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Veit Harlan im Kino

24. April 2009

Er galt als Propagandafilmer der Nazis. Veit Harlan drehte einige der abscheulichsten NS-Streifen der Zeit, unter anderem im Jahre 1940 "Jud Süß". Jetzt ist ein Dokumentarfilm über ihn und seine Familie entstanden.

Das Original-Filmplakat von "Jud Süss"
Dämonische Fratze: historisches Filmplakat

Der Name von Veit Harlan, Filmregisseur in Diensten von Joseph Goebbels, ist vor allem mit "Jud Süß" verbunden, dem schändlichsten antisemitischen Spielfilm der NS-Zeit, den europaweit damals 20 Millionen Menschen sahen. Der Münchener Historiker Felix Moeller erzählt in seiner Dokumentation "Harlan-Im Schatten von Jud Süß" die Geschichte dieses schillernden und umstrittenen Regisseurs, dessen Filme die Mentalität unzähliger Zuschauer prägten und Cineasten und Kritiker gleichermaßen spalteten. In Venedig gewann "Jud Süß" 1940 den Goldenen Löwen, sogar "Blow up"-Regisseur Michelangelo Antonioni sprach damals von einem Meisterwerk.

Blick auf die Harlan-Familie

Mit erstmalig veröffentlichtem Material aus dem Familienarchiv dokumentiert "Harlan-Im Schatten von Jud Süß" in erster Linie das Schicksal der Harlan-Familie in der Nachkriegszeit. "Jud Süß" strotzte nur so von judenfeindlichen Dialogen. Der Dokumentarfilm fragt nun: Wie geht die Gesellschaft mit dem Erbe des Nationalsozialismus in heutigen Zeiten um? Inwiefern können oder sollen jüngere Generationen Verantwortung übernehmen für die Schandtaten ihrer Väter und Großväter?

Veit HarlanBild: pa / dpa

Es sind solche Fragen, die den Münchener Historiker Felix Moeller bewegen: "Ich habe ein Buch geschrieben über Goebbels, den Filmminister im Dritten Reich, wo Veit Harlan auch immer wieder aufgetaucht ist, als Regisseur in Goebbels Diensten. Bei der Recherche hat mich immer interessiert, dass dieser Film 'Jud Süß' noch nach 70 Jahren verboten, nicht vorführbar ist. Ein richtiger Mythos. Wie geht man nun heute damit um, wenn man den Namen Harlan trägt?"

Zwischen Ekel und Scham

Deshalb konzentrierte Moeller sich in seiner Dokumentation vordringlich auf die weitverzweigte Familie Veit Harlans. Söhne, Töchter, Enkel, Nichten und Neffen - sie alle bewerten im Film erstaunlich offen und unbefangen die Schuld des "Jud Süß"-Regisseurs und die daraus resultierenden Konsequenzen für ihr eigenes Leben: Frustriert, angewidert, ratlos oder auch verdutzt, zerrissen zwischen Vaterliebe, Scham, schmerzhaften Erinnerungen und totaler Abwehr.

Als sie ihren späteren Ehemann Stanley Kubrick ihrer Familie vorstellte, musste der erst einmal einen Wodka herunter spülen, berichtet Nichte Christiane. Tochter Maria heiratete einen jüdischen Schauspielkollegen, dessen Vater im KZ gestorben worden war: "Ich habe gedacht, ich tu´ ein gutes Werk. Aber das war ganz, ganz verkehrt. Nichts konnte ich ändern, und mein Gefühl, etwas gut zu machen, was unter anderem auch mein Vater mitverursacht hatte, das ist mir überhaupt nicht gelungen."

Härtester Kritiker: Sohn Thomas Harlan

Größter Kritiker seines Vaters ist der älteste Sohn Thomas Harlan, der sich als politischer Aktivist und Filmemacher bemühte, anstelle seines Vaters Schuld anzunehmen und Versöhnungsarbeit zu leisten. Thomas Harlan im Film: "Wenn man einmal gesehen hat, dass das, was du produzierst durch deine Arbeit zu einem Mordinstrument wird, ist es sehr schwer zu sagen, ich hab einen Beruf und mach’ weiter Filme."

Dagegen lehnt es Sohn Kristian ab, sich öffentlich mit der Nazi-Vergangenheit seines Vaters auseinanderzusetzen. Durch die ganze Familie geht ein Riss. Wie Tochter Maria, die in den Nachkriegsjahren den Mädchennamen ihrer Mutter Körber annahm, um ihre Existenz als Schauspielerin nicht zu gefährden, erfuhr auch Regisseur Felix Moeller, wie belastet allein der Name Harlan ist.

Anderer Umgang der nachwachsenden Generationen

Konnte auch noch nach dem Krieg arbeiten: Veit HarlanBild: AP


Besonders schmerzhaft lastet die Vergangenheit auf der Enkelin Jessica Jacoby, deren anderer jüdischer Großvater von den Nazis ermordet wurde. Ihre Cousinen Lotte, Nele und Lena sehen "Jud Süß" während der Dreharbeiten an der Dokumentation zum ersten Mal und wundern sich, was an diesem Film eigentlich so schlimm sein soll. Moeller dazu: "Ich kann mir vorstellen, dass in der heutigen jungen Generation die Bösartigkeit von 'Jud Süß' auch gar nicht so erkannt werden kann. Denn was es seitdem alles gegeben hat oder im Internet kursiert, da wirkt es (der Film 'Jud Süß') natürlich als Historienfilm antiquiert und überholt."

So ist die Dokumentation "Harlan-Im Schatten von Jud Süß" vor allem sehenswert wegen der darin gewährten tiefen Einblicke in die Geschichte einer deutschen Familie.

Autorin: Kerstin Liese

Redaktion: Jochen Kürten