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Politik

USA: Schusswaffen vor dem Supreme Court

8. Dezember 2019

Zum ersten Mal seit fast zehn Jahren stehen sich Waffen-Fans und -Gegner vor dem Obersten Gerichtshof gegenüber. Es geht um ein Gesetz in New York City - das längst nicht mehr gilt. Aus Washington Carla Bleiker.

USA Waffen l Protesten von Waffenbesitzern vor dem Supreme Court
Bild: Reuters/A. Chung

Das Recht, eine Waffe zu tragen, ist in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika festgeschrieben. Im zweiten Zusatzartikel, der 1791 verabschiedet wurde, heißt es: "Da eine wohlgeordnete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden." Darüber, wie dieser Satz zu interpretieren ist, wird in den USA so leidenschaftlich gestritten wie nur über wenige andere Themen, besonders nach Massakern wie denen in El Paso, Dayton oder Parkland.

Jetzt beschäftigt das Waffenrecht sogar das höchste Gericht des Landes, den Supreme Court. Am Montag hörten die Richter in Washington Argumente in einem Fall aus New York City. Dort galt bis vor kurzem eine Regelung, nach der Besitzer ihre Schusswaffe zwar zu einem Übungsplatz transportieren durften (ungeladen und in einem abgeschlossenen Behälter), aber nicht über die Stadtgrenze hinaus. Drei New Yorker hatten dagegen geklagt, weil sie ihre Waffen beispielsweise zu einem Übungsplatz außerhalb von New York City oder zu ihrem Ferienhaus mitnehmen wollten.

Zwei örtliche Gerichte hatten die Klage abgewiesen. Aber als bekannt wurde, dass der Supreme Court sich den Fall anhören wollte, ruderte New York zurück. Die Regelung wurde abgeschafft, so dass New Yorker nun ihre Waffen auch über die Stadtgrenzen hinaus transportieren dürfen. Mehr noch: Der Bundesstaat New York hat erlassen, dass keine andere Stadt im Staate ähnliche Einschränkungen einführen darf.    

New York hat strenge Waffengesetze, ruderte aber bei der Transporteinschränkung zurückBild: picture-alliance/imageBROKER/Allgöwer

Es geht nicht nur um New York

Damit sollte alles geklärt sein. Was also haben die Supreme-Court-Richter jetzt noch zu entscheiden - und warum wird der Fall von Aktivisten auf beiden Seiten so gespannt beobachtet? "Die Waffenlobby hat sich dafür eingesetzt, dass dieser Fall vor den Supreme Court kommt, um Waffengesetze überall in den USA zu schwächen", sagte Andrew Patrick der DW. Patrick ist Sprecher der Coalition to Stop Gun Violence, einer Interessengruppe, die sich für strengere Waffengesetze einsetzt.

Es geht um weit mehr als eine kleine Gesetzesänderung in New York City. Aktivisten, die für strengere Waffengesetze kämpfen, sind besorgt, dass auch die mächtigsten Richter im Land sich gegen die - mittlerweile außer Kraft gesetzte - Regelung aussprechen könnten. Wenn der Supreme Court die Einschränkung der Metropole nicht für rechtens hält, können auch andere städtische oder bundesstaatliche Waffengesetze in Frage gestellt werden, so die Hoffnung der Waffenlobby - und die Sorge der Gun-Control-Aktivisten.

Die National Rifle Association (NRA) versuche, mit dem Fall ihre politischen Ziele durchzusetzen, sagt Hannah Shearer vom Giffords Law Center to Prevent Gun Violence, benannt nach der ehemaligen Kongressabgeordneten Gabrielle Giffords, die bei einem Attentat auf ihre Person 2011 angeschossen und lebensgefährlich verletzt wurde. Sollte die NRA damit durchkommen, "wären überall in den USA hunderte von vernünftigen Waffengesetzen, die im Einklang mit der Verfassung stehen, in Gefahr", so Shearer zur DW.

Die NRA ist eine der mächtigsten Lobby-Organisationen in den USA und steht im Zentrum der Kritik von Waffen-Gegnern Bild: Getty Images/AFP/S. Loeb

Der Anwalt der Waffenbesitzer Paul Clement erklärt dagegen, der Fall müsse vor dem Supreme Court verhandelt werden, um zu zeigen, dass keine Stadt und kein Bundesstaat damit durchkomme, verfassungsmäßige Rechte einzuschränken. Der Fall New York Citys zeige, dass "die Stadt weiterhin der festen Meinung ist, dass es sich beim Transport einer legalen Handfeuerwaffe um ein Privileg handelt, das man von der Regierung verliehen bekommt, anstatt um ein konstitutionelles Recht".

Strengere Gesetze - weniger Waffengewalt

Lokale Waffengesetze spielen in den USA eine besonders wichtige Rolle, da sich Republikaner und Demokraten im US-Repräsentantenhaus und Senat bisher nur auf wenige bundesweite Regelungen in der heiß umkämpften Sache einigen konnten. Dazu trägt auch die mächtige Waffenlobby bei, angeführt von der NRA.  

New York ist ein Bundesstaat mit besonders strengen Waffengesetzen. Wer in dem Bundesstaat eine Waffe kaufen möchte, muss einen Backgroundcheck durchlaufen, auch wenn die Waffe von einem privaten Verkäufer kommt. Der Besitz von Sturmgewehren und Magazinen, die mehr als sieben Schuss Munition erhalten, ist komplett verboten.

"New York hat starke Waffengesetze, die zu der niedrigen Waffengewaltrate im Staat beitragen", sagte Rukmani Bhatia, Expertin für Waffengewalt am Center for American Progress, der Nachrichtenseite City & State New York. 2017 war New York der Bundesstaat mit der drittniedrigsten Zahl von Menschen, die durch Waffengewalt ums Leben kamen. Nur Hawaii und Massachusetts kamen noch besser weg. Die Todesrate durch Waffengewalt lag in New York bei 3,7 von 100.000 Menschen, in Alabama bei 22,9 und in Alaska sogar bei 24,5.

"Was ist von diesem Fall noch übrig?"

Bei der großen Bedeutung, die die Bundesstaaten in der Debatte um Waffengesetze haben, ist es keine Überraschung, dass mit Spannung erwartet wird, wie sich die Obersten Richter äußern werden. Dabei kann es durchaus sein, dass sie den Fall komplett ablehnen und gar keine Entscheidung treffen. Schließlich hat New York das beanstandete Gesetz bereits wieder abgeschafft. "Was ist von diesem Fall noch übrig?" fragte Richterin Ruth Bader Ginsburg bei der Anhörung am Montag.

Andrew Patrick von der Coalition to Stop Gun Violence hofft, dass die Richter den Fall ablehnen werden. Er und seine Kollegen gehen davon aus, "dass das Gericht die richtige Entscheidung treffen wird und den Fall für irrelevant erklärt".

Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker
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