Papst Franziskus ist tot
21. April 2025
Das Oberhaupt von weltweit 1,4 Milliarden Katholiken starb am Ostermontag im Alter von 88 Jahren, wie der Vatikan mitteilte. Der Argentinier stand seit 2013 an der Spitze der katholischen Kirche.
Er war der erste Papst aus Lateinamerika, der erste Jesuit an der Spitze der katholischen Kirche. Und nie zuvor wählte ein Kirchenoberhaupt diesen programmatischen Namen: Franziskus. Denn Franziskus - das erinnerte an den Heiligen Franz von Assisi (1182-1226).
Dieser Kaufmannssohn schwor jedem Reichtum ab, fühlte sich von Jesus zu einem Leben in radikaler Armut berufen und gründete in diesem Sinne den Franziskaner-Orden. Der Papstname Franziskus klingt also nicht nach dem Prunk vatikanischer Paläste, nicht nach der Rolle eines Kirchen- und Staatsoberhaupts.
Für den Argentinier Jorge Mario Bergoglio, den die Kardinäle 2013 zum Papst wählten, war seine Namenswahl programmatisch: Wie kein Papst vor ihm trat er für Flüchtlinge und Obdachlose ein und stritt für den Schutz von Schöpfung und Klima. Damit beeindruckte er die Welt. Dabei litt er zuletzt spürbar an seinen schwindenden Kräften im Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit. Nun ist er nach gut zwölf Jahren im Amt verstorben. Mit 88 Jahren wurde er älter als die meisten seiner Vorgänger.
Als Papst Benedikt XVI. im Februar 2013 überraschend zurücktrat, galt der damals 76-jährige Bergoglio kaum als einer der Favoriten für die Nachfolge. Dabei war der Erzbischof von Buenos Aires, Nachfahre italienischer Einwanderer, im Konklave 2005 bereits einer der Kandidaten neben Joseph Ratzinger, welcher dann gewählt wurde und den Namen Benedikt annahm.
Eine Brandrede
Doch vor der Papstwahl 2013 ergriff Bergoglio in einem in dieser Form erstmaligen "Vorkonklave", bei dem sich die Kardinäle über den Zustand der Kirche austauschen wollten, das Wort. Wochen später wurde diese "Brandrede" bekannt. Da mahnte er "kühne Redefreiheit" in der Kirche an, die aus sich selbst heraus und "an die Ränder" gehen müsse. Die Kirche dürfe nicht um sich selbst kreisen. Worte, die man von einem Kardinal so nicht gewohnt war. Erst recht nicht von jemandem, der dann Papst wird.
Die Kraft dieser Rede war noch in dem Wim-Wenders-Film "Papst Franziskus - ein Mann seines Wortes" von 2018 zu spüren. Auch dort warb das Kirchenoberhaupt für einen Aufbruch der Kirche und für die Nähe zu den Menschen am Rande.
All das entsprach seinem Auftreten. Franziskus zog - anders als seine Vorgänger seit Jahrhunderten - nicht in den sogenannten Apostolischen Palast, der wie die Residenz eines Herrschers hoch über dem Petersplatz thront und Vergangenheit ausstrahlt. Stattdessen logierte er in der gesamten Zeit seines Pontifikats in zwei Zimmern des vatikanischen Gästehauses. Dort speiste er im selben Saal, in dem auch Mitarbeiter oder Gäste mit einem einfachen Büfett versorgt wurden. In seiner Anfang 2025 weltweit erschienenen Autobiografie "Hoffe" machte Franziskus sehr deutlich, wie fremd ihm der Palast erschien, wie geradezu lebenswichtig für ihn das Leben mit anderen im Gästehaus war.
Der Papst geht zu Fuß
Franziskus herzte Menschen, lachte. Bis er immer häufiger den Rollstuhl brauchte, ging er zu Sitzungen zu Fuß, allein, mit einer alten Aktentasche in der Hand. Gelegentlich rief er per Telefon ihm völlig unbekannte Menschen an, die in Trauer oder Verzweiflung waren, plauderte mit ihnen, sprach den überraschten Gesprächspartnern frommen Trost zu. Von Anfang an beendete der Papst "vom Ende der Welt", wie er sich bei seinem ersten Auftritt vorgestellt hatte, seinen sonntäglichen Gruß an die auf dem Petersplatz versammelten Beter mit einem "Vergesst nicht, für mich zu beten. Guten Appetit!". Und in Rom wie auf Auslandsreisen nutzte er als Fahrzeug meist Kleinwagen.
