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Kampf der Titanen 2.0

Thomas Kohlmann Mitarbeit Jun Yan
23. August 2018

Die nächste Runde im Handelskonflikt zwischen den USA und China ist eingeläutet. Beobachter weltweit fragen sich, wie weit die Kontrahenten das Spiel mit dem Feuer noch treiben werden - und in China wachsen die Zweifel.

Symbolbild China - USA Strafzölle | Fleisch aus den USA
Bild: picture-alliance/dpa/Li Zhihao

Zölle: Schwere Zeiten für US-Firmen

02:38

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Die USA haben erneut Strafzölle gegen China verhängt. Diese beinhalten Aufschläge auf chinesische Güter im Wert von 16 Milliarden Dollar (knapp 14 Milliarden Euro). Sie sind Teil eines Strafzollpakets von 50 Milliarden Dollar, von dem Zölle auf Waren im Wert von 34 Milliarden Dollar bereits Anfang Juli verhängt worden waren.

Peking reagierte umgehend und verhängte seinerseits Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf US-Importe im Wert von 16 Milliarden Dollar, wie staatliche chinesische Medien unter Berufung auf die Regierung meldeten. Demnach ist Peking entschlossen, weiterhin mit den "nötigen Vergeltungsmaßnahmen" auf US-Strafzölle zu reagieren. Das Vorgehen der USA stehe eindeutig im Verdacht, gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zu verstoßen, erklärte das chinesische Handelsministerium. Peking werde Klage bei der WTO einreichen.

Maßnahmen richtig?

Für Thomas Jäger, Politikwissenschaftler von der Universität Köln, sieht es so aus, dass man in Peking derzeit genau darüber nachdenkt, ob die Reaktion auf die erste Runde der US-Strafzölle, die im Juli erhoben wurden, richtig war. Damals hatte US-Präsident Donald Trump auf Waren im Wert von 34 Milliarden Dollar 25 Prozent Zoll erhoben. "Da kam aus China prompt die Reaktion: dann machen wir das auch. Wir behalten sozusagen die Parität. Doch inzwischen, so hat es den Anschein, wird darüber nachgedacht, ob das wirklich klug gewesen ist."

Unsicherheit in der Bevölkerung 

Auch die Menschen in China machen sich Gedanken, wie der Handelsstreit am Ende ausgehen wird. "Ich denke, dass die USA den Handelskrieg gewinnen werden, weil sie im Vergleich zu China weiter entwickelt sind. Obwohl China eine große Bevölkerung hat, sind die Vorteile auf ihrer Seite, wenn der Kampf beginnt", meint der 25-jährige Sporttrainer Lin Zaishi, den wir auf den Straßen der Sechsmillionen-Stadt Fuzhou an der Südost-Küste Chinas nach seiner Meinung fragen. 

Betont sachlich gibt sich der 40-jährige Finanzmanager Chen Jun, der für beide Seiten Verständnis hat: "Ich denke nicht, dass es irgendeine Seite gibt, die Schuld hat, weil beide Seiten ihre eigenen nationalen Interessen verfolgen. Und die US-Regierung unter Donald Trump muss eben auch ihre eigenen Interessen berücksichtigen."

Besonders selbstkritisch fällt dagegen die Sicht eines chinesischen Passanten aus, der anonym bleiben will: "Die Welt kann nicht ohne die USA leben. Die Vereinigten Staaten haben viel für den Weltfrieden getan, sie haben viele ihrer Soldaten geopfert und haben mit viel Geld die UNO finanziert. Selbst wenn China die gleichen Ressourcen hätte wie die USA, würde unser Land nicht die gleiche Verantwortung übernehmen, weil Chinesen egoistisch sind. Ich bin zwar Chinese, aber das sage ich ganz ehrlich."

Tierfutter wird in China immer öfter aus Sojobohnen gemahlen, die aus Brasilien kommen - statt wie früher aus den USABild: picture-alliance/dpa/Xu Congjun

Handelskonflikt oder Handelskrieg?

Seit Monaten ist der Handelskonflikt mit den USA eines der beherrschenden Themen in China. Nachdem sich die Staatsmedien kurz nach dem Ausbruch des als Handelskrieg gebrandmarkten Streits mit den USA selbstkritisch gezeigt hatten, ist die Tonlage mittlerweile anders. Immer wieder argumentieren die staatlich gelenkten Medien, dass am Ende die amerikanische Wirtschaft, US-Verbraucher und US-Arbeitnehmer auf der Verliererseite stehen werden. 'Einen Stein heben und damit die eigenen Füße treffen' - diese chinesische Redewendung bringt die Botschaft der chinesischen Staatsmedien auf den Punkt.

