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Das Ende der Zombie-Firmen in den USA

Teddy Ostrow
14. Juni 2022

Hebt die US-Notenbank die Zinsen weiter an, könnte das für viele bereits angeschlagenen Firmen das Aus bedeuten. Werden Arbeitnehmer und die Wirtschaft insgesamt den Preis für die Zinswende zahlen?

Black Friday 2021 | Schlange vor Macy's in New York
Wenn die Schulden drücken - eine Filiale von Macy's am Black FridayBild: Jeenah Moon/REUTERS

Macy's, Boeing, Delta und American Airlines - diese Firmen sind Symbole des US-amerikanischen Kapitalismus. Doch schon bald könnten ihnen weiter steigende Zinsen große Probleme bereiten. Denn bisher haben sich viele Unternehmen mit Hilfe günstiger Kredite am Leben gehalten. Ihre Existenz war durch ein günstiges Zinsumfeld garantiert. Durch die nun eingeleitete US-Zinswende könnten die Tage vieler dieser Unternehmen gezählt sein.

"Jede Zinserhöhung wird diese Unternehmen hart treffen", ist sich Juan M. Grana, ein Forscher der argentinischen Regierung und Wirtschaftsprofessor an der Universität von Buenos Aires sicher. Häufig halten bestehende Schulden Zombie-Firmen davon ab, zu investieren und die Wirtschaft anzutreiben. Deshalb sehnen einige Analysten das neue Marktumfeld bereits herbei. Die Argumentation: Die ökonomisch Untoten binden Ressourcen und Fachkräfte, die anderenorts fehlen. Andere Analysten wiederum warnen davor, dass eine Konkurswelle der "untoten" Firmen eine Rezession auslösen könnte.

Wann ist eine Firma ein Zombie?

Das ist nicht genau definiert. Die Bezeichnung bezieht sich vor allem auf Unternehmen, die ihre Schulden gerade so über weitere Kredite bedienen können und dabei aber weitere Schuldzinsen anhäufen. Diese Firmen decken über Jahre gerade so ihre Betriebskosten, machen aber keinen Gewinn. Man könnte sie auch "Beinahe-Pleite-Unternehmen" nennen. Nach einer Berechnung von Morgan Stanley sind 16 Prozent der US-Unternehmen sogenannte Zombies. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, dass etwa ein Fünftel der 3000 größten börsennotierten Unternehmen in den USA Zombies sind. Deren Schulden belaufen sich auf insgesamt 900 Milliarden Dollar (853 Milliarden Euro).

Kämpft seit der Pandemie mit dem Geschäft: Delta AirlineBild: Nicolas Economou/NurPhoto/picture alliance

Und die US-Firmen befinden sich in Europa in guter Gesellschaft. Denn auch hier gibt es etliche Firmen, die sich geradeso über Wasser halten. Genaue Zahlen sind schwierig zu finden, weil natürlich kein Unternehmen gerne als Zombie bezeichnet werden möchte.

Häufig würden die geringe Produktivität und die hohe Schuldenlast durch niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen kompensiert, sagt Wirtschaftsprofessor Grana. Es überrasche viele, dass sich unter den Zombiefirmen auch bekannte US-amerikanische Unternehmen befinden.

Doch so manche Zombiefirma schafft auch die Kehrtwende. Der Energieriese ExxonMobil zum Beispiel. Mit dem Einbruch der Nachfrage durch die Pandemie stand das Unternehmen am ökonomischen Abgrund. Doch nun - in einem komplett anderen Marktumfeld - steht die Firma wieder gut da - vor allem wegen der steigenden Ölpreise, auch in Folge des Ukraine-Krieges.

Die FED hat die Sargnägel in der Hand

Die US-Notenbank versucht derzeit der steigenden Inflation Herr zu werden. Dafür hebt sie die Zinsen an und könnte so eben auch zum Totengräber vieler Zombiefirmen werden. Denn steigen die Leitzinsen, werden auch die Kredite teurer. An diesem Mittwoch (15.06.) dürfte die US-Notenbank den Leitzins wohl um weitere 0,5 Prozentpunkte anheben. Einige Fachleute halten sogar 0,75 Prozent für denkbar angesichts historisch hoher Verbraucherpreise. Zuletzt hatte die FED bereits die Leitzinsen um einen halben Prozentpunkt erhöht und auch ihr Anleihen-Kaufprogramm zurückgefahren.

