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Er wird langsamer

19. August 2016

Götterdämmerung in der Leichtathletik: Usain Bolt gewinnt planmäßig seine zweite von drei angekündigten Goldmedaillen. Doch gemessen an seinem eigenen Anspruch läuft er kein gutes Rennen, hat Joscha Weber beobachtet.

Brasilien Olympische Spiele Rio 2016 – Männer 200 Meter Finale – Usain Bolt (Foto: reuters)
Bild: Reuters/K. Pfaffenbach

Freut er sich oder ärgert er sich? Von hier oben auf der Tribüne ist das gar nicht so leicht auszumachen. Usain Bolt wirft die Arme hin und her. Sein Kopf ist gesenkt. Dann fängt ihn die Kamera ein und zeigt ihn groß auf der Stadionleinwand. Nun wird die Sache etwas klarer. Usain Bolt macht eine Geste, als wolle er mit der rechten Faust auf den Tisch hauen. Er hadert mit sich, blickt zu Boden. Wieder schmeißt er verärgert seine Arme nach unten. Kurz nach dem Rennen ist er nicht mehr der Strahlemann, der Showmaker, der Spaßvogel, der er sonst nach seinen gewonnenen Finals ist.

Nein, Usain Bolt hat nicht verloren. Im Gegenteil: Er gewinnt nach den 100 Metern auch die 200 Meter in überlegener Manier. Schon nach den ersten Metern, die er mit seinen langen Beinen immer für den Beschleunigungsvorgang braucht, liegt Bolt in Führung. Erst knapp, nach der Kurve dann ziemlich klar, auf der Ziellinie schließlich mehr als deutlich. 19,78 Sekunden zeigt die Uhr - Bolt läuft wie immer in einer eigenen Liga, weit vor der Konkurrenz. Der zweitplatzierte Kanadier Andre de Grasse hat 24 Hunderstel Rückstand, der Überraschungsdritte Christophe Lemaitre aus Frankreich 34. Im Sprint sind das Welten.

Er wollte den Rekord "unbedingt, unbedingt, unbedingt"

Trotz des klaren Abstands zur Konkurrenz ist Usain Bolt nicht zufrieden mit seinem Rennen. Dem Jamaikaner genügt Sieg nicht mehr - er ist fest eingeplant. Bolt wollte den Weltrekord, "unbedingt, unbedingt, unbedingt", wie er vorher klarstellte. Er wollte sich mit einem Paukenschlag auf seiner Lieblingsstrecke von der Olympia-Bühne verabschieden. In seinem letzten olympischen Einzelrennen gewinnt und scheitert Bolt somit zugleich. Im Alter von 29 Jahren wird der schnellste Mann der Welt tatsächlich langsamer.

Noch ist der Konkurrenz klar voraus. Aber wie sähe das in vier Jahren aus? Usain Bolt will das nicht wissen.Bild: Reuters/D. Ebenbichler

Auf den letzten Metern seines Rennens wirkt Bolt vielleicht zum ersten Mal verbissen, wirklich angestrengt. Er arbeitet etwas mehr mit dem Oberkörper als sonst. Er kämpft um jedes Zehntel, stürzt sich über die Ziellinie und bleibt danach schnell stehen, muss erst einmal durchatmen. 2009 bei seinem Weltrekord war das anders. Bei der Leichtathletik-WM in Berlin rannte er damals geradezu spielerisch zum Weltrekord und lief danach noch 20 Meter mit derselben Geschwindigkeit weiter. Einfach, weil er es konnte.

Die Zeichen der Zeit

Nun lässt sich streiten: War es der leichte Wind, der Bolt im Olympiastadion ausbremste? War es die durch ein paar Regentropfen feuchte Bahn? Vielleicht auch. Fakt ist: Bolt verfehlte in beiden Finals jeweils deutlich seine Bestmarken. Im 100-Meter-Finale konnte man das noch auf das äußerst knapp vor dem Finale angesetzte Halbfinale schieben. Im 200-Meter-Finale sucht Bolt den Grund selbst nicht beim Wind und auch nicht bei der feuchten Tartanbahn. "Ich wusste, dass es schwer wird, den Rekord zu knacken. Ich habe es in meinen Beinen gespürt, fühlte mich etwas müde. Natürlich wollte ich schneller rennen und war kurz nach dem Ziel etwas enttäuscht", sagt Bolt danach. Er bemerke zum ersten Mal bei Olympischen Spielen sein Alter, so Bolt. Ein Star, der nicht mehr Anfang 20 ist. "Früher musste ich nicht hart trainieren, um der Beste zu sein. Ich habe einfach das Leben genossen", erinnert sich Bolt mit einem Lächeln. "Ich werde älter und erhole mich nicht mehr so gut wie früher. Ich wollte es, aber mein Körper hat es nicht mehr geschafft."

Ehrliche Worte von einem, der sonst selten Schwächen zugibt. Noch vor dem Rennen habe er seinen Konkurrenten klargemacht, dass er es ihnen nicht erlaube, ihn zu schlagen. Die üblichen Boltschen Machtdemonstrationen. Nun, nach seiner achten Goldmedaille bei Olympia, wirkt er leiser, überlegter. Er spürt, dass dies der Moment ist, zu gehen. Noch ist er der Dominator, noch gewinnt er überlegen. Aber die Leichtigkeit von früher ist ihm etwas abhanden gekommen. Wer weiß, wie es in vier Jahren bei den Spielen in Tokio aussieht. Bolt hat beschlossen, es lieber nicht darauf ankommen zu lassen. Er will als Ungeschlagener gehen, als der gehen, als der er sich selbst sieht: als "Greatest of all time".

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