Vampire an der Nordsee: Blut an den Lippen
16. Juli 2013Wo sich heute vornehmlich Touristen tummeln, inszenierte Regisseur Harry Kümel zu Beginn der 1970er Jahre einen Reigen um weibliche Blutsauger vor prächtiger Meereskulisse. In Ostende an der Nordssee versammelt er nur ein paar wenige Charaktere, um sein Spiel aus weiblichem Aufstand und männlicher Schwäche an eindrucksvollen Schauplätzen in Szene zu setzen.
Ein junges Paar macht Ferien in einem pompösen Luxushotel am Meer. Es ist keine Saison, so dass außer dem Portier zunächst kein Mensch das junge Liebesglück stört. Dann taucht plötzlich ein geheimnisvolles Pärchen auf, eine charismatische ältere Blondine samt jüngerer Gespielin. Die ebenso vornehme wie sinnliche Dame entpuppt sich als Gräfin Elizabeth Bathory mit alten ungarischen Wurzeln und als blutgierige Vampirin auf der Suche nach frischen Opfern.
"Blut an den Lippen" des belgischen Regisseurs Harry Kümel ist ein Film, dem man seine Entstehungszeit unbedingt ansieht. Er ist in poppig grellen Farben der Zeit inszeniert, die Darsteller tragen die Mode der Siebziger. Doch vor allem ist der Film ein frühes Fanal des Feminismus. Wer hier die Hosen anhat, ist klar: Die Frauen saugen den Männern buchstäblich das Blut aus den Körpern.
"Blut an den Lippen", der jetzt vom Anbieter "Bildstörung" auf DVD und BluRay wiederveröffentlicht wurde, ist eine ebenso bizarre wie unterhaltsame Variation des Dracula-Genres. Gleichzeitig zeigt Kümels poppiges Opus einmal mehr, wie der Vampirfilm schon immer zum Träger gesellschaftlicher Zeitströmungen genutzt wurde.
Harry Kümel: Blut an den Lippen, Belgien 1971, 96 Minuten, mit Delphine Seyrig, Danielle Ouimet, John Karlen, Andrea Rau u.a., erschienen beim Anbieter Bildstörung.