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USA und EU beim Gipfel nicht handelseinig

20. Oktober 2023

Beim zweiten EU-USA-Gipfel mit Präsident Biden soll Einigkeit demonstriert werden. Nur bei Wirtschaftsfragen gelingt das nicht so ganz. Da hat jede Seite eigene Interessen. Aus Brüssel Bernd Riegert.

Symbolbild I Handel zwischen USA und der EU
Die USA und die EU sind gegenseitig die wichtigsten Handelspartner - und streiten trotzdemBild: Ohde/Bildagentur-online/picture alliance

Wenn es nach den europäischen Gipfelteilnehmern, EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geht, wird das Treffen im Weißen Haus in Washington ein neuer Beweis für einzigartige transatlantische Harmonie. Es gebe ein "nie dagewesenes hohes Niveau der Kooperation" schwärmen EU-Diplomaten vor dem zweiten Gipfel mit US-Präsident Joe Biden. Das trifft vor allem auf die Außen- und Sicherheitspolitik zu. Sowohl in der Hilfe für die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland als auch in der Unterstützung Israels bei der Verteidigung gegen Hamas-Terror sind sich die EU und die USA einig. Gemeinsam will man die wachsenden Machtgelüste Chinas eindämmen, auf den globalen Süden zugehen, Iran und Nordkorea in Schach halten.

Ist das schon so lange her? Beim ersten EU-USA-Gipfel im Juni 2021 trugen Kommissionspräsidentin von der Leyen (li) und die Herren Biden und Michel noch MaskeBild: Patrick Semansky/AP Photo/picture alliance

Zurückhaltung im Weißen Haus?

Joe Biden freue sich auf den Besuch aus Brüssel, liest man in einer Mitteilung des Weißen Hauses. Man werde "gemeinsam den Wandel hin zu einer sauberen Energiewirtschaft voranbringen", verspricht die Pressemitteilung des Präsidenten. Etwas nüchterner wird es dann, wenn es um den transatlantischen Handel und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit geht. "Wir werden gemeinsame Aktivitäten überprüfen", heißt es eher schmallippig. Auch EU-Diplomaten in Brüssel räumen ein, dass es bei den Handelsgesprächen immer noch im Getriebe knirscht: "Es gibt Differenzen und EU-Interessen, die es zu verteidigen gilt."

Streitpunkt: Werden Strafzölle auf Stahl aus der EU weiter von den USA ausgesetzt?Bild: picture alliance/dpa/J. Lübke

Werden Strafzölle weiter eingefroren?

Verglichen mit seinem rabiaten Vorgänger Donald Trump hat die Europäische Union mit Präsident Joe Biden große Fortschritte gemacht. Trump verhängte willkürliche Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus Europa. Biden legte diese Zölle wenigstens wieder auf Eis. Ein langjähriger Streit vor der Welthandelsorganisation wurde vermieden. Verhandlungen zur Beseitigung der Zölle konnten aber vor dem Gipfel in Washington nicht abgeschlossen werden. Der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, Bernd Lange (SPD), setzte im Gespräch mit der DW darauf, dass die Zölle wenigstens weiter ausgesetzt bleiben, und zwar bis zum Ende des Jahres 2024, also nach dem Wahltermin in den USA im November 2024. "Zwei Jahre Waffenstillstand bei Stahl- und Aluminiumzöllen laufen am 31. Oktober aus. Nun geht es darum, genau hier eine permanente Lösung zu finden. Das ist noch nicht geklärt", sagte Lange in Straßburg. Der "Waffenstillstand" war beim ersten Gipfeltreffen der EU mit Joe Biden im Juni 2021 ausgehandelt worden.

Subventionsbingo auf beiden Seiten des Atlantiks

Weiter umstritten ist der "Inflation Reduction Act" (IRA), mit dem die amerikanische Regierung 370 Milliarden Dollar an Subventionen über zehn Jahre maßgeblich an amerikanische Unternehmen verteilt, um Investitionen in grüne Energie und Technik auszulösen. Zwar sind die negativen Auswirkungen des IRA auf europäische Unternehmen bei Weitem nicht so stark wie vor einem Jahr mit großem Aufschrei befürchtet, aber einige Unternehmen aus Europa haben sich entschlossen, neue Produktionsstätten für Wasserstoff, Elektrofahrzeuge und andere "grüne" Produkte beispielsweise in Texas statt in Bayern zu bauen. "Das Problem ist, dass die Subventionen nur für Produkte gezahlt werden, die in den USA hergestellt werden. Damit gibt es ein Ausgrenzen von europäischen Produkten. Es gibt einen Verlagerungsdruck", bemängelt der Handelsexperte des Europäischen Parlaments, Bernd Lange.

