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"Ein Anfang ist gemacht"

Gero Schließ14. Juli 2015

Das Nuklearabkommen mit dem Iran stößt in den USA auf gemischte Reaktionen. Für Präsident Obama macht es die Welt sicherer, die Republikaner halten es für gefährlich. Aus Washington Gero Schließ.

Barack Obama Iran Nuclear Vertrag Einigung Atom Deal
Bild: picture-alliance/EPA/A. Harnik

Einen "historischen Deal" nennt die Washington Post das Abkommen mit dem Iran, das nach mehr als zwanzig Monaten harter Verhandlungen erzielt wurde. Präsident Obama lobte das Abkommen und sagte in einer morgendlichen Fernsehansprache, es mache das Land und die Welt sicherer. Gleichzeitig stellte er fest, "das Abkommen beruht nicht auf Vertrauen, sondern auf Kontrolle." Genau das bestreiten jedoch politische Gegner und manche Nuklear-Experten in Washington.

Mehr Vertrauen als Kontrolle

"Auf kurze Sicht stimmt das sicherlich", sagt Blaise Misztal vom Bipartisan Policy Center im Interview mit der Deutschen Welle und schränkt sogleich ein: "Auf lange Sicht glaube ich das aber nicht. Da beruht viel mehr auf Vertrauen als auf Kontrolle." Misztal führt das UN-Waffenembargo an, das laut Abkommen nach fünf Jahren auslaufen soll. "Wir vertrauen darauf, dass der Iran nicht die Waffen nutzt, zu denen er wieder Zugang haben wird und die ihm ermöglichen, die Region zu destabilisieren."

Misztal sieht auch in der Aufhebung der Sanktionen einen Vertrauensvorschuss für den Iran. Er verweist auf Präsident Obama, der die Erwartung an den Iran formuliert habe, dass die nun verfügbaren Gelder in den Wiederaufbau der iranischen Wirtschaft fließen sollten und nicht in eine Fortführung des Nuklearprogramms oder die Fortsetzung der Stellvertreterkriege in der Region.

Eine Ewartung, die durch Kontrollen abgesichert ist, sagt James Acton vom Carnegie Endowment for International Peace. Das sei eine der Haupterrungenschaften des Abkommens, so Acton im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Es beinhaltet umfangreiche Restriktionen für Irans Nuklearprogramm und ist an beträchtliche Kontrollen gekoppelt."

Weniger Inspektionen als gehofft

Das jedoch reiche nicht, meint Blaise Misztal vom Bipartisan Policy Center. Er kritisiert, dass - anders als von Präsident Obama behauptet - eine vollständige Kontrolle durch die Internationale Atombehörde nicht sichergestellt sei. In einem vertraglich vorgesehenen Schlichtungsverfahren könne der Iran Inspektionen verzögern und möglicherweise ganz verhindern. "Auf der einen Seite haben wir viel mehr Inspektionen als zum jetzigen Zeitpunkt. Aber viel weniger als viele Leute gehofft haben."

Versteckte Gefahr? Militärparade im IranBild: Tasnim

Trotzdem sei nun mehr Sicherheit geschaffen als zuvor, sagt James Acton. Die Zeit, innerhalb der Iran - unter Aufkündigung internationaler Abkommen - genug angereichertes Uran für den Bau einer Atombombe produzieren könne, betrage gegenwärtig nur wenige Monate. Jetzt sei sie auf ein Jahr ausgeweitet worden. "Im Falle, dass Iran das Abkommen nicht einhält, gibt es die Möglichkeit, dagegen mit Zwangsmaßnahmen vorzugehen", so Acton.

Die New York Times verweist allerdings darauf, dass diese Zeitstrecke, "Breakout Time" genannt, laut Abkommen nach zehn bis fünfzehn Jahren wieder erheblich schrumpfe. "In der realen Welt gibt es keinen Deal, in dem der Iran unbegrenzten Einschränkungen zustimmen würde", erklärt Acton dieses Zugeständnis der USA an den Iran. Insgesamt überwiegen für ihn jedoch die Vorteile: "Das Risiko, ein Abkommen zu haben, ist kleiner als das Risiko, kein Abkommen zu haben". Dem kann auch Blasie Misztal vom Bipartisan Policy Center zustimmen: "Das wichtigste ist, das wir überhaupt ein Abkommen bekommen haben“, sagt er gegenüber der Deutschen Welle.

Die New York Times schreibt, dass Präsident Obama schon lange aus dem Amt geschieden sein werde, bevor eine vernünftige Bewertung des Abkommens möglich sei. "Die beste Annahme ist, dass es gemischte Reaktionen geben wird, selbst unter den leidenschaftlichsten Befürwortern", so die Zeitung. Denn nichts in dem Abkommen weise darauf hin, dass der Iran für alle Zeit seine Fähigkeit aufgeben muß, eine Nuklearmacht zu werden: "Der Tag wird allenfalls nach hinten verschoben", so die New York Times.

Ablehnung durch die Republikaner

Der US-Kongress hat nun 60 Tage Zeit, das Nuklearabkommen zu diskutieren und zu bewerten. Die Republikaner hatten schon im Vorfeld ihre Ablehnung angekündigt. John Boehner, der republikanische Sprecher des US-Repräsentantenhauses, begründete dies damit, dass durch das Abkommen ein neues nukleares Wettrüsten ausgelöst werde.

Auch der republikanische Senator Rick Santorum schloss sich dem Chor der Kritiker im US-Kongress an. "Nichts in dem Deal schränkt Irans terroristische Aktivitäten ein", sagte er dem Fernsehsender CNN. Im Gegenteil, die Verhandlungen hätten "Iran legitimiert". Iran werde stärker und sei künftig finanziell besser ausgestattet, um sich als "Hauptsponsor des Terrors in der Region" noch intensiver zu engagieren. Ausserdem, so die Kritiker in den Reihen der Republikaner, werde das Abkommen dem Iran auf mittlere Sicht erlauben, mit der Anreicherung von atomarem Material weiterzumachen. Vorsorglich drohte Präsident Obama den Republikanern mit einem Veto für den Fall, dass sie das Abkommen im Kongress zu Fall bringen wollten.

Vertrauen statt Kontrolle? Blaise Misztal vom Bipartisan Policy Center ist skeptischBild: BPC

James Acton vom Carnegie Endowment for International Peace verweist darauf, dass nach jüngsten Umfragen die Mehrheit der Bevölkerung für ein Nuklearabkommen ist. Und nun gebe es einen konkreten Text, dessen Inhalt man verteidigen könne. Das mache es für Präsident Obama leichter. Acton und Misztal halten es wie viele andere Beobachter für unwahrscheinlich, dass die Republikaner im Kongress die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit zusammenbekommen, um ein Veto des Präsidenten zu überstimmen.

Obama zu neuen Ufern

Und der eilt schon wieder zu neuen Ufern. In seiner Fernsehansprache sagte Barack Obama, dass das Abkommen eine Chance zur Neuausrichtung der Beziehungen zum Iran eröffne. Ob es nach Jahrzehnten der Spannungen und Sanktionen zu einer neuen Qualität der Beziehung zum Iran kommt, sei jedoch noch die "große Frage", gibt die New York Times zu bedenken. Jahrzehnte der feinseligen Funkstille zwischen dem Iran und den USA könnten auch 20 Monate intensiver Verhandlungen noch nicht vergessen machen. Doch immerhin könne man nun besser einschätzen, ob man sich gegenseitig vertrauen könne, schreibt die Zeitung und fügt hinzu: "Immerhin, ein Anfang ist gemacht."

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