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US-Militärschlag im Iran: Was steht jetzt auf dem Spiel?

Theresa Tropper
22. Juni 2025

Der Luftschlag der USA im Iran markiert eine gefährliche neue Phase: Bedeutet die Bombardierung der Atomanlagen den Beginn einer weiteren Eskalation? Antworten auf zentrale Fragen.

Donald Trump JD Vance verfolgen den Schlag gegen den Iran im "Situation Room" des Weißen Hauses - Trump mit "Make America Great Again" - Kappe
Donald Trump (r.) und Vize JD Vance verfolgen auf diesem vom Weißen Haus zur Verfügung gestellten Foto den Schlag gegen den Iran im "Situation Room".Bild: The White House/AP/dpa/picture alliance

Warum erfolgte der Angriff der USA jetzt?

Eine Woche nach dem Beginn seiner Angriffe auf den Iran hatte Israel viele seiner Ziele erreicht: Führende Militärs und Nuklearwissenschaftler wurden getötet, Raketenstützpunkte und Atomanlagen beschädigt. Doch die unterirdische Urananreicherungsanlage in Fordo war für Israels Luftwaffe unerreichbar.

Fordo: Satellitenbild zeigt einen Krater nach den US-Angriffen auf den Iran - der Luftschläg wäre so für Israel nicht möglich gewesenBild: Maxar Technologies/AP Photo/picture alliance

"Trump ist offenbar davon ausgegangen, dass Israel allein das iranische Atomprogramm nicht entscheidend schwächen kann", sagt Sicherheitsexperte Giorgio Cafiero am Sonntag im Gespräch mit der DW. Deshalb griffen die USA ein. Der Zeitpunkt aber kam für viele Experten überraschend. Trump hatte eigentlich angekündigt, sich zwei Wochen Bedenkzeit nehmen zu wollen. Gleichzeitig mehrten sich bei Beobachtern Zweifel an der Prämisse Israels: "Die Angriffe auf Irans Atomprogramm basieren auf Fehlinformationen", sagt etwa Fawaz Gerges, Professor für Nahostpolitik und internationale Beziehungen an der London School of Economics, gegenüber der DW. Der US-Geheimdienst sei zu dem Schluss gekommen, dass der Iran gar nicht aktiv versuche, eine Atombombe zu bauen und mindestens noch drei Jahre davon entfernt sei, überhaupt die Fähigkeit dazu zu besitzen.

Wie fällt die militärische Antwort der Islamischen Republik aus?

Teheran hat rasch mit neuen Raketenangriffen auf Israel reagiert - ein Zeichen dafür, wie sehr Teheran unter Druck steht, schnell und entschlossen zu handeln. Nicht nur zur Abschreckung, sondern auch, um Stärke zu demonstrieren. Möglich wären außerdem gezielte Angriffe auf US-Stützpunkte, Attacken auf Handelsschiffe oder sogar die Blockade der Straße von Hormus, einer der wichtigsten Routen für den weltweiten Ölhandel. Ein solches Vorgehen hätte massive wirtschaftliche Folgen. Allerdings nicht nur für den Westen: "Es würde China von seinen Ölimporten aus der Region abschneiden. (...) Das würde Chinas Wirtschaft hart treffen, wahrscheinlich sogar härter als westliche Wirtschaftsräume", sagt Iran-Experte Kamran Matin von der Universität Sussex. Und die Volksrepublik ist neben Russland einer der wichtigsten strategischen Partner des Iran.

Wo ist Chamenei - und wann wird er sich äußern?Bild: farsi.khamenei.ir

Die zentrale Frage ist nun: Wird der Iran einen Weg finden, mit Nachdruck zurückzuschlagen - ohne dabei eine noch heftigere Reaktion Washingtons zu provozieren? Denn US-Präsident Donald Trump hat bereits unmissverständlich klargemacht, dass jede Vergeltung mit "überwältigender Gewalt" beantwortet werde. Das Risiko einer weiteren Eskalation ist also groß. Noch aber ist vieles unklar. Ayatollah Chamenei, der oberste Führer Irans, hält sich laut Berichten in einem Bunker auf, abgeschirmt von elektronischer Kommunikation. Ohne sein Wort ist keine Entscheidung möglich. Und solange er schweigt, bleibt offen, wie der Iran tatsächlich reagieren wird.

Wie reagieren die Menschen im Iran?

Viele Menschen sind schockiert. Nach den israelischen Angriffen hatten sich viele auf die neue Realität eingestellt, auf andauernde Explosionen, leere Straßen, teilweise geschlossene Geschäfte. Nun kommen auch noch die US-Angriffe hinzu. Die Verunsicherung wächst: Wo ist man sicher? Wie lange hält das alles noch an? Und wo führt es hin? Gleichzeitig haben viele gemischte Gefühle - insbesondere nach der Reaktion der Sicherheitskräfte auf Proteste der vergangenen Jahre: "Man kann man sich vorstellen, dass viele Iraner, wenn nicht die große Mehrheit, die Islamische Republik besonders ablehnen und sogar hassen.", sagt Kamran Matin. Sie seien deshalb froh darüber, dass Israel wichtige Kommandeure der Armee und Revolutionsgarde ausgeschaltet habe. Inzwischen wachse aber auch die Angst davor, was passieren könnte, wenn die Islamische Republik weiter besteht.

