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Musik

Ute Lemper: "Hätte Lust, nach Europa zurückzukehren"

4. November 2020

Ute Lempers Herz schlägt für Joe Biden. Die in New York lebende deutsche Sängerin hofft auf eine Zeit nach Trump. Große Sorgen bereitet ihr das Coronavirus.

Ute Lemper als Darstellerin im Musical "Chicago"
Sängerin Ute Lemper (hier als Darstellerin im Musical Chicago 2014)Bild: picture-alliance/dpa/F. Kraufmann

Wer wird nächster US-Präsident: Donald Trump oder Joe Biden? Auf ihrer Terrasse über den Dächern von New York verfolgt Ute Lemper den Ausgang der Präsidentschaftswahlen und hält, wie die gesamte übrige Welt, den Atem an. 

Deutsche Welle: Frau Lemper, haben Sie heute schon mal durchgeatmet - nach diesem Wahlkrimi?

Ute Lemper: Die Wahl ist ja noch nicht entschieden. Es war ja auch vorherzusehen, dass viele Staaten hinterherhinken würden durch die Briefwahl und das späte Auszählen. Die roten Staaten sind roter geworden, die blauen blauer. Das bedeutet: Amerika ist weiterhin völlig gespalten. Es fühlt sich seltsam an, in einem Monstrum von Staat zu leben, der eigentlich zwei Staaten ist.

Ute Lemper bei der Entgegennahme des Deutschen Musical Theater Preises 2017Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Sind Sie enttäuscht?

Ja, ich bin enttäuscht. Ja, weil man den Vorhersagen mal wieder nicht trauen konnte, die Biden klar vorne sahen - wie schon vor vier Jahren bei Hillary Clinton. Enttäuschend ist, dass nach vier Jahren immer noch viele Menschen Trump erlegen sind, ihn sogar noch mehr lieben.

Trumps Herz schlägt nicht gerade für die Kultur. Er hat in den letzten vier Jahren versucht, den Künsten den Geldhahn zuzudrehen. Ist das auch Ihr Eindruck?

Ja, leider Gottes ist es so, dass die Kunst und die Kultur weggebrochen sind. Im Gegenzug stößt Trump auch nicht auf Gegenliebe bei den Künstlern. Es herrscht ein seltsames Vakuum im Weißen Haus, wo kein Künstler spielen, singen oder ihm die Hand schütteln möchte. Die Kulturszene mit ihren großen, einflussreichen Menschen, aber auch den vielen kleinen kreativen Künstlern ist eingebrochen. Die Kultur der Demokratie ist weggebrochen. Trump hat sich als Autokrat etabliert - mit seinen Anordnungen und Gesetzen - gegen großen Widerstand. Meine Güte, wie können ihn die Menschen danach umso mehr lieben?

Musiker haben Pop-Allianzen gebildet, um zu verhindern, dass Trump ihre Songs für den Wahlkampf missbraucht. Schriftsteller haben sich formiert zu "Writers Against Trump". Paul Auster hat gewarnt: 'Dieser Mann muss weg aus dem Weißen Haus, die USA sind auf dem Weg in den Faschismus.' Ist sich die Kulturszene wirklich einig in ihrer Anti-Trump-Haltung?

Die Kulturszene ist sich einig. Natürlich gibt es einige Ausnahmen. Aber wir sind frei denkende Menschen. Wir streben nach neuen Dimensionen, neuen Horizonten für Geist und Kreativität, nach Liberalität. All das entspricht nicht Trumps Gesinnung, deshalb findet er auch kaum unsere Unterstützung.

Natürlich gibt es Enklaven wie New York, wo es demokratisch, liberal und progressiv zugeht. New York war eine brodelnde Stadt, bis Corona hier alles lahmgelegt hat. Die Pandemie ist Trump völlig entglitten. Allein am Wahltag haben sich 100.000 Menschen mit dem Virus infiziert. Trump tut überhaupt nichts, um dieses Virus irgendwie in den Griff zu bekommen.

Wenn Trump am Ende wieder die Nase vorn hat, werden Sie das Land verlassen?

So einfach lässt sich das nicht beantworten, auch wenn ich schon seit vielen Jahren Lust hätte, nach Europa zurück zu gehen. Aber wir sind New Yorker! Wir haben hier unser Leben. Wir lieben New York, ich bin gerne New Yorkerin. Auch wenn die Stadt sich durch Corona sehr verändert: Die Kunstszene steht still. Die Theater sind dunkel. Der Broadway ist dunkel. Die Jazzclubs sind dunkel. Carnegie Hall, Metropolitan Opera - all das ist dicht. Das macht mir schon große Sorgen.

Die Coronakrise hat New Yorks Straßen leer gefegtBild: Imago Images/ZUMA Wire/J. Mineeva

Haben Sie noch Arbeitsmöglichkeiten?

Nein, überhaupt nicht. Mein letztes Konzert war am 14. März in Brüssel. Alles ist abgesagt und auf 2021 verschoben. Ich habe natürlich ein Sparkonto angelegt. Aber als Brotverdienerin für meine Familie sorge ich mich um mein Einkommen. Ich muss sehen, wie ich über die Runden komme. Schlimm ist es für die jungen Künstler, die am Anfang ihrer Karriere sind, für die steht die Welt still. Die sind brotlos.

Und wenn nun Joe Biden neuer Präsident wird, gewinnt dann die Kultur?

Das größte Problem ist jetzt erst mal das Coronavirus. Das hat in die Kunst und Kultur eingeschlagen wie eine Axt. Aber ja, ich glaube, die Kunst und Kultur werden wesentlich besser fahren unter Biden. Mit ihm bekommen wir vielleicht wieder einen Präsidenten, der mit den Menschen mitfühlt.

Die deutsche Sängerin und Schauspielerin Ute Lemper, Jahrgang 1963, lebt seit über 20 Jahren in New York. Das Interview führte Stefan Dege.

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