Seine erste Reise führte ihn in den Süden Italiens. Franziskus trauerte vor der Küste der Mittelmeerinsel Lampedusa um die vielen auf dem Weg nach Europa ertrunkenen Flüchtlinge. Mit Menschen, die auf dem kleinen Eiland Zuflucht gefunden hatten, feierte er die Messe. "Die Wohlstandskultur, die uns dazu bringt, an uns selbst zu denken, macht uns unempfindlich gegen die Schreie der anderen", sagte er. Und dann beklagte er - ein prägendes Wort dieses Pontifikats - die "Globalisierung der Gleichgültigkeit" in dieser "Welt der Globalisierung".
Immer wieder zeigte sich Franziskus als Globalisierungs- und oftmals auch harscher Kapitalismuskritiker: "Wir haben neue Götzen geschaffen. Die Anbetung des antiken Goldenen Kalbs…hat eine neue und erbarmungslose Form gefunden im Fetischismus des Geldes und in der Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und ohne ein wirklich menschliches Ziel", schrieb er im November 2013 in seinem ersten Lehrschreiben.
Mahnungen an die Europäer, an die Welt
In seinen ersten Jahren hielt er seine stärksten politischen Reden, trat als Anwalt der Armen und des globalen Südens auf: 2014 vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, 2015 vor dem US-Kongress in Washington und den Vereinten Nationen in New York. Franziskus sprach von einem "etwas gealterten und erdrückten Europa", von "Wegwerf-Kultur" und einem "hemmungslosen Konsumismus". Europa solle sich wieder engagieren für den Frieden und die Menschenwürde aller.
"Gleichermaßen ist es notwendig, gemeinsam das Migrationsproblem anzugehen", mahnte er die Europäer im November 2014 im Straßburger Europaparlament. "Man kann nicht hinnehmen, dass das Mittelmeer zu einem großen Friedhof wird! Auf den Kähnen, die täglich an den europäischen Küsten landen, sind Männer und Frauen, die Aufnahme und Hilfe brauchen. Das Fehlen gegenseitiger Unterstützung innerhalb der Europäischen Union läuft Gefahr, partikularistische Lösungen des Problems anzuregen, welche die Menschenwürde der Einwanderer nicht berücksichtigen und Sklavenarbeit sowie ständige soziale Spannungen begünstigen."
Und gut ein Jahr später klagte Franziskus erneut die Weltverantwortung der führenden reichen Länder an: "Die wirtschaftliche und soziale Ausschließung ist eine völlige Verweigerung der menschlichen Brüderlichkeit und ein äußerst schwerer Angriff auf die Menschenrechte und auf die Umwelt. Die Ärmsten sind diejenigen, die am meisten unter diesen Angriffen leiden, und zwar aus dreifachem schwerem Grund: Sie sind von der Gesellschaft 'weggeworfen', sind zugleich gezwungen, von Weggeworfenem zu leben, und müssen zu Unrecht die Folgen des Missbrauchs der Umwelt erleiden. Diese Phänomene bilden die heute so verbreitete und unbewusst gefestigte 'Wegwerf-Kultur'."
Auch vor den UN beklagte der Papst die "Wegwerf-Kultur", die die Ärmsten am härtesten treffe, und mahnte die Weltgemeinschaft zu schnellen Reformen und mehr Engagement in der Entwicklungshilfe sowie beim Klimaschutz. Aber Franziskus war eben auch Kirchenoberhaupt in Zeiten, in denen sich Nationalismus und die Absage an Multilateralismus und Dialoge ausbreiteten, in denen Populismus in der Weltpolitik erstarkte. Schon früh sprach er davon, die Welt befinde sich in einem "Dritten Weltkrieg". Und der russische Krieg gegen die Ukraine, der Terror der Hamas gegen Israel und die folgende Auseinandersetzung ließen ihn flehentliche Appelle formulieren. Konkrete Verantwortliche, Schuldige benannte er dabei selten.
Dabei war er ein meist lächelnder Mahner. Mancher der Herrschenden wollte vielleicht aus politischen Gründen ein Foto mit dem Kirchenmann, überhörte aber dessen Worte. Ähnlich ging es Franziskus mit seiner Enzyklika "Laudato Si" von 2015. Dieses große Lehrschreiben für die Bewahrung der Schöpfung liest sich wie eine politische Anklageschrift - wurde aber nur selten erhört. Je länger er im Amt war, um so ungeduldiger klang er. Gerade für Europa hatte er gelegentlich Worte übrig, aus denen Geringschätzung sprach.
