Streit um Schädel-Rückgabe
3. August 2018Versöhnung haben Namibia und Deutschland dringend nötig. In den Beziehungen zwischen beiden Ländern knirscht es - allen offiziellen Beteuerungen zum Trotz. Die Regierungsverhandlungen über die Aufarbeitung des Völkermords in der Ex-Kolonie stecken fest, nach drei Jahren ist noch immer keine deutsche Entschuldigung in Sicht. Entsprechend groß ist der Frust in Namibias Öffentlichkeit. Die Bundesregierung wiederum fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und beteuert, dass es ihr nicht an gutem Willen mangelt. "Die namibischen Erwartungen sind deutlich höher als das, was Deutschland tun kann", klagte der deutscher Verhandlungsführer Ruprecht Polenz im März.
In diesem angespannten Klima soll die geplante Rückgabe menschlicher Gebeine helfen, die Gräben ein Stück weit zu überwinden. Bereits 2011 und 2014 hat Deutschland menschliche Gebeine an Namibia zurückgegeben. Mit Informationen zur geplanten Rückgabe Ende August halten sich alle Beteiligten noch zurück. Aus Kreisen der Zivilgesellschaft erfuhr die DW, dass es sich um die Gebeine von Opfern des Genozids an den Herero und Nama handeln soll. Sie sollen unter anderem aus den Beständen des Berliner Universitätsklinikums Charité stammen. Die Charité wollte sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt dazu nicht äußern.
Medien: Namibias Regierung fehlt das Geld für Reisekosten
Teil der Rückgabezeremonie soll ein Gedenkgottesdienst in der Friedrichstadtkirche am Berliner Gendarmenmarkt sein. Organisator ist die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), erste Einladungen sind bereits verschickt worden und liegen auch der DW vor. Die EKD hatte sich erst letztes Jahr mit einer Vergebungsbitte an die Öffentlichkeit gewandt. Zum Zeitpunkt des Genozids waren auch evangelische Missionare in das damalige "Deutsch-Südwestafrika" gekommen. Einige standen den Gräueltaten der deutschen Soldaten kritisch gegenüber, eine ganze Reihe aber unterstützte sie ausdrücklich.
Mit dem Gedenkgottesdienst leistet die EKD nun auch einen praktischen Beitrag zur Aussöhnung. In einem DW-Interview im vergangenen Jahr hatte Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber auch über die tausenden menschlichen Gebeine gesprochen, die noch immer in deutschen Museen und Archiven liegen. "Wenn man Afrika ein bisschen kennt und weiß, welche Bedeutung Ahnen haben, weiß man, welche unglaubliche Kränkung damit verbunden ist", sagte sie damals.
"Wir wollen eine würdige Rückführung der menschlichen Überreste nach Namibia" heißt es auf DW-Anfrage auch aus dem Auswärtigen Amt. Doch genau danach sieht es nicht aus. Denn der Streit um die Aufarbeitung des Genozids überschattet auch die geplante Zeremonie: Namibias Regierung fehlt laut einem Bericht der Wochenzeitung "Windhoek Observer" das Geld, um eine größere Delegation nach Berlin zu schicken. Das Auswärtige Amt soll die Lücke füllen. Man habe sich auf Wunsch der namibischen Regierung bereit erklärt, Reisekosten von Vertretern der besonders betroffenen Gemeinschaften zu übernehmen, heißt es dort. Damit wolle man ihre wichtige Rolle unterstreichen. Laut dem Observer-Bericht handelt es sich um 25 Personen.
Prominente Kritiker ausgeladen?
Doch eine Reihe prominenter Herero- und Nama-Vertreter kritisieren, dass sie nicht auf der Liste stehen. Zum Beispiel Vekuii Rukoro. Er gehört zu den hochrangigen traditionellen Herero-Führern, den sogenannten "Paramount-Chiefs". Während einige von ihnen die Verhandlungen zwischen Namibia und Deutschland unterstützen, ist Rukoro ein scharfer Kritiker. "Mein Name wurde ausgeschlossen, weil ich gegen Deutschland vor Gericht gezogen bin", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. 2017 hatte Rukoro gemeinsam mit anderen die Bundesregierung vor einem US-Gericht verklagt, um direkte Verhandlungen mit Deutschland und Entschädigungen zu erzwingen. Auch der Name von Ida Hoffmann, namibische Parlamentsabgeordnete und prominente Nama-Aktivistin, soll auf der Liste fehlen. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür nicht.
Auch auf DW-Anfrage will sich das Auswärtige Amt nicht zu Rukoros Anschuldigungen äußern. Ein möglicher Grund, warum Hoffmann und Rukoro auf der Liste fehlen könnten: Bei der Rückgabe der Gebeine 2011 war es fast zu Tumulten gekommen, als einige anwesende Herero und Nama während einer Rede der damaligen Staatsministerin Cornelia Pieper lautstark eine deutsche Entschuldigung für den Genozid forderten. Piper verließ die Zeremonie unmittelbar nach ihrem Redebeitrag. Eine Wiederholung dürften die Verantwortlichen aus beiden Ländern diesmal vermeiden wollen.
Verbündete von Rukoro und Hoffmann kritisieren das Verhalten der Verantwortlichen: "Eine solche Ausschlusspolitik der Bundesrepublik und der namibischen Regierung trägt alles andere als zur Versöhnung Deutschlands mit den bis heute massiv vom Genozid betroffenen Herero und Nama bei", kritisiert das Bündnis "Völkermord verjährt nicht", in dem sich verschiedene Nichtregierungsorganisationen zusammengeschlossen haben.
"Das damalige Deutsche Reich hat diese Gebeine hierher geholt, es ist Deutschlands Pflicht, sie wieder zurückzubringen. Dazu gehört es auch, für den Besuch der Delegation zu bezahlen", sagt Israel Kanautjike, ein in Berlin lebender Herero und Bündnis-Vertreter. Rukoro und die übrigen dabei nicht mit einzuschließen sei "Erpressung" sagt er zur DW. Möglich ist allerdings, dass sie auf eigene Kosten anreisen – und auch diesmal laut protestieren.