Denn nicht nur die Angriffe auf Iran halten an, sondern auch die Angriffe der Islamischen Republik gegen die eigene Bevölkerung: Sie geht gezielt gegen Minderheiten und Regimekritiker vor - etwa gegen den regimekritischen Rapper Toomaj Salehi, der erneut festgenommen wurde. Außerdem sorgen sich viele um das Schicksal der politischen Häftlinge in den Gefängnissen. Denn jedes Mal, wenn das Regime außenpolitisch unter Druck gerät, wendet es sich nach innen, um abweichende Stimmen zum Schweigen zu bringen. Die Bevölkerung steht zwischen den Fronten - und offenbar keine Seite vertritt ihre Interessen.

Ein Mann verfolgt am 13. Juni eine Fernsehansprache von Ayatollah Khamenei. Im Land selbst lehnen viele die islamische Führung ab.Bild: Morteza Nikoubazl/NurPhoto/IMAGO

Welche Auswirkungen hat all das auf die Region?

"Ich denke, abgesehen von Israel gibt es kaum ein Land in der Region, das sich über diesen Angriff gefreut hat", sagt Nahost-Sicherheitsexperte Giorgio Cafiero. Vor allem die Staaten des Golf-Kooperationsrates seien besorgt und wünschten sich vor allem eines für die Region: Stabilität. In den vergangenen Jahren hatten viele von ihnen versucht, ihre diplomatischen Verbindungen mit Teheran zu verbessern - auch, um ihre wirtschaftlichen Interessen nicht zu gefährden. Saudi-Arabien etwa hat bereits "große Besorgnis" zum Ausdruck gebracht. Viele der Golf-Staaten hätten aber in der aktuellen Situation gemischte Gefühle, sagt Fawaz Gerges im Interview mit der DW: "Sie haben große Angst vor einer Eskalation. Andererseits glaube ich nicht, dass sie unglücklich darüber sind zu sehen, wie Iran Tag für Tag von Israel und nun auch von den USA bombardiert wird." Gleichzeitig sehen Länder wie Katar, Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die USA als Sicherheitsgarant. "Wenn die Konfrontation zwischen Washington und Teheran weiter eskaliert", so Cafiero, "steigt der Druck auf diese Länder, sich für eine von beiden Seiten zu entscheiden." 

Israels Iran-Angriff: Wird Trump in den Konflikt gezogen?

42:34

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Gibt es noch eine Chance, den Konflikt diplomatisch zu lösen?

US-Präsident Donald Trump spricht von einer "Chance für Frieden", die Verantwortlichen in Teheran aber denken anders: "Wir waren gerade in Verhandlungen mit den USA, als Israel uns angegriffen hat", schreibt Irans Außenminister Abbas Aragchi: "Welchen Schluss würden Sie daraus ziehen?". In dieser Woche sei sein Land gerade in Gesprächen mit den Europäern gewesen, als die USA angegriffen hätten. 

"Ich glaube nicht, dass es derzeit Hoffnung gibt für die Diplomatie", sagt auch Fawaz Gerges. "Wie könnte die Führung in Teheran auch Vertrauen haben zu Donald Trump, der sie immer wieder in die Irre geführt hat, selbst, wenn sie verhandeln wollten?"

Donald Trump sieht jetzt eine "Chance für Frieden" - doch wie vertrauensvoll erscheint er Teheran noch?Bild: Carlos Barria/Pool/AFP/Getty Images

Außerdem habe Israel hat unmissverständlich klargemacht, dass es bei Verhandlungen nur ein Ergebnis akzeptieren würde: Die völlige Zerstörung der iranischen Atomanlagen - ein Szenario, das für Teheran kaum akzeptabel sein dürfte. Sollte eine diplomatische Lösung allerdings der einzige Weg sein, den Machterhalt der Islamischen Republik zu retten, könnte es durchaus zu einem Kurswechsel kommen. Denn der eigene Machterhalt war stets das oberstes Ziel der Mullahs. Schon vor den US-Angriffen auf die iranischen Atomanlagen hatte der Iran allerdings jede Form von Diplomatie ausgeschlossen, solange die Angriffe auf das Land weitergehen - und das ist im Moment der Fall.

Die Frage ist also: Wäre Israel bereit, seine Offensive zu stoppen - auch, wenn die Islamische Republik militärisch das letzte Wort behält? Das hängt letztlich davon ab, ob es Israel "nur" um die Zerstörung des iranischen Atomprogramms geht oder um einen Regimewechsel in Teheran. Letzteres wäre ein riskantes Ziel. Denn sicher ist: Der Iran wurde nun von zwei sehr mächtigen Staaten bombardiert. Mindestens einer davon, die USA, sind selbst Atommacht. Wer auch immer künftig im Land das Sagen hat, wird sich genau überlegen, wie sich so etwas verhindern lässt - und das könnte bedeuten, dass der Wunsch nach einer eigenen nuklearen Abschreckung wächst.

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