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Politik

USA wollen Ausstieg aus INF-Vertrag verkünden

1. Februar 2019

An diesem Freitag wird Washington aller Voraussicht nach das Aus für einen der weltweit wichtigsten Abrüstungsverträge einläuten. In Deutschland ist derweil schon eine Debatte über neue NATO-Raketen im Gange.

US-Außenminister Mike Pompeo hat Journalisten für 14.30 Uhr deutscher Zeit ins State Department geladen (Foto: picture-alliance/AP/M. Balce Ceneta)
US-Außenminister Pompeo hat Journalisten für 14.30 Uhr deutscher Zeit ins State Department geladenBild: picture-alliance/AP/M. Balce Ceneta

Die USA wollen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bereits an diesem Freitag ihren Ausstieg aus dem INF-Vertrag zum Verzicht auf landgestützte atomare Mittelstreckenwaffen ankündigen. Die Vereinigten Staaten informierten demnach bereits die Verbündeten in der NATO über ihr Vorhaben. Im Militärbündnis wurde geplant, die US-Entscheidung nach der Bekanntgabe so schnell wie möglich mit einer Erklärung zu unterstützen. Eine offizielle Bestätigung für die geplante US-Ankündigung gibt es bislang nicht. Außenminister Mike Pompeo lud Medienvertreter allerdings für 14.30 Uhr deutscher Zeit zu einer Erklärung ins State Department in Washington ein. Wirksam würde die Vertragskündigung dann im August - nach einer entsprechenden Frist von sechs Monaten.

US-Ultimatum läuft erst Samstag aus

Grund für die geplante Aufkündigung des INF-Vertrags durch die USA sind neue russische Marschflugkörper mit der Bezeichnung 9M729 (NATO-Code: SSC-8). Sie stellen nach Auffassung Washingtons einen eindeutigen Bruch des Abkommens dar. Die USA hatten Moskau zuletzt ein Ultimatum von 60 Tagen gesetzt, um die Zerstörung der neuen Marschflugkörper zuzusagen. Dieses läuft eigentlich erst am Samstag aus. Russland hatte allerdings bereits in den vergangenen Wochen mehrfach deutlich gemacht, dass es die US-Vorwürfe für haltlos erachtet und nicht daran denkt, seine Marschflugkörper zu vernichten. Nach russischen Angaben haben die 9M729 eine Reichweite von maximal 480 Kilometern. Die USA gehen hingegen von mindestens 2600 Kilometern aus. Damit könnten die Marschflugkörper nahezu alle Hauptstädte in Europa treffen.

Präsentation von russischen Marschflugkörpern 9M729 für die Presse vor gut einer Woche in der Nähe von MoskauBild: Reuters/M. Shemetov

Der INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (Intermediate Range Nuclear Forces) war 1987 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion geschlossen worden. Er verpflichtet beide Seiten zum Verzicht auf landgestützte ballistische Raketen und Marschflugkörper mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern. Zugleich untersagt er auch die Produktion und Tests solcher Systeme.

"Es darf keinen deutschen Sonderweg geben"

Für Europa wäre das Aus für den INF-Vertrag hochbrisant, weil es in Folge aller Voraussicht nach eine Diskussion über eine mögliche atomare Aufrüstung in Europa geben dürfte. Nach Auffassung von Militärs ließen sich nämlich nur so langfristig ein strategisches Gleichgewicht und Abschreckung sichern. Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Johann David Wadephul warnte Außenminister Heiko Maas (SPD) schon davor, eine Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen der NATO in Europa auszuschließen. Wenn Russland nicht zum Verzicht auf sein neues Raketensystem bereit sei, müsse die NATO sich auch diese Option vorbehalten, sagte der CDU-Politiker. "Es darf also keinen deutschen Sonderweg geben." Maas hat sich im Fall eines Ausstiegs der USA aus dem INF-Abkommen bereits gegen einer Stationierung landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen in Deutschland und Europa ausgesprochen.

Der CDU-Politiker Wadephul will neue Mittelstreckenraketen der NATO in Europa nicht ausschließenBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Auch sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn warnte vor einem neuen Rüstungswettlauf. Es sei "befremdend", dass sich Russen und Amerikaner im Kalten Krieg auf den Abrüstungsvertrag geeinigt hätten und heute vor einem neuen "Wettrüsten" stünden, sagte Asselborn beim EU-Außeneminister-Treffen in Bukarest. "Geografisch sind wir die Leidtragenden, wenn wieder Aufrüstung auf der Tagesordnung steht." Eine neue Debatte über Wettrüsten werde "Europa wieder zerreißen". Er hoffe, dass es in der nun beginnenden Sechs-Monats-Frist bis zum 2. August noch gelinge, Moskau und Washington "zum Dialog" zu bringen, so Asselborn.

Westen scheinheilig im Umgang mit Moskau? 

Lettlands Außenminister Edgar Rinkevics zeigte "volles Verständnis" für die US-Entscheidung. Denn Russland halte sich nicht an den INF-Vertrag, sagte er. Nötig seien nun "weltweite Lösungen", denn heute gebe es viel mehr Länder mit solchen Raketen als vor 30 Jahren. Ungarns Außenminister Peter Szijjarto wiederum warf westlichen Staaten "Scheinheiligkeit" im Verhältnis zu Russland vor. Einerseits kritisierten sie Moskau, andererseits machten "ihre Unternehmen enorme Geschäfte mit russischen Firmen". "Milliarden" würden mit Energie- und Gasgeschäften gemacht, sagte Szijjarto. Er verwies dabei auch auf die Pipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland.

Der Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, Volker Perthes, äußerte unterdessen die Befürchtung, dass nach einer Kündigung das INF-Abrüstungsabkommen "tot" sein werde. Auch Russland scheine "kein Interesse daran zu haben, diesen Vertrag zu erhalten", sagte Perthes in einem Interview der Nachrichtenagentur AFP. Dabei gehe es nur vordergründig um bestimmte Waffensysteme, die als vertragswidrig angesehen würden. "Beide Eliten (in den USA und Russland) sind unglücklich, wenn sie in ihrer Waffenentwicklung und -aufstellung durch Verträge behindert werden. Beide sehen hier den Nachteil, dass nur sie allein an diesen Vertrag gebunden sind", sagte Perthes. China, Indien oder der Iran seien es dagegen nicht. "Wenn wir uns ansehen, was in Indien und China steht: 90 Prozent der dort aufgestellten Atomraketen sind Mittelstreckenraketen, die in Europa unter das INF-Verbot fallen würden." Ein Scheitern des INF-Abkommens wäre insbesondere für Russland interessant, wenn es dadurch an der gemeinsamen Landgrenze mit China "eine symmetrische Antwort aufbauen könnte", so Perthes weiter. "Das dürfen sie unter dem derzeitigen Vertrag nicht. Wenn der INF tot ist, haben die Russen auch da freie Hand."

sti/pg (afp, dpa)

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