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Interview mit dem Bayreuth-Regisseur Uwe Eric Laufenberg

Rick Fulker24. Juli 2016

Nach der sehr kurzfristigen Absage des Dirigenten Andris Nelsons kriselte es heftig bei den Bayreuther Festspielen. Kurz vor der Premiere verriet Regisseur Laufenberg der DW einiges über Skandale und die Gralsenthüllung.

Eric Laufenberg sitzt im leeren Publikumsraum Foto: dpa - Bildfunk
Bild: picture-alliance/dpa/Fredrik von Erichsen

Deutsche Welle: Als Andris Nelsons reichlich verstimmt Bayreuth verließ, konnte man lesen, das sei für die Produktion eine Katastrophe. Wie fühlen Sie sich jetzt?

Uwe Eric Laufenberg: Seitdem Hartmut Haenchen den Stab übernommen hat, ist die Produktion musikalisch wieder in guten Händen. Er hat eine sehr andere Auffassung als Nelsons. Für die Sänger war es durchaus schwierig, sich wieder umzustellen - aber auch für das Orchester. Haenchen geht von der Originalpartitur aus. Er besitzt einen ganzen Satz von Noten und hat sie den Orchestermusikern auf die Pulte gelegt. Sie sagten: "Oje oje, das ist eine Totalumstellung!" In Bayreuth gibt es nämlich Traditionen, die mittlerweile auch in den Notenblättern, die hier sonst immer benutzt werden, geschrieben sind. Und für dieses Orchester bedeutet die Umstellung viel, weil sie die Werke zum Teil auswendig spielen. Jetzt werden sie aber wieder gezwungen, in die Noten zu gucken. Das macht es denen etwas unbequemer. Die Produktion profitiert jedoch von Hartmut Haenchens Stärke und Stringenz.

Und das in 26 Tagen!

Ja.

Meistens geht es im Vorfeld der Bayreuther Festspiele hoch her. Man hört oder liest von einem Konflikt, man bekommt den Eindruck, die Nerven lägen hier blank und der Druck sei enorm groß. Ist das so?

Bevor ich mit der Arbeit hier begonnen habe, habe ich die Leitung gefragt: "Machen Sie diese Skandale immer extra, damit Bayreuth im Gespräch bleibt?" "Nein, nein, nein, das machen wir nicht", kam die Antwort. Also hier machen es immer die anderen, und man selber hat gar nichts gemacht. Ich kann es mit einem gewissen Humor sehen. Es ist aber schade, wenn Dirigenten aus der Bahn fliegen, die toll sind und das eigentlich gut hätten machen können. Es ist sicherlich auch sehr schmerzvoll, wenn es den Sängern passiert - wie im vergangenen Jahr (Anmerkung d. Red.: 2015 verließ die Sopranistin Anja Kampe während der Proben das Ensemble). Ich bin heilfroh, dass wir hier unsere Besetzung zusammenhalten konnten und mit großer Freude miteinander gearbeitet haben. Wir sind also im Moment keine gebeutelte Menschen hier.

Hartmut Haenchen sprang kurzfristig als Dirigent ein - und brachte Sänger und Orchester zum SchwitzenBild: picture-alliance/dpa/M. Hiekel

Erzählen Sie uns bitte etwas aus der Werkstatt. Geben Sie ein Beispiel von der Interaktion zwischen Regisseur, Dirigent, Solisten und technischem Team.

Ich könnte natürlich sehr viel erzählen: von Skandälchen, die zwischendurch immer hochgegangen sind. Ich habe es aber bisher geschafft - wir müssen auf Holz klopfen -, dass wir das jetzt doch in Ruhe und großer Gemeinsamkeit auf die Bühne bringen. Die Produktionen laufen jedenfalls in Bayreuth anders. Alle, die hierherkommen, sind hundert Prozent vorbereitet und wissen, wie es geht. Das ist natürlich für einen Regisseur oder einen Dirigenten, der etwas Neues machen will, auch durchaus eine Belastung. Was mir auf den Wecker ging, ist, dass es hier Akustikexperten gibt, die dann sagen: "Wagner hat es so gemeint, und der Chor, die Sänger müssen da und da stehen, sonst sind sie nicht zu hören." Das ist meines Erachtens Unsinn, weil man die Stimmen hier immer deutlicher hört als bei jedem anderen Theater der Welt. Und wenn mir Leute sagen: "Das muss optisch so und so gemacht werden, damit die Akustik funktioniert", dann glaube ich das einfach nicht.

Hochgelobt: die letzte Bayreuther 'Parsifal'-Produktion von Regisseur Stephan HerheimBild: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath

Wo siedeln Sie Ihre Interpretation von 'Parsifal' an? Müssen Sie nicht irgendwie auf Interpretationen anderer Regisseure, vor allem in Bayreuth, reagieren?

Mich interessiert der Kern der Sache, in das Zentrum des Stücks vorzudringen.

Wo liegt denn der Kern?

Im Grunde genommen untersucht das Stück die christliche Religion. Es gibt die karitative, mitmenschliche Seite einerseits: Empathie, Mitleid, das Helfen-Wollen, was diese Gralsgesellschaft in "Parsifal" ausmacht. Es gibt dann auch die andere Seite: dieser gekreuzigte, gefolterte Blut-Gott und die Blutrituale - also auch welche, die durchaus mit kriegerischen Elementen zu tun haben. Wagner wollte in diesem Werk meines Erachtens das Gute und das Mysterium zeigen. Ich glaube, er wollte die Religion nicht vordergründig kritisieren, sondern erlebbar machen. Und das ist interessant in den Zeiten, in denen wir leben - wo die Religionen sich zum Teil gerade sehr radikalisieren. Oder wo es einen Papst Franziskus gibt, der versucht, von der Staatsform der Religion wieder wegzukommen und in das Barmherzige, das Mitmenschliche hervorzustoßen. Die Frage ist also zu allen Zeiten aktuell gewesen: Was machen die Religionen, wie lassen sie sich ideologisch missbrauchen? Und wofür stehen sie eigentlich ein?

Kurz vor der Premiere macht Laufenberg einen entspannten EindruckBild: picture alliance/APA/picturedesk.com/H. Neubauer

In dem fünfstündigen Werk "Parsifal" gibt es eigentlich wenig Handlung oder Aktion. Die Charaktere sind eher allegorische Figuren. Und dann dieses Happy End: Alle sind erlöst. Ist das Stück nicht doch sehr schwierig zu inszenieren?

Wenn Sie das also immer nur am Text entlang nehmen, ist "Parsifal" immer schwierig. Sie brauchen die Musik. Sie erzählt in Details so unendlich viel, dass Sie dem nachspüren müssen. So geht es auch mit dem Happy End. Wagner wusste, dass das sein letztes Werk sein würde. Und am Ende - die letzte Gralsenthüllung: Die Geigen gehen in die Höhe, die Tonarten bewegen sich in höhere und klarere Regionen, und das Ganze verweht wie in einem Nichts. Es ist wie ein letztes Ausatmen, ein Loslassen. Das ist die Utopie eines sterbenden Menschen, wenn Sie so wollen. Eine sehr schöne, heilvolle, friedliche Utopie.

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