Die Staats- und Parteiführung in Peking betont damit schon fast gebetsmühlenartig, dass der 'Handelskrieg' den USA am Ende schwerer schaden wird als China. Erst vor wenigen Tagen prophezeite die staatliche chinesische Zeitung "Global Times" düster: "Der Handelskonflikt wird die Familien der Mittelschicht und die ärmsten Menschen [in den USA] am härtesten treffen."

In der chinesischen Bevölkerung wird seit Wochen und Monaten aber nicht nur diskutiert und nervös über die Folgen des wirtschaftlichen Konflikts mit den USA spekuliert. Trotz der staatlichen Medienpropaganda scheinen sich immer mehr Menschen auf das Schlimmste vorzubereiten. Obwohl es strenge Regulierungen gibt, versuchen derzeit viele Chinesen ihr Yuan-Vermögen in US-Dollar, Euro oder Gold umzutauschen. Fälle wie die eines Fondsmanagers, der angeblich mit kiloschweren Goldbarren versuchte, das chinesische Festland zu verlassen, heizen die unruhige Stimmung in Chinas sozialen Medien dabei noch zusätzlich an.

Die Staats- und Parteiführung hat bereits reagiert und hinter den Kulissen die Notbremse gezogen: Pekings Entscheidungsträger wiesen die Banken an, Devisenabhebungen nur noch bis maximal 5000 US-Dollar ohne Überprüfung zu erlauben. Andernfalls müssen die Bankkunden Nachweise präsentieren, warum sie dringend auf so viele Dollarbanknoten angewiesen sind. Offiziell ist die Regelung aber nicht. Schriftliche Verweise auf das neue Prozedere? Fehlanzeige.

Vergeltung im Supermarktregal: US-Whiskey in einem Lebensmittelgeschäft in PekingBild: Getty Images/AFP/G. Baker

Spiel mit der Angst

"Der Handelskrieg hat definitiv Angst in der Bevölkerung ausgelöst", sagt Huang Weiping von der Renmin-Universität in Peking. Der Wirtschaftsprofessor sieht die US-Strafzölle vor allem als Mittel der psychologischen Kriegsführung: "Beim Handelskrieg zwischen den USA und China überwiegen die psychologischen die tatsächlichen Effekte. Die Angst unter der Bevölkerung ist zwar wirklich vorhanden, aber die Auswirkungen auf die Realwirtschaft sind minimal." Die von Donald Trump verhängten Strafzölle seien von ihrem Volumen her - bis jetzt - geringer als der Immobilienumsatz in einer mittelgroßen chinesischen Stadt, so Huang Weiping. "Es ist keine Frage des Geldes. Die Ängste in der Bevölkerung sind für die chinesische Wirtschaft das größere Problem", unterstreicht der Wirtschaftswissenschaftler.

Ren Zeping ist einer der bekanntesten Wirtschaftsanalysten des Landes und Chefvolkswirt des Forschungsinstituts der Evergrande-Immobiliengruppe. Er glaubt wie viele Chinesen, dass die Zeit für einen offenen Schlagabtausch mit den Amerikanern noch nicht gekommen ist: "Vor dem Handelskrieg zwischen China und den USA gab es in unserem Land einen Hang zur Selbstüberschätzung und eines aufgeblasenen Selbstbewusstseins." Der aktuelle Konflikt habe nichts anderes als eine Rückkehr zur Vernunft ausgelöst. "Wir müssen klar erkennen, dass China noch großen Nachholbedarf hat in Bezug auf Innovation, High-End-Anlagenbau, Finanzdienstleistungen, Bildung, Kerntechnologien und beim Militär", lautet sein nüchternes Fazit.

Mittlerweile dürfte vielen Entscheidern im innersten Zirkel der Parteiführung klar sein: Durch den aktuellen Konflikt mit den USA und größere Widerstände bei strategischen Firmenübernahmen in Europa sind einzelne Ziele der ehrgeizigen Strategie 'Made in China' nicht mehr fristgerecht zu verwirklichen, meint Thomas Jäger von der Universität Köln. "Doch spätestens bis zur Hundertjahrfeier der Volksrepublik im Oktober 2049 soll sich das ändern. Dann will China nicht nur auf Augenhöhe mit den USA sein, sondern die Schlüsseltechnologien der globalen Wirtschaft dominieren."
 

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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