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Politik

"USA haben viel Porzellan zerschlagen"

Hans Spross
6. August 2018

Mit ihren Sanktionen will die Regierung von US-Präsident Trump größtmöglichen Druck auf Teheran ausüben. Das ist eine riskante und gefährliche Politik, wie Henning Riecke von der DGAP im DW-Gespräch erläutert.

Bildkombo - Trump und Rohani

Deutsche Welle: Was ist aus Sicht  der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) das Motiv für die viel kritisierte Wiederinkraftsetzung der Iran-Sanktionen durch die USA?

Henning Riecke: Für die Amerikaner war nie allein die Nuklearfrage wichtig, sondern sie richteten immer ein Paket von Vorwürfen an den Iran. Dazu gehört die Förderung von schiitischen Gewaltgruppen in Nachbarstaaten; der Druck auf Israel beziehungsweise die Verneinung des Existenzrechts Israels; die schlechte Menschenrechtslage im Iran; die Auseinandersetzung mit Saudi-Arabien; die Rolle, die der Iran in Syrien und im Irak eingenommen hat und durch die sich die strategische Situation des Iran verbessert hat.

Dagegen wollen die Amerikaner vorgehen. Das Iran-Abkommen sollte aus US-Sicht ursprünglich die Nuklearfrage herausheben und gewissermaßen weitere Verhandlungen mit dem Iran erleichtern. Das hat nicht funktioniert.

Jetzt hoffen die US-Regierung unter Donald Trump und die Republikaner, dass durch den harten Druck, den sie ausüben wollen, das Regime in Teheran unter wirtschaftlichem Zwang zusammenbricht und dass sich dann die Iraner gewissermaßen die Demokratie zurückholen.

Henning Riecke: Washingtons Ziel des Regimewechsels ist unrealistisch und gefährlich Bild: DGAP/Dirk Enters

Verfolgen die USA damit eine realistische Politik?

Nein, es ist eine sehr riskante und auch naive Politik. Auch wenn viele Iraner über ihre Regierung schimpfen, sind sie nicht generell gegen eine islamische Republik. Und vor allem sind sie sehr nationalistisch und hassen Einmischung von außen. Dass die USA gemeinsam mit Großbritannien 1953 einen demokratisch gewählten Präsidenten aus dem Amt gejagt und den Schah wieder eingesetzt haben, der ein autoritärer Gewaltherrscher war, haben die Iraner nicht vergessen. Das weiß dort jedes Schulkind.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass das die EU bzw. die Bundesregierung das Atomabkommen durch wirtschaftliche Garantien an den Iran am Leben erhalten können?

Die Chancen sind nicht gut. Durch die sekundären Sanktionen werden auch nicht-amerikanischen Unternehmen jegliche Geschäfte mit dem Iran in bestimmten Sektoren praktisch unmöglich gemacht [sekundäre Sanktionen bedeutet, dass alle Unternehmen, die mit dem Iran Geschäfte machen, die unter die Sanktionen fallen, in den USA mit Strafen zu rechnen haben, Anm. d. Red.]. Und auch jede andere Art von Geschäft ist nicht mehr finanzierbar, weil sich die Banken nicht daran beteiligen, ebenfalls, um nicht von US-Sanktionen betroffen zu werden.

Das sind Dinge, gegen die die Europäische Union nicht leicht vorgehen kann. Es gibt zwar das sogenannte "Blocking-Statut", das europäischen Unternehmen gewissermaßen verbietet, sich Sanktionen gegen den Iran zu unterwerfen und auch die Möglichkeit für Kompensationen enthält. Aber das lässt sich nur schwer umsetzen. Unternehmen entscheiden selbstständig, ob sie sich langfristig vom amerikanischen Markt entfernen wollen oder nicht. Und der ist immer noch viel attraktiver als der iranische. Es gibt keine rechtliche Möglichkeit, um europäische Unternehmen zu zwingen, im Iran aktiv zu sein.

Das heißt, die Amerikaner haben eine Situation geschaffen, in der eigentlich niemand mehr richtig Geschäfte im Iran machen kann außer Russland und China mit ihren Staatsunternehmen, die dann vielleicht auch Möglichkeiten finden, den Zahlungsverkehr aufrechtzuerhalten. Die EU hat da relativ wenige Möglichkeiten.

Gibt es noch eine Basis für eine gemeinsame Iran-Politik von der EU bzw. Deutschland und den USA?

Ich glaube tatsächlich, dass es das Interesse der Deutschen und der Europäer ist, die Amerikaner irgendwie wieder an Bord zu holen. Wenn man sich allerdings die Liste von Außenminister Pompeo anguckt, die Forderungen, die jetzt an den Iran gestellt werden, erscheint das schwierig. Es sind sehr harte Auflagen, was das Nuklearprogramm angeht, es soll noch weiter und dauerhafter zurückgefahren werden, als im Atomabkommen vorgesehen. Die Entwicklung von ballistischen Raketen soll auf ein sehr niedriges Niveau zurückgefahren werden. Der Iran soll sich aus allen Konflikten in der in der Nachbarschaft zurückziehen und er soll die Unterstützung von schiitischen Gruppierungen beenden. Das sind Forderungen, deren Erfüllung sich teilweise gar nicht so leicht beweisen lässt. Der Iran müsste auf jeden Fall seine Außenpolitik auf eine Weise umkrempeln, die wenig von der Islamischen Republik übrig ließe.

US-Außenminister Pompeo: "Die Sanktionen sind wichtiger Teil unseres Kampfes gegen Irans bösartige Aktivitäten"Bild: picture-alliance/AP Photo/M. J. Terrill

Sind das nicht zu weitgehende Forderungen?

Man müsste herausfinden, worauf die Amerikaner tatsächlich beharren. Es ist richtig, dass das iranische Raketenprogramm zurückgefahren werden muss. Dass man hierüber verhandelt, muss Teil eines Paketes sein. Das Existenzrecht Israels darf nicht infrage gestellt werden, auch wenn das schwer zu bekommen sein wird vom Iran, wo der Antagonismus zu Israel zur Staatsräson gehört. Und man müsste im Prinzip verlangen, dass der Iran in den Konflikten in Syrien und in Jemen eine konstruktive Rolle spielt und seinen Einfluss auf die entsprechenden Gruppen nutzt, um die Kampfhandlungen zu beenden.

Wenn der Iran das zeigen könnte, wäre es natürlich auch für die Amerikaner schwierig zu sagen: "Ihr seid die bösen Jungs." Aber es müsste eben ein sehr großes Paket verhandelt werden, mit sehr vielen Konzessionen von Seiten des Iran. In den meisten Bereichen wären die Amerikaner und Europäer zusammen, aber da ist eben auch viel Porzellan zerschlagen worden. Das Vertrauen ist erst mal weg, nachdem Trump alles nachverhandeln will und man sich fragt: Kann man sich auf eine Einigung überhaupt noch verlassen?

Was müsste der Iran tun?

Eigentlich hat der Iran kein Interesse daran, sich für eine Fortsetzung des Nuklearprogramms diese Sanktionen einzuhandeln. Eigentlich hätte der Iran ein Interesse daran, dem Westen in irgendeiner Richtung entgegenzukommen. Aber die Amerikaner haben die Latte so hoch gelegt, dass Teheran das kaum leisten kann.

Henning Riecke leitet das Programm USA/Transatlantische Beziehungen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

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