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Politik

Venezuela: Manöver mitten im Machtkampf

Evan Romero-Castillo
9. Februar 2019

Die bevorstehende Militärübung soll die Feuerkraft der venezolanischen Streitkräfte demonstrieren. Doch wen will Staatschef Maduro damit eigentlich beeindrucken: die USA, Kolumbien oder doch eher Venezuelas Bevölkerung?

Venezuela Symbolbild Spannungen mit Kolumbien
Bild: picture-alliance/Photoshot/Str

Die venezolanischen Streitkräfte werden zwischen dem 10. und 15. Februar umfangreiche Übungen durchführen. Es sollen die "wichtigsten Manöver in der Geschichte Venezuelas" sein, sagte der amtierende Präsident Nicolás Maduro, als er die Übungen am 27. Januar ankündigte. Bei der Gelegenheit beschuldigte Maduro die Regierung des Nachbarlandes Kolumbien, einen Keil in die venezolanischen Streitkräfte treiben zu wollen. Gleichzeitig klagte er die USA an, eine Invasion in Venezuela zu planen, um gemeinsam mit Kolumbien den Oppositionsführer Juan Guaidó an die Macht zu bringen. Der gewählte Parlamentspräsident Guaidó hatte sich am 23. Januar 2019 zum Übergangspräsidenten des Landes erklärt.

Maduros zweite Amtszeit (2019-2025) wird von den meisten westlichen Staaten wegen der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 20. Mai 2018 als verfassungswidrig betrachtet. Mittlerweile erkennen immer mehr Länder Guaidóals legitimen Übergangspräsidenten an. Staatschef Maduro wiederum behauptet, er sei das Ziel eines "imperialistischen Staatsstreichs", und beschwört die Streitkräfte, ihn zu unterstützen, um die nationale Sicherheit zu wahren. Die für kommende Woche angekündigten Manöver sollen die Kampfkraft der venezolanischen Streitkräfte demonstrieren.

Doch in der derzeitigen Krise dürfte das drängendste Problem von Staatschef Maduro nicht unbedingt die reine Kampfkraft der Streitkräfte sein. "Es ist eine Sache, das venezolanische Heer mit Hilfe des kubanischen Geheimdienstes unter Kontrolle zu halten", sagte Evan Ellis, Lateinamerikaexperte am Institut für Strategische Studien am United States Army War College (USAWC) in Pennsylvania, der DW. "Aber es ist etwas völlig anderes zu erwarten, dass diese Soldaten dem Befehl gehorchen, sich US-Truppen entgegen zustellen." Die venezolanische Journalistin Sebastiana Barráez sieht das ähnlich: "Maduro und sein Umfeld verfügen nicht über die nötige Führungskraft und moralische Autorität und können deshalb keinen absoluten Gehorsam erwarten. Eigentlich kann sich Maduro nur auf die Bolivarische Miliz verlassen, die sich aber nur aus untrainierten Zivilisten zusammensetzt", sagte Barráez der DW.

Gefolgschaft ohne Gewähr

Nach Angaben des Netzwerks für Sicherheit und Verteidigung in Lateinamerika (RESDAL) zählte die Bolivarische Miliz bis vor zwei Jahren 365.046 Milizionäre. Sie erhalten ihre Befehle direkt vom Präsidenten Venezuelas - und für die meisten von ihnen heißt dieser Nicolás Maduro und nicht Juan Guaidó.

Venezolanische Soldaten an der Grenze zu KolumbienBild: Getty Images/F. Parra

Die Stärke der venezolanischen Streitkräfte weist RESDAL für das Jahr 2016 mit 365.315 Mann und einem Budget von 8,5 Milliarden US-Dollar aus. Solche Daten sind aber mit Vorsicht zu genießen und weisen je nach Quelle große Unterschiede auf. Beispielsweise weist die Webseite GlobalFirePower nur 123.000 Mann und ein Budget von vier Milliarden US-Dollar für die venezolanischen Streitkräfte aus. Damit liegt Venezuela im Ranking von GlobalFirePower, das die Militärstärke von insgesamt 136 Nationen weltweit vergleicht, auf Platz 46. Auf Platz eins stehen die USA.

Hätten Maduros Streitkräfte also überhaupt eine Chance das Land gegen eine Invasion US-amerikanischer Truppen zu verteidigen? Victor Mijares, Professor für Politikwissenschaften an der "Universidad de los Andes" in Kolumbien hält das für unwahrscheinlich: "Die venezolanische Armee hat eine geringe Kampferfahrung und kann sich gerade mal gegen unbewaffnete Zivilisten durchsetzen", sagt Mijares. Erst vor kurzem, sagt der Politologe, seien venezolanische Soldaten im Grenzgebiet zu Kolumbien von der ELN besiegt worden. Die kolumbianische Guerilla-Gruppe habe sich dadurch die Kontrolle über einige Goldminen im Süden Venezuelas erkämpft.

Einkäufe im Ausland

Allerdings habe Venezuela nach einem Bericht des Stockholmer Forschungsinstituts SIPRI sowohl zur Regierungszeit von Hugo Chávez als auch unter der Regierung von Nicolás Maduro große Mengen Waffen und Kriegsfahrzeug gekauft: "Venezuela verfügt über 5000 bis 7000 MANPADS, also schultergestützte Flugabwehrsysteme, die von einem einzelnen Soldaten abgefeuert werden können. Außerdem haben die Streitkräfte in den Jahren 2009 und 2010 etwa 2000 russische Boden-Luft-Raketen des Typs Igla-S/SA-24 erhalten", zählt Mijares auf. Bei richtiger Anwendung könne man mit jeder dieser Raketen einen Hubschrauber oder ein Kampfflugzeug abschießen.

Schon im Sommer 2017 setzte Maduro die Nationalgarde gegen demonstrierende Oppositionelle einBild: Getty Images/AFP/C. Becerra

China, Russland, aber auch die USA sind die Hauptlieferanten für das venezolanische Waffenarsenal. Im Jahre 2015 konnte die venezolanische Regierung 16 leichte Hubschrauber des Typs TH28/480 in den USA einkaufen. Auf dem Papier verfügen die venezolanischen Streitkräfte durchaus über eine relativ hoch entwickelte Ausrüstung sagt Mijares: "Sie ist aber bisher nicht auf die Probe gestellt worden, und das wirft Fragen über den Zustand dieser Systeme auf."

Die zweifelhafte Moral der Truppe und der ungewisse Zustand der Ausrüstung lassen auf einen anderen Zweck der Militärübungen schließen, so Mijares: "Ich glaube nicht, dass Maduro mit den Manövern versucht, Trump von irgendetwas abzuhalten, sondern eher der eigenen Bevölkerung die Einheit von Militär und Regierung zu demonstrieren und sie so weit einzuschüchtern, dass sie nicht auf die Straße geht, um zu protestieren."

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