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Politik

Auf dem Weg zum Ausnahmezustand

José Ospina-Valencia
10. Januar 2019

Nicolás Maduro tritt seine zweite Amtszeit als venezolanischer Präsident an. Die Opposition hat die Wahl boykottiert und erkennt das Ergebnis ebenso wie die EU, die USA und einige andere Länder nicht an. Es droht Chaos.

Venezuela Militärparade in Caracas | Nicolas Maduro, Präsident & Ehefrau Cilia Flores
Bild: Getty Images/AFP/F. Parra

Die erste Wahl zum Präsidenten Venezuelas hatte Nicolas Maduro 2015 noch demokratisch gewonnen. Doch seitdem wurde das Parlament systematisch entmachtet und durch eine "konstituierende Versammlung" ersetzt, die aus Gefolgsleuten Maduros besteht. Im weiter bestehenden gewählten Parlament hält die Opposition die Mehrheit, sie hat ebenso wie andere Staaten Widerstand für den Fall angekündigt, dass Maduro tatsächlich vereidigt wird. "Die gesamte Lima-Gruppe zum Beispiel mit Ausnahme Mexikos forderte Maduro auf, den Eid nicht zu leisten," erklärt Ivo Hernández von der Universität Münster. Der Lima-Gruppe gehören neben Kanada etwa ein Dutzend lateinamerikanischer Staaten an. Sie erwägen außerdem ein Einreiseverbot für Beamte aus Maduros Staatsapparat. Und das gewählte Parlament will das Land nach außen vertreten, falls Maduro das Amt an sich reiße. Maduro gibt sich jedoch von alldem ungerührt.

"Welche Handhabe hat die Organisation, wenn Maduro die Forderung ignoriert?" fragt Ivo Hernández. "Die Instrumente des diplomatischen Drucks reichen nicht aus, um auf neuartige Autokratien wie die von Maduro einzuwirken. Wie können wir auf multilateraler Ebene, wenn wir uns dazu entscheiden sollten, in die inneren Angelegenheiten der Staaten eingreifen, um ihre Krisen zu beenden, wenn sie Dimensionen wie in Venezuela erreichen? Genau das ist jetzt die Frage."

Wie soll man mit einem Ausnahmezustand umgehen?

"Venezuela steht kurz vor dem Ausnahmezustand." Dann würden spezielle Regeln gelten. Artikel 233 der venezolanischen Verfassung besagt zum Beispiel, dass das Parlament die demokratische Ordnung im Land in Abwesenheit eines legitimen Präsidenten wiederherstellen kann. "Aber Maduro und seine engsten Kreise haben die Kontrolle über Waffen, Verbindungen zu internationalen Terrornetzwerken und Geschäftsverbindungen zu Drogenhändlern. Man kann sagen, dass der Staat von Gesetzlosen übernommen wurde. Es müssen innere und äußere Instrumente angewendet werden, um sie zu entmachten, aber dafür gibt es in der Verfassung keine Regeln. Wie soll man mit dem Ausnahmezustand umgehen? Das weiß im Moment niemand", unterstreicht der Experte aus Münster.

Nicolas Maduro wurde schon im Mai 2018 für seine zweite Amtszeit vereidigt, jetzt will er sie antretenBild: Getty Images/AFP/F. Parra

Optimistischer ist Ana Soliz von der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr. Für die Politikwissenschaftlerin ist es notwendig, Maduros Regierung zu isolieren, ohne dabei jedoch alle Kommunikationskanäle abzubrechen. Wenn es keine Dialogmöglichkeiten gebe, könne sich die Position der Regierung noch weiter verhärten und sie würde womöglich so handeln, als hätte sie nichts mehr zu verlieren, meint Ana Soliz. Sie schlägt vor, eine Situation zu schaffen, in der Maduro sich selbst zu Fall bringt: "Wenn er seine zweite Amtszeit offiziell am 10. Januar beginnt, würde die Rechtswidrigkeit seiner Regierung rechtliche Schritte des Parlaments zur Wiederherstellung der demokratischen Ordnung in Venezuela rechtfertigen. Der vernünftigste Weg, dies zu tun wäre, Maduro zu entmündigen, den Präsidenten des Parlaments zum Staatsoberhaupt zu ernennen und erneut Wahlen durchzuführen," erklärt sie.

Maduro, das Militär und das Erdöl

"Parlamentspräsident Juan Guaidó hat die Streitkräfte gebeten, das Parlament zu unterstützen", sagt Nikolaus Werz, Professor an der Universität Rostock. "Angesichts der Privilegien, die viele Soldaten seit der Bolivarischen Revolution genießen, ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass die Uniformierten Maduro weiterhin unterstützen werden", fügt er hinzu. Kurzfristig könne Maduro nur durch eine "wirtschaftliche Implosion" entmachtet werden "oder aber der Anstieg der Ölpreise reißt ihn aus der aussichtslosen Lage."

Der Ökonom Alejandro Márquez Velázquez vom Lateinamerika Institut (LAI) in Berlin ist anderer Meinung: Selbst wenn der Rohölpreis plötzlich steigen würde, könnte die venezolanische Ölindustrie nicht von dieser Entwicklung profitieren, weil ihr das qualifizierte Personal dafür fehle. "Das Gleiche gilt für andere Sektoren der nationalen Produktion. Die Fachkräfteabwanderung schränkt die Möglichkeiten Venezuelas ein, von den potenziell günstigen wirtschaftlichen Bedingungen zu profitieren. Und viele der Exilanten werden nur dann ins Land zurückkehren, wenn es Garantien für Veränderungen und politische Stabilität gibt", so Márquez Velázquez.

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