Völkerrecht: Bundesregierung sieht keinen Verstoß Israels
16. Juni 2025
Schaut man auf die deutschen Reaktionen auf den Angriff Israels auf den Iran, auch einige Tage später, kommt einem vieles bekannt vor: Mit Kritik an Israel hält sich die Regierung zurück, der Ton ist weit sanfter als der anderer europäischer Regierungen.
Am Sonntag, vor seinem Abflug zum G7-Gipfel in Kanada, gab Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) noch ein kurzes Statement zur Eskalation im Nahen Osten ab und sagte: "Israel hat das Recht, seine Existenz und die Sicherheit seiner Bürger zu verteidigen." Der Iran dürfe keine Atommacht werden, "das iranische Atomwaffenprogramm ist existenzielle Bedrohung für den Staat Israel."
Schon früh war dieser Ton gesetzt in Äußerungen deutscher Regierungsvertreter, am frühen Montagmorgen legte Norbert Röttgen, der Außenexperte der CDU-Bundestagsfraktion, nach. Er sagte im ARD-Fernsehen: "Es hätte verheerende Folgen, wenn Iran, ein Terrorregime nach innen und nach außen, Atommacht würde."
Und zwar, so Röttgen weiter, für die Sicherheit und Existenz Israels, für die gesamte Region des Nahen Ostens und auch für die gesamte Welt, also auch für Europa: "Wie lange soll man jetzt warten, bis die Atomwaffe in Teheran da ist?"
Aber auch der CDU-Außenexperte hat bemerkt, dass es in Deutschland längst eine Debatte darüber gibt, ob die israelischen Angriffe vom Völkerrecht gedeckt sind. Röttgen kleidete das in die komplizierte Wendung, es sei "unvermeidbar eine gewisse völkerrechtliche Grauzone, aber es ist eben auch ein Dilemma."
Hat Israel gegen das Völkerrecht verstoßen?
Anders sieht das der Völkerrechtler Dominik Steiger von der Technischen Universität in Dresden. Er sagte im "Zweiten Deutschen Fernsehen" (ZDF), dass zwar klar sei, dass der Iran sein Atomprogramm in den vergangenen Jahren massiv vorangetrieben habe.
Doch das Völkerrecht verlange eine unmittelbar bevorstehende Gefahr, um einen Präventivschlag wie den der Israelis vom Freitag zu rechtfertigen. Steiger weiter: "Völkerrechtlich ist die Situation glasklar: Hier war die Gefahr noch zu abstrakt, Israel hätte also nicht angreifen dürfen."
Wenn das die Regierung auch so sieht, sagt sie es im Moment jedenfalls nicht offen. Am Montag wählte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Christian Wagner, in der Regierungspressekonferenz in Berlin folgende Formulierung: "Es ist einfach sehr schwer für uns, von dieser Stelle aus eine völkerrechtliche Einschätzung zu treffen. Auch, weil wir keine Informationen haben, die wir hier mit Ihnen teilen können."
Evakuierung aus Israel zur Zeit extrem schwierig
Wagner nahm dann auch Stellung zur Situation der deutschen Staatsbürger, die sich noch in Israel aufhalten. Der Luftraum über Israel ist gesperrt. Möglichkeiten, das Land über den Landweg zu verlassen, sind begrenzt und gefährlich. Wagner wurde gefragt, warum Deutschland nicht wie Polen für seine Bürgerinnen und Bürger Konvois organisiert habe, um nach Jordanien zu gelangen.
Wagner verwies darauf, dass es dazu zu viele Staatsbürger in Israel gebe. Noch am Freitag hatte er die Zahl derjenigen, die sich bei der dortigen Botschaft gemeldet hätten, mit 3500 beziffert, jetzt seien es bereits 4000. Im Iran wurde die Zahl der deutschen Staatsbürger mit 1000 angegeben.
Deutsche Regierung von Angriffen überrascht
Noch am Freitag war die Debatte in Deutschland von der Frage bestimmt, wann genau die Bundesregierung von den Israelis von dem bevorstehenden Angriff erfahren hatte. Fest steht, dass Kanzler Merz in der Nacht auf Samstag vom israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu unterrichtet wurde, aber offenbar erst, als die Attacke bereits begonnen hatte.
Auch der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) wurde von der Entwicklung in Ägypten überrascht. Eigentlich wollte er am Wochenende auch Israel besuchen, dazu kam es dann nicht mehr. Unvermittelt fand sich der deutsche Minister aber plötzlich in der Situation, der einzige westliche Regierungsvertreter auf Reise in der Region zu sein, seit die Angriffe begannen.
DW-Korrespondentin Giulia Saudelli hat Wadephul auf seiner Reise begleitet und schildert ihre Eindrücke: "Schwer vorstellbar, dass Wadephul nicht überrascht war, als er am frühen Freitagmorgen geweckt wurde, wenige Stunden nach der Landung in Kairo. Und zwar von einem Anruf seines israelischen Kollegen."
Wadephul berichtete dann, er sei als einer der ersten nach Beginn der Angriffe unterrichtet worden. Giulia Saudelli: "Es war schon ein Signal an die Partner in der Region, dass sich Wadephul entschied, in der Region zu bleiben, anstatt gleich nach Berlin zurückzufliegen. Obwohl die Stopps im Libanon, in Jordanien und in Israel abgesagt wurden."
Am Montag legte der deutsche Außenminister aus Oman kommend einen Tank-Stopp auf Zypern ein und flog dann weiter nach Berlin. Zuvor schon hatte er erklärt, dass der Iran endlich von einer atomaren Bewaffnung Abstand nehmen müsse. Dann seien auch wieder Gespräche zwischen Israel und dem Iran möglich: "Wenn das jetzt erfolgt von iranischer Seite, dann gibt es eine realistische Chance und die müssen wir gemeinsam nutzen."
Keine deutsche Beteiligung bei Angriffen auf den Iran
Beim Thema der militärischen Eskalation zwischen Israel und dem Iran ist von deutscher Seite also kaum Kritik an der Regierung von Benjamin Netanjahu zu hören. Anders als in den vergangenen Wochen, wenn es um den Krieg im Gaza-Streifen ging. Dazu hatte Bundeskanzler Merz Ende Mai gesagt: "Das, was die israelische Armee im Gaza-Streifen macht: Ich verstehe offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel."
Am Wochenende wollten die Journalisten in Berlin wissen, ob Deutschland den befreundeten Israelis in irgendeiner Form bei den Angriffen auf den Iran geholfen habe. Merz hatte dazu am Sonntag gesagt, Israel habe Deutschland lediglich gebeten, Feuerlöschmittel zu Verfügung zu stellen.
Und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beteuerte im ARD-Fernsehen, es habe keinerlei Anfragen in diese Richtung gegeben: "Ich wüsste auch nicht, in welcher Form wir uns aktiv an diesem Konflikt beteiligen sollten oder dürfen."