Vage Aussicht auf Frieden im Kongo
9. Dezember 2022Seit Jahrzehnten schwelt der blutige Konflikt um Macht und Zugang zu den reichhaltigen Rohstoffen im Ostkongo. Eine Konferenz für ein Ende der Gewalt ging in dieser Woche in der kenianischen Hauptstadt Nairobi zu Ende. Am Verhandlungstisch saßen Vertreter der Regierung der Demokratischen Republik Kongo und bewaffneter Milizen. Die Leitung hatte der ehemalige kenianische Präsident Uhuru Kenyatta. Am Ende stand ein vielversprechender Neun-Punkte-Plan. Allerdings fehlte die wichtigste Gruppe bei den Verhandlungen: Mitglieder der "Bewegung des 23. März", die M23-Rebellen blieben fern.
Dennoch kündigte diese Rebellengruppe überraschend am Mittwoch, einen Tag nach Ende der Gespräche, ihre Bereitschaft an, aus besetzten Gebieten in Nord-Kivu im Ostkongo abzuziehen. Dort flammten während der Friedensverhandlungen wieder Kämpfe der M23-Rebellen auf, obwohl sich beide Seiten Ende November auf einen Waffenstillstand geeinigt hatten. Den Rebellen werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Laut einem aktuellen Bericht der UN-Friedensmission der MONUSCO töteten M23-Kämpfer in Nord-Kivu 131 Menschen.
Klima anhaltender Gewalt
Das Massaker in den Orten Kishishe und Bambo sei laut UN Teil einer Vergeltungsaktion gewesen. Zehntausende seien in den vergangenen Wochen vor den Kämpfen geflohen. Kongos Industrieminister und früherer Gouverneur in Nord-Kivu, Julien Paluku, ließ sich im DW-Interview dazu hinreißen, sogar von einem "geplanten Völkermord" auf kongolesischem Boden zu sprechen.
Dieser jüngste Konflikt im Ostkongo löste eine diplomatische Krise zwischen der Demokratischen Republik Kongo und dem östlichen Nachbarland Ruanda aus. Denn die M23-Rebellen werden nach Informationen der Vereinten Nationen von Ruanda unterstützt - ein Vorwurf, den die Regierung in Kigali zurückweist.
In diesem Klima anhaltender Gewalt endete jetzt der Friedensdialog von Nairobi, dem zweiten Versuch innerhalb weniger Wochen, den Konflikt zu entschärfen. Trotz des Neun-Punkte-Plans blieb das Ergebnis auch dieses Mal vage: Die einzige konkrete Vereinbarung war, den Dialogs zwischen der kongolesischen Regierung und den lokalen Gemeinschaften fortzusetzen. Hauptvermittler Kenyatta zeigte sich dennoch optimistisch, dass ein Beginn des Friedens im Kongo bevorstehe.
Ist das Friedensangebot der Rebellen und die Fortführung von Gesprächen bloße Rhetorik? Mit großer Skepsis erinnert Alex Vines, Afrika-Programmleiter in der Londoner Denkfabrik Chatham House, an die vorherige in Angola organisierte Friedensrunde: "Der Kongo-Frieden war Teil eines Prozesses, der im Jahr 2022 sehr holprig verlief", sagte Vines der Deutschen Welle.
Kein Frieden in Sicht
Bei dem sogenannten "Luanda-Friedensprozess" im November sollten die Demokratische Republik Kongo und Ruanda unter angolanischer Aufsicht zusammengebracht werden. "Damit verbunden war die Forderung nach einem Waffenstillstand, der nicht funktioniert hat", betont Alex Vines.
Der Londoner Experte sieht den jetzigen "Nairobi-Prozess" ebenfalls als nicht sehr erfolgversprechend an. "Ich rechne hier also mit viel Unruhe und Unstimmigkeiten", sagt Vines. Er habe gedacht, so der Analyst, es liege im Interesse der DRK, Ruandas und der ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), eine Einigung zu erzielen. "Die DRK ist jetzt Teil der EAC, aber die Politik ist sehr vergiftet, und deshalb bin ich nicht optimistisch, dass sich die Sicherheitslage im Kongo verbessern wird", bilanziert Vines.
Krise könnte Wahlen verzögern
In dem jahrzehntelangen Ostkongo-Konflikt gilt die M23-Miliz als die schlagkräftigste Gruppe. Ihren Ursprung hat die Miliz in der Zeit des Genozids im Nachbarland Ruanda 1994. Damals wurde die von Tutsis geführte Rebellengruppe von den Truppen des heutigen ruandischen Präsidenten Paul Kagame ausgerüstet, um Hutu-Milizen zu verfolgen, die nach ihren Gräueltaten an der Tutsi-Bevölkerung in Ruanda in den Ostkongo geflüchtet waren.
Kagame wirft nun seinem kongolesischen Kollegen Felix Tshisekedi vor, aktuell kein Interesse an einem Frieden in der Region zu haben. Tshisekedi würde die Krise im Osten der DRK nutzen, behauptet Kagame, um die dort für 2023 geplanten Wahlen zu verzögern. Felix Tshisekedi übernahm 2019 in der DRK das Amt von seinem langjährigen Vorgänger Joseph Kabila. Es wird erwartet, dass Tshisekedi am 20. Dezember 2023 erneut zur Wahl antritt und dann von Oppositionspolitiker Martin Fayulu herausgefordert wird, der im Land als populär gilt.
Der verbale Schlagabtausch zwischen den Präsidenten Kagame und Tshisekedi könnte zu einer militärischen Konfrontation zwischen beiden Ländern führen, befürchtet Bob Kabamba, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Lüttich in Belgien.
Krieg zwischen Ruanda und Kongo?
Sowohl der ruandische als auch der kongolesische Präsident versuchten sich in ihren Ländern auf Kosten des anderen in der Öffentlichkeit zu profilieren. "Es ist zu befürchten, dass sich diese Art von Reden immer weiter steigern und es jedes Mal eine Art Ping-Pong-Spiel ist, das eskalieren und zu einer direkten militärischen Konfrontation führen kann", sagte Kabamba der DW. "Dann würde man nicht mehr über Stellvertreter wie die M23 gehen, sondern von einem zwischenstaatlichen Krieg sprechen."