"In Büchern steht: Wenn die Zinsen steigen, steigen auch die Zinsen für schwächere Unternehmen", sagt Karl Schmedders, Professor an der  wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich. Die Zinsschritte in den USA bedeuten ein klares Ende der Politik des billigen Geldes, das viele Zombie-Unternehmen seit der Finanzkrise von 2008 und darüber hinaus in der Corona-Krise gestützt hat. Diese Politik sei entscheidend gewesen für die wirtschaftliche Erholung, so Schmedderrs im Gespräch mit der DW.

Was ist Inflation?

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Aber, und so sagt er es auch immer wieder seinen Studierenden: "Billiges Geld ist dummes Geld." Die lockere Kreditvergabe habe viele Zombies künstlich am Leben gehalten. Schlimmer noch, so Schmedders, viele Unternehmen hätten die günstigen Kredite für Aktienrückkäufe genutzt, um den eigenen Kurs zu steigern, anstatt in das Unternehmen zu investieren. Vor allem Fluggesellschaften hätten das vermehrt getan, so Schmedders. In den zehn Jahren vor dem COVID-Schock, der ihre Nachfrage einbrechen ließ, gaben die US-Fluggesellschaften demnach mehr als 90 Prozent ihres freien Cashflows für Aktienrückkäufe aus. Doch nun steigen die Zinsen, die laufenden Kredite werden teurer. Eventuell wird es sogar schwierig, überhaupt noch Investoren auf dem derzeitig verunsicherten Markt zu finden.

Wer trägt die Last der Konkurswelle?

Doch wie viel Schaden richtet ein Ende der Zombies an? Oder ist so ein reinigendes Gewitter sogar gut für die Wirtschaft? Das hängt, so Joseph E. Gagnon, Senior Fellow am Peterson Institut for international Economics in Washington, von den makroökonomischen Bedingungen des jeweiligen Landes ab.

"Es mag wahr sein, dass (Zombie-Unternehmen, Anm. d. Red.) die Zinsen für ihre Schulden nicht bezahlen können. Aber sie bezahlen ihre Arbeiter; ihre Arbeiter produzieren etwas, das die Leute kaufen, und es ist nicht gut, sie in die Arbeitslosigkeit zu schicken." Gagnon zufolge ist es gefährlich, Zombies während einer Rezession vor die Hunde gehen zu lassen: Andere Unternehmen könnten die dadurch entstehende Arbeitslosigkeit nicht wieder auffangen. 

Allerdings sei eine Zeit mit sehr hoher Beschäftigung und sehr hoher Inflation "der ideale Zeitpunkt für das Ende von Zombie-Firmen", erklärte Gagnon. "Wenn jetzt einige Zombies sterben, weil sie die notwendigen höheren Löhne oder die hohen Energiekosten nicht zahlen können, dann ist das zum jetzigen Zeitpunkt keine schlechte Sache." Entlassene Arbeitnehmer könnten theoretisch von der boomenden Wirtschaft aufgefangen werden, sodass Zombie-Pleiten weniger schmerzhaft wären.

Wirtschaftsprofessor Grana ist der Ansicht, dass die US-Wirtschaft derzeit stark genug ist, um eine Rezession bei steigenden Zinssätzen zu vermeiden. Dennoch steht er einer weiteren Zinserhöhung kritisch gegenüber: "Das Problem ist, dass man mit dieser Politik alle trifft und eben auch die Arbeitnehmer den Schmerz spüren werden." Sollten viele Zombie-Unternehmen pleite gehen, könne man sich laut Grana nicht darauf verlassen, dass sich der Arbeitsmarkt sofort anpasst. Egal für welche Politik man sich entscheidet: Es wird einige Verlierer geben.

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