fußballerin Ali Krieger.
Sie haben im September mit anderen zur Gruppe "Athletes for Harris" zusammengeschlossen. "An alle Sportler da draußen: Scheut euch nicht, eure Plattformen zu nutzen - wir brauchen euch alle, engagiert euch. Erzählt euren Freunden, dass Vizepräsidentin Harris eine Agenda hat, die das Land voranbringen wird", sagte Johnson.
Trump-Unterstützung aus American Football und Kampfsport
Im Trump-Lager kommen viele Unterstützer aus dem American Football und Kampfsportarten wie Wrestling und Mixed Martial Arts (MMA). Prominente Vertreter sind Quarterback-Legende Brett Favre oder Ex-Fußball-Nationalspieler Alexi Lalas. Aber auch der aktuelle Kicker der Kansas City Chiefs, Harrison Butker, und Profi-Golfer John Daly unterstützen Trump.
"Wir alle auf den Touren [den Profi-Golf-Touren - Anm. d. Red.] wollen Daddy Trump zurückhaben", behauptete Daly kürzlich, obwohl unklar blieb, inwieweit er tatsächlich für andere Golfprofis sprach. "Ich unterstütze den Präsidenten, der sich am stärksten für das Leben einsetzt. Und das ist Donald Trump", sagte Butker im TV-Sender Fox News mit Blick auf die Diskussionen um das Recht auf Abtreibung.
Effektiver Aufruf zur Wahl
Betina Wilkinson meint, dass solche Wahlwerbung einen Einfluss auf die Wähler haben kann. Noch wirkungsvoller sei allerdings der Aufruf von Sportstars, überhaupt zur Wahl zu gehen und die Stimme abzugeben, sagt die Wissenschaftlerin. Sie verweist auf die Initiative "More than a Vote", die von Basketballer LeBron James gegründet wurde und nun von Basketballerin Nneka Ogwumike geleitet wird.
Ursprünglich wurde die Initiative nach der Tötung der Schwarzen George Floyd und Breonna Taylor durch Polizisten ins Leben gerufen, um sich für eine Reform der Strafjustiz einzusetzen. Doch unter der Leitung von Ogwumike hat sich der Schwerpunkt verlagert.
"Während meiner 13-jährigen Karriere in der WNBA hat der Frauensport ein unglaubliches Wachstum erlebt. Aber in dieser Zeitspanne habe ich auch beobachtet, wie der Gesetzgeber meine Rechte und die Rechte aller Sportlerinnen, die diese Teams und Ligen zum Erfolg führen, beschnitten hat", sagte Ogwumike. "Wir können nicht tatenlos zusehen, wie die Freiheiten der Frauen schwinden. Deshalb setze ich mich im Rahmen der Initiative 'More Than A Vote' für die Aufklärung und das Handeln in dieser Frage ein."
Wirkung abhängig von Ethnie und Geschlecht
James und Ogwumike sind beide schwarze Sportler. Studien von Wilkinson und anderen zeigen, dass Ethnie und Geschlecht wichtig sein können, wenn es darum geht, politische Botschaften zu verbreiten.
"Ethnie spielt manchmal eine Rolle. Wenn sich beispielsweise ein schwarzer Sportler zur Reform der Strafjustiz äußert, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass diejenigen, die schwarz sind, ihre Haltung ändern", erklärt Wilkinson.
Doch es könne auch andersherum sein. "Wenn Personen, die sich als Weiße identifizieren, die Aussage weißer Sportlerinnen und Sportler hörten, zum Beispiel von Ex-Fußballstar Megan Rapinoe über die Reform der Strafjustiz und die Sensibilisierung für Polizeibrutalität, waren sie weniger empfänglich dafür. Es hatte sogar den gegenteiligen Effekt."
Sport als Vehikel für eigene Kampagne
Sowohl Harris als auch Trump haben das Potential des Sports erkannt, um sich im knappen Rennen um die Präsidentschaft den möglicherweise entscheidenden Vorteil zu verschaffen.
Anfang Oktober schaltete Trumps Kampagne während American-Football-Spielen der NFL und auf College-Ebene Anzeigen, in denen Trump Harris' Haltung zu Transgender-Fragen angriff. Harris verbreitete ihre Botschaften bei Spielen in den politisch umkämpften so genannten "Swing States" - auf Bannern, die von Kleinflugzeugen über die Stadien geflogen wurden.
"Wir wissen, dass Menschen, die eine starke sportliche Identität haben, eher in der Lage sind, ihre Haltung zu einem Thema zu ändern", sagt Wilkinson. Daher sei es sinnvoll, wenn Kamala Harris und Donald Trump bei Sportveranstaltungen Werbung schalteten.
"Wenn sie diese Anzeigen sehen, denken die Menschen: 'Die NFL ist mit diesem bestimmten Kandidaten verbunden. Ich bin hier bei dem Spiel, also ist meine Identität mit der NFL verbunden.' Das kann ihre Bereitschaft, für den Kandidaten zu stimmen, stark beeinflussen", so die Wissenschaftlerin.
Allerdings könne diese Taktik auch nach hinten losgehen. Das gelte vor allem für weiße konservative Wähler, die Sport als Realitätsflucht sähen und es ablehnten, dass die Politik in diesen Bereich vordringe. "Unabhängig davon, ob sie für Trump oder für Harris sind, mögen sie es nicht, wenn sich Sport und Politik vermischen", sagt Wilkinson. "Und sie reagieren sehr wütend darauf."
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.