Reisen zu den Armen
Die wichtigeren seiner 47 Auslandsreisen führten nach Asien, Afrika, Lateinamerika, Arabien. Dabei ging er - wie beim Besuch in Bangui in der Zentralafrikanischen Republik 2015 oder im Irak 2021 - auch persönliche Risiken ein. Stets suchte Franziskus die Nähe zu den Armen, stoppte in Slums, lud die Menschen ein. Europa? Seine Ziele dort lagen eher am Rande des reichen Kontinents, in Albanien zum Beispiel oder Rumänien. China und Russland, die noch kein Papst besuchte, blieben auch für den 266. Bischof von Rom unbereistes Land.
Dabei war sein Blick nach Russland so spürbar. Drei Mal - 2013, 2015 und 2019 - empfing er den russischen Präsidenten Putin. Er traf 2016 in Havanna den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I., den linientreuen Popen des Kreml. Und als seit Februar 2022 Russland die Ukraine überfiel und tausende Zivilisten ermordete, vermissten Beobachter lange Zeit ein kritisches, direkt an Russland gerichtetes Wort des Papstes. Auf viele Menschen wirkte das irritierend. Er nannte Kyrill "Staatskleriker" und hoffte doch, ihn zum Verbündeten gegen den Krieg und Hass zu gewinnen - vergeblich. Immer wieder bot Franziskus an, nach Kiew und Moskau zu reisen.
Innerkirchlich wurde der Jesuitenpapst mit Erwartungen überhäuft. Denn vor ihm hatte die Kirchenleitung über Jahrzehnte einen konservativen, ja reaktionären Kurs gesteuert und die Zentralisierung verstärkt.
Wer auf konkrete lehramtliche Veränderungen hoffte, wurde von Franziskus enttäuscht. Aber er ließ Debatten und offene Worte wieder zu: Die Synoden im Vatikan, diese über Wochen dauernden großen Aussprachen, waren vor Franziskus langweilige Sitzungstage mit Verlesung vorgefertigter Manuskripte.
Nun wechselte der Stil. Zu Themen wie Familie (2014, 2015) und Jugend (2018) gab es offene, kontroverse Aussprachen. Franziskus hörte sich vieles an und kam in späteren Reden darauf zurück. Die Amazonas-Synode 2019 wurde zur Anklage gegen Ausbeutung der Natur und Missachtung der Indigenen. Er wollte, dass die Kirche entschiedener an der Seite der Leidenden stand.
Sein großes Projekt aber war die Synode über eine synodale, also dialogfähige Kirche. Sie startete 2021 mit Beratungen in aller Welt und dauerte bis zum vierwöchigen Abschluss im Herbst 2024 im Vatikan. Der Papst übernahm das Schlussdokument dieser Synode in einem beispiellosen Schritt als eigenes Dokument, ohne ein Wort anders zu formulieren.
Gerade in Deutschland sorgte die Schroffheit, mit der Franziskus über den 2020 gestarteten "Synodalen Weg" der von Missbrauchsskandalen und unglaubwürdigen Bischöfen erschütterten Kirche urteilte, für Enttäuschung. Mehrfach brachte er dabei abwertende Bezüge zur evangelischen Kirche, die nicht gut ankamen.
Aber Änderungen an kirchlicher Lehre und Lehrmeinung? Franziskus scherzte mit Frauen, die sich von ihrer Kirche ausgeschlossen fühlten, begegnete Homosexuellen, die unter der Kirche litten. Immer gab der Papst den Seelsorger, den obersten Pfarrer der Welt. Und er gab ihn beeindruckend. Aber Änderungen bei heißen Eisen wie Zölibat, wie der Weihe von Diakoninnen kamen nie ernsthaft ins Gespräch.
Zumindest die Rolle von Laien stärkte Franziskus. Das gehörte auch zur großen Reform der Kurie, dem Apparat des Vatikan, die 2023 in Kraft trat und die Regierung des Papstes neu aufstellte. Und an der Spitze mehrerer vatikanischer Ministerien, der sogenannten Dikasterien, stehen nun Ordensfrauen statt - wie bislang üblich - ältere Kardinäle.
