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"Bilateraler Unsinn" im Handelskonflikt

Andreas Rostek-Buetti mit Agenturen
15. Januar 2020

An diesem Mittwoch könnte in Washington ein erstes Abkommen im langen Handelstreit zwischen China und den USA unterzeichnet werden. Der chinesische Zoll hat jetzt in dürren Zahlen gute Gründe für eine Einigung benannt.

Boxhandschuh auf Dollarnoten und chinesischen Renminbi
Bild: picture-alliance/C. Ohde

Schaut man sich die Bilanz an, die der chinesische Zoll am Dienstag vorlegte, fällt es noch schwerer, irgendeine Weisheit hinter dem Zollkrieg zu erkennen, den die US-Regierung unter Donald Trump losgetreten hat: Der Handel zwischen beiden Kontrahenten ist im vergangenen Jahr eingebrochen.

Die Kernzahlen: Chinas Importe aus den USA sind im Jahr 2019 um 20,9 Prozent weggesackt - Chinas Exporte in die USA sind in der gleichen Zeit um 12,5 Prozent zurückgegangen. Ein besonderer Dorn im Auge war Trump stets das gigantische Handelsdefizit seines Landes im Verhältnis zu China. Das immerhin ist im letzten Jahr ebenfalls gesunken - beträgt aber immer noch fast 296 Milliarden Dollar. Aber um welchen Preis: Der Handel zwischen China und den USA brach 2019 alles in allem um 14, 6 Prozent ein.

Lichtblick im Dezember

Das ist ein schwerer Dämpfer für China, aber es zieht auch die US-Wirtschaft in Mitleidenschaft. Auch weltweit schrumpfte nach zwei Jahren mit zweistelligen Zuwachsraten der gesamte chinesische Außenhandel im vergangenen Jahr erstmals, wenn auch nur um ein Prozent. Beides spiegelt sich im Wirtschaftswachstum wieder. Die genauen Daten will die Führung in Peking in dieser Woche bekannt geben; das offizielle Wachstumsziel von sechs bis 6,5 Prozent dürfte die chinesische Volkswirtschaft wohl nur knapp erreicht haben.

Einen Lichtblick für China aber gab es zum Ende des Jahres: Der gesamte Außenhandel erholte sich im Dezember und stieg um 11,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Importe legten im Dezember um 16,3 Prozent zu, während die Exporte um 7,6 Prozent anstiegen. Experten führten den Anstieg zum Teil aber auch auf niedrige Vergleichszahlen zurück. Aber auch die Hoffnung auf erste Fortschritte in den Bemühungen um eine Beilegung der Handelskrise dürfte ihre Rolle gespielt haben.

Ob tatsächlich Chinas Chefunterhändler und Vizepremier Liu He mit seiner großen Delegation an diesem Mittwoch zu einer feierlichen Unterzeichnung im Weißen Haus in Washington erscheint, wird man sehen, wenn es soweit ist. So richtig etwas zu feiern gibt es auch nicht. Das vorläufige Abkommen, das da unterzeichnet werden soll, enthalte doch eher Kosmetik, meinen Kritiker.

Chinas Unterhändler Liu He, im letzten Herbst im Weißen Haus Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Harnik

Verzicht auf Drohungen

Nach US-Angaben verpflichtet sich China darin unter anderem, seine Importe aus den USA über zwei Jahre um 200 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Davon sollen mindestens 40 Milliarden US-Dollar den US-Landwirten zugutekommen - einer wichtigen Gruppe für US-Präsident Donald Trump mit Blick auf die Wahl im November. Auch soll es Vereinbarungen zu den Themen geistiges Eigentum, Technologietransfer und Wechselkurse - hier haben die Amerikaner gerade den Vorwurf zurückgezogen, China manipuliere seine Währung -  geben. Im Gegenzug verzichteten die USA bereits im Dezember auf die Verhängung angedrohter neuer Strafzölle auf Konsumgüter im Wert von 150 Milliarden US-Dollar. 

Der Verzicht auf Drohungen also, viel mehr nicht. Die bereits seit 2018 verhängten Sonderabgaben von 25 Prozent auf Waren im Wert von 250 Milliarden Dollar sollen bestehen bleiben. Weitere Zölle in Höhe von 15 Prozent auf chinesische Waren im Wert von 120 Milliarden US-Dollar sollen gleichwohl halbiert werden.

"Die effektive Zollsenkung aus dem ersten Abkommen ist ziemlich gering,", urteilen denn auch die Ökonomen der Bank ING. Deshalb dürfte ein Aufschwung der Exporte danach wohl nicht besonders groß ausfallen. "Unter dem Strich sind Chinas Handelsbedingungen immer noch relativ schlecht und die Zölle viel höher als vor 18 Monaten. Wir sollten keine Wunder erwarten."

Überhaupt trauen Experten dem Braten nicht so recht. "Das wird Trumps Handelskriege nicht beenden", prophezeite die MUFG Bank in einer Analyse. Ihre Kollegen von Oxford Economics erwarten, dass der Handel zwischen den USA und China jahrelang schwach bleiben könnte.

Das Müncher ifo-Institut befindet, die bevorstehende vorläufige Einigung sei zwar grundsätzlich zu begrüßen – allerdings bleibe sie noch immer unzureichend: "Denn ein Verzicht auf weitere Zölle und ein wenig Kosmetik sind eben noch kein echter, tiefgreifender Handelsvertrag", sagt ifo-Außenwirtschaftsexperte Martin Braml. 

 "Bilateraler Unsinn"

Die ganze Richtung in der US-Handelspolitik ist dagegen nach Einschätzung des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW) ein Irrweg, und der IfW-Chef greift zu deutlichen Worten: "Bilateraler Unsinn in einer multilateralen Welt", so Gabriel Felbermayr auf Twitter. Chinas Handelsbilanz werde sich dadurch nicht wesentlich ändern und auch die der USA nicht.

Das Hauptproblem bleibe der Umgang der USA mit der Welthandelsorganisation WTO - also mit einem multilateralen Handelssystem: "Die USA, China und auch Deutschland profitieren weltweit am stärksten von ihrem WTO-Beitritt", heißt es in einer von Felbermyer miterstellten Studie der Bertelsmann Stiftung: "Sie erzielen die mit Abstand größten Einkommensgewinne, die direkt auf ihre Mitgliedschaft in der Handelsorganisation zurückzuführen sind."

Für die Vereinigten Staaten beziffern die Autoren der Studie die Einkommensgewinne auf rund 87 Milliarden Dollar pro Jahr gemessen am Bruttoinlandsprodukt, für China auf rund 86 Milliarden Dollar pro Jahr. Nun aber ließen die größten WTO-Mitglieder, die USA und China, "ihre Zollstreitigkeiten immer häufiger außerhalb der Organisation eskalieren". Man versteht: Durch ihre Alleingänge gefährden die USA und China den weltweiten Handel, von dem sie bisher profitiert haben - egal, was jetzt im Weißen Haus möglicherweise mit Pomp und Glorie unterzeichnet wird. 

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