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Politik

USA: Corona-Krise befeuert Hasskriminalität

Julia Mahncke
4. Mai 2020

Die Kampagne #WashTheHate ruft zur Solidarität mit asiatisch-stämmigen US-Amerikanern auf, die seit dem Ausbruch von COVID-19 immer häufiger angegriffen werden. Auch NGOs versuchen zu helfen. Julia Mahncke berichtet.

New York Chinatown in Manhattan
Bild: DW/D. Rottländer

Telly Wongs Familie emigrierte in den 60er und 70er Jahren aus China in die USA, er selbst ist in der Metropole New York aufgewachsen. Er hat 9/11 miterlebt, Hurrikan Sandy, nun COVID-19 - und dann gibt es noch eine andere Krise, an die er sich in diesen Tagen viel erinnert: "Als ich noch ein Kind war, in den 80ern, 90ern, da gab es so eine Serie von Überfällen und sogar einige Morde an chinesischen Lieferanten", erzählt er im Gespräch mit DW. "Gemeldet wurden die als gängige Straftaten. Niemand hat sich um den Zusammenhang geschert." Die uniforme Identität der Opfer machte Wong damals Angst. Sein Vater hatte ein eigenes Geschäft, die Nachbarn führten ein chinesisches Restaurant und Wong konnte nicht verstehen, dass sich niemand um den Hintergrund der Taten zu kümmern schien.

Als die ersten Angriffe auf asiatische Amerikaner im Zuge des COVID-19-Ausbruchs bekannt wurden und eine seiner Freundinnen auf offener Straße attackiert und verletzt wurde, weil sie eine Maske trug, wollte Wong etwas unternehmen, um zumindest das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Seit elf Jahren arbeitet er in leitender Position bei einer Marketing-Agentur, war unter anderem für eine Werbekampagne für den Film "Crazy Rich Asians" verantwortlich. Zusammen mit anderen Kollegen und Kolleginnen startete er die #WashTheHate Kampagne am 18. März. Ziel ist, individuelle Geschichten und Videos zu sammeln und zu veröffentlichen. Der Startschuss fiel genau einen Tag, nachdem US-Präsident Donald Trump das Coronovirus öffentlich als "chinesisches Virus" bezeichnet hatte.

 

"Wascht den Hass weg!"

Einer der bekanntesten Unterstützer der Kampagne ist der Schauspieler Tzi Ma. Er hat sein Profil auf Instagram mit den Worten geschmückt: "Hollywoods beliebtester asiatischer Vater". Der chinesisch-stämmige Star ist bekannt für seine Rolle in der "Rush Hour"-Filmreihe und spielte jüngst mal wieder einen Vater in dem Drama "The Farewell".

Ma postete gleichzeitig mit einer Reihe anderer Online- und TV-Stars ein Video für #WashTheHate. Es zeigt den 57-Jährigen beim Händewaschen während er in die Kamera spricht: "Wir alle wissen, dass Händewaschen unseren Körper vor dem Coronavirus schützt, aber was kann das Virus mit unseren Gefühlen tun? Wir haben alle Angst und manche tragen deswegen Masken oder bestellen sich ein paar Kuchen nach Hause, aber leider gibt es einige, die asiatische Amerikaner angreifen. Hört auf! Gewalt gegen asiatische Amerikaner wird das Virus nicht stoppen. Das nächste Mal, wenn ihr euch die Hände wascht, wascht auch den Hass mit weg."

Schauspieler Tzi Ma setzt sich für die Kampagne #washthehate einBild: picture-alliance/AP/Invision/T. Jewell

Von Schimpfwörtern bis zu Messerangriffen

Der Schauspieler wurde selbst schon auf einem Parkplatz vor einem Supermarkt angebrüllt, erzählte er der Zeitschrift "Variety". Ein Autofahrer hielt direkt neben ihm und rief aus dem Auto: "Du gehörst in Quarantäne!" Im ganzen Land gibt es derartige Vorfälle, auch weitaus aggressivere.