Während seiner gesamten Amtszeit hatte der Argentinier mit Fällen von sexuellem Missbrauch in weiten Teilen der Weltkirche und immer wieder mit Klüngel und Intrigen im Vatikan und seinem Apparat zu tun. Und Franziskus, der manches Mal lautstark "Null Toleranz" bei Missbrauch und dessen Vertuschung beschwor, enttäuschte in Deutschland und Europa dann doch mit mancher Entscheidung. Die systematische Aufarbeitung in einer Reihe von Diözesen enthüllte immer neue Verantwortlichkeiten von Bischöfen, ja, Schuld. Aber Franziskus zog erst in seinen letzten Jahren häufiger personelle Konsequenzen.
Nähe zu Juden, zu Muslimen
Als ein Vermächtnis wird sein Umgang mit Juden und Muslimen bleiben. Selbst als Papst stellte sich Franziskus gern als "Bruder Bischof" vor. So begegnete der Argentinier, der zu seinem engen Freundeskreis auch den Rabbiner von Buenos Aires zählte, auch Repräsentanten der anderen monotheistischen Religionen. Als erster Papst besuchte Franziskus die Arabische Halbinsel.
In Abu Dhabi unterzeichnete er 2019 ein Grundsatzdokument mit muslimischen Spitzenvertretern und Repräsentanten anderer Kirchen. Und im März 2021 reiste er in den Irak und warb bei Schiiten für Dialog und Geschwisterlichkeit der Religionen. Je länger Franziskus im Amt war, desto intensiver wurden seine Bemühungen um Kontakte zum Islam.
Dass aus gut zehn Reisen in die islamisch geprägte Welt kein größerer Schwung für eine weitere Annäherung entstand, war auch der Corona-Pandemie geschuldet, die mehrere Jahre seines Pontifikats überschattete.
Zudem kamen seit Mitte 2021 mehr und mehr Spekulationen über ein Ende des Pontifikats auf. Damals musste sich Franziskus, 84-jährig, einer Darm-Operation unterziehen und kürzertreten. Ab 2022 kämpfte er sichtlich mit Knieproblemen und starken Schmerzen. Immer häufiger kam der Pontifex im Rollstuhl zu offiziellen Terminen. Ende März 2023 dann brachte ihn - was der Vatikan zunächst mit falschen Angaben verschleierte - eine Ambulanz angesichts einer akuten Entzündung der Atemwege in die Gemelli-Klinik. Drei Monate später folgte eine weitere Darmoperation unter Vollnarkose. Mehrmals warfen langwierige grippale Infekte seine Planungen durcheinander. Auch ein Auftritt bei der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai Ende 2023, der ihm so am Herzen lag, fiel der geschwächten Gesundheit zum Opfer.
Urbi et orbi
Die letzte Etappe seines Pontifikats begann, als Franziskus Mitte Februar 2025 überraschend in die Gemelli-Klinik kam und dort 38 Tage blieb. Eine Lungenentzündung, Nierenprobleme, weitere organische Herausforderungen. Zwei Mal, so berichteten die Ärzte im Nachhinein, schwebte er in Lebensgefahr.
Als er dann am 23. März in den Vatikan zurückkehrte, blieb er gesundheitlich geschwächt und gefährdet und lebte zurückgezogen in seinem Domizil. Er ließ es sich trotz seiner Schwäche und der verordneten Ruhe aber nicht nehmen, selbst den Ostersegen zu den begeisterten Gläubigen zu sprechen - nur Stunden vor seinem Tod.
Nach dem Tod seines Vorgängers Benedikt hatte Franziskus über den Rahmen der Verabschiedung und Beisetzung eines verstorbenen Papstes nachgedacht; so wird es für ihn einen schlichteren Rahmen geben als bei anderen Päpsten, die im Amt starben. Und er möchte sein Grab nicht im Petersdom haben, sondern in der größten Marienkirche Roms, in Santa Maria Maggiore.
Je älter er wurde, je stärker die Folgen der Corona-Pandemie spürbar wurden, je gespaltener die von Konflikten geprägte Welt erschien, desto mehr wurde dieser Papst zum Mahner. Franziskus allein auf dem dunklen, regnerischen Petersplatz, seinen Gott schier anflehend angesichts des weltweiten Leids - diese Szene vor Ostern 2020 bleibt eines der eindrücklichsten Bilder seines Pontifikats.
Ein neues Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche muss nun von den wahlberechtigten Kardinälen im Konklave auserkoren werden, also hinter verschlossenen Türen.