Bernd Lange, Europaabgeordneter und Handelsexperte: Es gibt Verlagerungsdruck in die USABild: EP/J. B. Revert

Die US-Administration hat aber einige Ausnahmen geschaffen, die es zum Beispiel auch europäischen Herstellern erlauben, ihre Elektro-Fahrzeuge auf dem US-Markt zu verkaufen und entsprechende Subventionen zu kassieren. Wird das Auto aus Europa etwa geleast, gilt die Regel, dass es in Amerika hergestellt sein muss, nur noch eingeschränkt. Die Ökonomen der Denkfabrik "Bruegel" in Brüssel haben in einer Untersuchung festgestellt, dass die Befürchtungen der EU wohl übertrieben waren. Schließlich setze die EU auch massiv Subventionen ein, um Unternehmen anzusiedeln. Nur ein Beispiel: ThyssenKrupp baut in Duisburg eine Fabrik für CO2-neutral erzeugten Stahl auf und investiert drei Milliarden Euro. Zwei Milliarden davon schießt der deutsche Staat mit Billigung der EU zu. Die an sich strengen Regeln für staatliche Beihilfen in der EU sind nach der Einführung des IRA in Amerika gelockert worden. Diese Ausnahmeregelung könnte weiter verlängert werden.

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Wo ist die Strategie?

Kritiker beklagen jedoch, dass es keine übergreifende Strategie in der Europäischen Union gibt, um der amerikanischen Initiative zu begegnen. Ein zunächst geplanter "strategischer Souveränitäts-Fonds" der EU wurde im Sommer wieder fallengelassen, weil zu teuer. Stattdessen wurden knapp 40 Prozent des schon vorhandenen Wiederaufbaufonds nach der Corona-Pandemie für grüne Investitionen reserviert, immerhin 250 Milliarden Euro. Außerdem versucht die EU mit neuer Gesetzgebung zu Halbleiter-Produktion, künstlicher Intelligenz und Datenverarbeitung Produktions- und Forschungsstätten nach Europa zu locken oder hier zu halten.

Einen politischen Durchbruch könnte es bei Verhandlungen zu einem gemeinsamen "Beschaffungsklub" für seltenen Erden und Mineralien in Washington geben. Die USA bevorzugen Produkte aus befreundeten Staaten wie zum Beispiel Australien. Diese Privilegien könnte bald auch die EU genießen. Überkreuz liegen die USA und die EU aber noch bei neuen Regeln für große Internetkonzerne und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Während die EU auf strengere Regeln pocht, verfolgt Präsident Joe Biden eher einen liberalen Ansatz.

TTIP 2.0 als umfassendes Handelsabkommen?

Die Verhandlungen über die Handelsfragen werden im Anschluss an den nach außen hin fraglos harmonischen Gipfel in Washington weitergehen. Was allerdings nach den Wahlen im November 2024 passiert, ist ungewiss. "Wir wissen auch nicht, wer nach den Wahlen Präsident der Vereinigten Staaten sein wird", meinen EU-Diplomaten mit Schulterzucken auf die Frage, ob es eine langfristige Strategie gibt, falls der Republikaner Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehren sollte. Die beiden größten Handelsblöcke der Welt, also die USA und die EU, bräuchten eigentlich ein umfassendes Handelsabkommen, meint Holger Görg vom Kiel Institut für Weltwirtschaft. "Im Zuge der weltweiten Krisen (Pandemie, Kriege) und der wachsenden geopolitischen Spannungen erscheint es durchaus ratsam, Handelsbeziehungen mit befreundeten Nationen auszubauen. Die USA sind bereits einer der wichtigsten Handelspartner der EU und sie teilen ähnliche Werte. Durch die Implementierung des Inflation Reduction Act (IRA) hat sich die Stimmung zwischen den beiden in letzter Zeit vielleicht ein bisschen abgekühlt und die Aufnahme von Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen wäre eine gute Gelegenheit, diese Verstimmungen aus dem Weg zu räumen", sagte Görg der DW.

Schreckensszenario für EU-Handelspolitiker: US-Präsident Trump (re.) ließ 2018 Kommissionspräsident Juncker bei Zöllen zappeln Bild: picture-alliance/K. Dietsch

Es gab einen ersten Versuch für ein Handelsabkommen mit Namen TTIP, der von Donald Trump einkassiert wurde. Einen zweiten Anlauf würde es wohl auch während einer zweiten Amtszeit des Demokraten Joe Biden kaum geben, schätzt Bernd Lange vom Handelsausschuss des Europäischen Parlaments. Er hatte den TTIP, den transatlantischen Handels- und Investitionspakt, jahrelang mit ausgehandelt und meint etwas resigniert gegenüber der DW: "TTIP wäre wünschenswert, aber man wird im Moment kein Abkommen abschließen, wo die USA Verpflichtungen gegenüber Drittstaaten eingehen. Das ist im Kongress nicht durchsetzbar." Der Kongress, das US-Parlament, müsste mit beiden Kammern einem Handelsabkommen zustimmen. Das trifft sowohl bei Republikanern als auch bei Demokraten auf Ablehnung.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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