In Texas wurden ein burmesisch-stämmiger Amerikaner und seine zwei Kinder in einem Geschäft von einem Mann mit einem Messer attackiert und verletzt. Das FBI erklärte, der 19-Jährige Tatverdächtige habe die Familie wohl töten wollen, weil sie chinesisch aussah und seiner Meinung nach das Coronavirus verbreite.

In Brooklyn wurde eine 26-Jährige an einem Bahnhof von einem Mann angeschrien. Er rief ihr zu, sie solle den Zug verlassen, sie sei Chinesin. Er klaute ihr das Handy und sagte weiter: "Geh' zurück nach China! Lass deine Temperatur messen. Verschwinde!"

Im Zeitraum zwischen Mitte März und Mitte April gab es rund 1500 Fälle von derartigen Übergriffen und Belästigungen. Die meisten davon wurden in Kalifornien und New York verzeichnet. Diese Zahlen gab "Stop AAPI Hate" bekannt, ein Zusammenschluss von mehreren Nicht-Regierungsorganisation in den USA, die eine Hotline für Betroffene ins Leben gerufen haben.

Auf die Hysterie folgen die Schuldzuweisungen

#WashTheHate wird auch von New Yorks "Chinatown Partnership" unterstützt. Wellington Chen leitet die Gruppe seit 2006 und trieb die Gründung eines gemeinsam organisierten Wirtschaftssektors für New Yorks Chinatown voran. Dieser umfasst 45 Straßenblöcke und beherbergt unter anderem rund 300 Restaurants. Schon die Zeit vor dem Lockdown sei schwierig gewesen, Chinatown sei eine Geisterstadt gewesen, berichtet er im Gespräch mit der DW. Aber die Übergriffe bereiten ihm noch größere Sorgen.

"Wir haben mit Krisenmanagement-Experten gesprochen und historisch ist es immer so gewesen, dass bei einer Pandemie erst Hysterie eintritt und in einer zweiten Phase die Schuldigen gesucht werden." Und das seien in den Augen vieler US-Amerikaner wohl Menschen, die so aussehen, als kämen sie aus China. "Etwa 14 Prozent der Bevölkerung in New York City sind asiatische Amerikaner. Wir brauchen die Hilfe der restlichen 86 Prozent, damit sie sich bei Belästigungen oder Angriffen einmischen und 'Stopp' sagen." Er wünscht sich, dass die New Yorker sich zusammentun und sich informieren, wie man rassistisch motivierte Attacken im öffentlichen Raum entschärfen kann. Auch Zeugenaussagen oder Videoaufnahmen würden in solchen Situationen helfen.

Gewalt gegen Minderheiten nicht normalisieren

Auf der anderen Seite des Landes, im Westküstenstaat Oregon, sind genau solche Trainings ein Fokus des Projekts "Portland United Against Hate" (PUAH). Schon 2016 führte PUAH eine Meldestelle für Belästigungen gegenüber Minderheiten ein und begann systematisch damit, Einwohner durch Informationsmaterial für das Thema zu sensibilisieren. Das Projekt wird unter anderem von dem Asian Pacific American Network of Oregon (APANO) getragen. Duncan Hwang, stellvertretender Leiter bei APANO, bestätigt, dass seit etwa drei Wochen kontinuierlich mehr Angriffe gegen asiatische Amerikaner verzeichnet werden. "Diese Übergriffe wühlen die Betroffenen sehr auf. Sie fühlen sich nicht mehr sicher. Außerdem wird so Gewalt gegen Minderheiten normalisiert." Von #WashTheHate hat auch er schon gehört. Solche Kampagnen könnten die Gewalt nicht stoppen, glaubt Hwang, aber er findet es wichtig, dass individuelle Erfahrungen so eine Öffentlichkeit finden und negativen Einstellungen etwas entgegen gesetzt wird.