USA und China: eng verzahnt und konfliktreich
17. Januar 2011Während die USA 2010 mit einem Wirtschaftswachstum von knapp drei Prozent das Problem der hohen Arbeitslosigkeit nicht in den Griff bekommen, läuft der Konjunkturmotor in China mit einem zweistelligen Plus bereits wieder auf Hochtouren. Während die Staatsschulden der Amerikaner auf die Schwindel erregende Höhe von 14 Billionen Dollar klettern, schwimmen die Chinesen in einem Meer von Devisenreserven von über 2,85 Billionen Dollar.
Diese Zahlen zeigen deutlich, wie sich die Kräfte zwischen den beiden größten Volkswirtschaften auf der Welt, USA und China, verschoben haben. Das macht die Chinesen selbstbewusst und die Amerikaner ratlos; und der Umgang miteinander wird dadurch nicht gerade einfacher.
Gegenseitige Vorwürfe
Für ihre Probleme machen sie sich gegenseitig verantwortlich. Der Aufschwung in den USA wolle sich nicht einstellen, weil China seine Währung niedrig halte, einen Handelsüberschuss aufbaue und amerikanische Arbeitsplätze vernichte, so die Denkart vieler Amerikaner. Die Federal Reserve betreibe eine zu lockere Geldpolitik und heize dadurch die Inflation in China an, sind die Chinesen überzeugt.
Der Währungsstreit schwelt seit Jahren zwischen Washington und Peking. US-Experten sehen den Yuan, auch Renminbi genannt, um bis zu 40 Prozent unterbewertet. Doch auch wenn der Yuan auf einen Schlag um 40 Prozent aufgewertet würde, geht Gu Xuewu, Leiter des Center for Global Studies an der Uni Bonn, nicht davon aus, dass dann die amerikanischen Unternehmen viel konkurrenzfähiger würden: "Das liegt am unterschiedlichen Lohnniveau. Der amerikanische Arbeitslohn ist zehnmal höher als der chinesische. Das bedeutet, dass nur eine Aufwertung des Renminbi um tausend Prozent die amerikanischen Unternehmen dazu befähigen würde, auf gleichem Niveau mit den Chinesen zu konkurrieren."
Ungleichgewicht wächst
Konkurrieren müssen die Amerikaner auch mit Japan und Europa, wenn es darum geht, den chinesischen Markt mit Maschinen, mit Investitionsgütern zu beliefern. Das hat mit dazu geführt, dass sich das US-Handelsbilanzdefizit gegenüber China alle vier Jahre verdoppelte. Im letzten Jahr ist der Überschuss aus chinesischer Sicht auf 181 Milliarden Dollar gestiegen, während Chinas Gesamtüberschuss gefallen ist.
Auch wenn das Ungleichgewicht zwischen beiden Ländern durch einen teureren Yuan nicht signifikant abgebaut werden kann, hat Peking am Jahresanfang eine graduelle Aufwertung seiner Währung angekündigt. Bisher hat sich auch die Obama-Administration dem Druck der Abgeordneten nicht gebeugt, China als Währungsmanipulator zu bezeichnen. Wahrscheinlich auch, weil sich auch die USA von dem Vorwurf der Währungsmanipulation nicht ganz freisprechen können.
Währungsmanipulation auf beiden Seiten
Ihre Währung beeinflussen beide Länder, nur mit unterschiedlichen Instrumenten, meint Gu Xuewu: "Es gibt zwei Instrumente, um den Außenwert der nationalen Währung zu bestimmen: die Zinspolitik und die Wechselkurspolitik. Die Chinesen verwenden die Wechselkurspolitik. In Washington dagegen dreht man an der Zinsschraube." Mit einer Nullzinspolitik und dem massiven Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank erhöhen die Amerikaner die Liquidität auf dem Markt. Und mehr Liquidität bedeute natürlich eine Abwertung des Dollar.
Diese Abwertung schmälert Chinas Vermögenswerte, da das Land über 900 Milliarden Dollar US-Staatsanleihen hält. Ein Fünftel aller amerikanischen Staatsschuldverschreibungen befindet sich also in chinesischer Hand.
Gläubiger und Schuldner
So lässt sich auch die durch Wikileaks bekannt gewordene rhetorische Frage der US-Außenministerin Hillary Clinton an den ehemaligen australischen Premier Kevin Rudd erklären. Als dieser sagte, man müsse China Härte zeigen, wenn es nicht gelingen sollte, das Land in die Weltgemeinschaft zu integrieren, antwortete Clinton: "Wie kann man seinem Banker gegenüber Härte zeigen?"
Der Schuldner ist abhängig von seinem Banker - aber als Gläubiger begibt man sich ebenso in eine Abhängigkeit. Denn der muss sich um die Zahlungsfähigkeit des Schuldners sorgen. China ist zudem auch noch in anderer Hinsicht von den USA abhängig, sagt Christof Römer vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln: Fast 30 Prozent aller Exporte aus China würden mittlerweile in die USA gehen. Die USA seien der Hauptabsatzmarkt für chinesische Produkte.
Auch China-Experte Gu Xuewu ist der Meinung, dass China stärker von den USA abhängig sei als umgekehrt: "Die Strukturen der internationalen Finanzbranche sind günstiger für die Amerikaner. Die Chinesen sind abhängiger von den Amerikanern, weil das Recht, den Außenwert der Leitwährung zu bestimmen, nicht in Beijing liegt, sondern in Washington."
Ungerechte Arbeitsteilung aus chinesischer Sicht
Dass die Chinesen darüber nicht begeistert sind, sieht man an dem Spruch, der derzeit im Land kursiert: China produziert, Amerika konsumiert; China verdient das Geld, Amerika macht die Schulden. Da sei etwas Wahres dran, stimme aber nicht hundertprozentig, findet Christof Römer vom Institut der Deutschen Wirtschaft: "Wir haben in den USA viele Unternehmen, die sehr leistungsfähig und wettbewerbsfähig sind. Diese Unternehmen können sehr wohl produzieren und den globalen Markt bedienen." Auf der anderen Seite gebe es viele Unternehmen in China, die nur mit künstlichen Mitteln am Leben gehalten werden können.
Das heißt: Das selbstbewusste China ist mit mehr Problemen konfrontiert als das hohe Wachstum ahnen lässt; und auch das ratlose Amerika verfügt über genügend Qualitäten, die das Land zur alten Stärke führen können. Die beiden größten Volkswirtschaften auf der Welt sind zudem dermaßen miteinander verzahnt, dass sie gut beraten wären, ihre Wirtschaftspolitik miteinander zu koordinieren.
Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Insa Wrede