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Politik

Wer ist Juan Guaidó?

Evan Romero-Castillo
24. Januar 2019

Bis vor Kurzem war er ein politisch unbeschriebenes Blatt. Der Aderlass in Venezuelas Opposition spülte ihn Anfang Januar an die Spitze des Parlaments. Jetzt fordert er Präsident Maduro so offen heraus wie niemand zuvor.

Venezuela l Juan Guaido - Parlamentspräsident
Bild: Reuters/M. Quintero

Niemand hat Venezuelas autokratischen Staatschef Nicolás Maduro so direkt herausgefordert wie Juan Guaidó am Mittwoch. Auf einer Kundgebung in der Hauptstadt Caracas erklärte er sich kurzerhand zum Übergangspräsidenten des Landes. Dabei hatte bis zum 4. Januar rein gar nichts darauf hingedeutet, dass ausgerechnet der 35-jährige Wirtschaftsingenieur zu solch einem Schritt fähig sein würde. An dem Tag wählte ihn das demokratisch gewählte Parlament zu seinem Vorsitzenden.

Guaidó ist Mitglied der oppositionellen Partei "Voluntad Popular", die 2009 mit dem charismatischen Leopoldo López als Vorsitzendem gründet wurde. López galt lange als das Gesicht der Opposition in Venezuela, obwohl er seit den tödlichen Massenprotesten 2014 mal in Gefängnissen, mal unter Hausrest festgehalten wird. Im Parlament besetzt die VP gerade einmal 14 Sitze. Und obwohl die Partei Mitglied der Sozialistischen Internationale ist, gelten sowohl López als auch Guaidó als Politiker der Mitte.

Erst nachgerückt, dann vorangestürmt

Wie López ist auch Juan Guaidó Gründungsmitglied der VP. Seine politische Karriere hatte er kurz zuvor als Studentenführer an der Katholischen Universität Andrés Bello in Caracas begonnen. 

Bei den bisher letzten Parlamentswahlen am 6. Dezember 2015 gewann die Opposition die Mehrheit im Parlament und Guaidó einen Sitz als Abgeordneter. Gemäß dem Abkommen des Oppositionsbündnisses MUD stellt jedes Jahr eine andere Mitgliedspartei den Parlamentspräsidenten. Dass sie am 5. Januar Juan Guaidó in das Amt wählten sei eigentlich purer Zufall, sagt Héctor Briceño, venezolanischer Soziologe an der Universität Rostock: "In der Hierarchie seiner Partei gibt es hochrangigere Persönlichkeiten, die aber alle derzeit nicht in der Lage sind ein Amt zu übernehmen."

Ein Kuss für Juan Guaidó. Der 35-Jährige weckt auch wegen seiner Jugend Hoffnungen bei Venezuelas Bevölkerung. Bild: Reuters/C. Garcia Rawlins

Parteichef Leopoldo López steht unter Hausarrest. Freddy Guevara, ehemaliger Vizepräsident des Parlaments, floh Anfang November ins chilenische Exil, nachdem der vom Maduro-Regime kontrollierte Oberste Gerichtshof seine Immunität aufgehoben und ihn - unter anderem wegen öffentlicher Hetze - angeklagt hatte. Und auch Carlos Vecchio, ehemaliger politischer Koordinator der Partei, entschied sich für das Exil, nachdem ihm die Todesfälle bei den Massendemonstrationen angelastet wurden.

Mediator der zerstrittenen Opposition?

Dieser Aderlass an der Spitze aller Oppositionsparteien ebnete Guaidó den Weg zum Parlamentsvorsitz. Doch auch Gauidó verfüge durchaus über eigene Führungsqualitäten, sagte Soziologe Briceño der DW: "Er gilt nicht als dominante Figur und kann durchaus die Rolle eines Mediators spielen. Er ist pragmatisch und entschlossen, die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Opposition zu bündeln." Außerdem wecke seine Jugend die Hoffnungen der Zivilgesellschaft.

Die Einheit der unterschiedlichen Strömungen ist genau das, was die Opposition über Jahre zu schwach machte, um dem Regime von Hugo Chávez und dann seinem Nachfolger Maduro wirklich etwas entgegenzusetzen. Der Sieg der MUD bei der Parlamentswahl 2015 war ein Höhepunkt, doch auch der konnte aus dem Konglomerat von sozialistischen, liberalen und konservativen Parteien keine Einheit schweißen.

Nicht nur in Caracas protestieren am 23. Januar Tausende gegen die Regierung. Landesweit sterben vier Menschen.Bild: picture-alliance/dpa//R. Hernandez

Ohne Militär ein großes Wagnis

"2018 war ein katastrophales Jahr für die Opposition in Venezuela. Es war das Jahr als sich das Oppositionsbündnis MUD atomisierte", sagt der chilenische Politologe Fernando Mires, emeritierter Professor der Universität Oldenburg, im Gespräch mit der DW. Mires führt die Unbestimmtheit in den ersten Reden Guaidós als Parlamentspräsident auf den Wunsch zurück, keine der zerstrittenen Oppositionsparteien gegen sich aufzubringen. "Und plötzlich entscheidet sich Guaidó für das abenteuerliche Unterfangen, sich zum Übergangspräsidenten auszurufen", wundert sich Mires.

An diesem 23. Januar, sagt Mires, sei klar geworden, für welchen Flügel der Opposition sich Guaidó letztendlich entschieden hat: den radikaleren. "Indem er sich zum Übergangspräsidenten ausrief, beugte er sich dem Druck seiner eigenen Partei, die eine kompromisslosere Haltung gegenüber Staatschef Maduro verlangt und dem Druck aus Washington, das ihn umgehend als legitimen Präsidenten Venezuelas anerkannte, noch bevor er überhaupt vereidigt war." Der Politologe befürchtet eine Eskalation der Lage: "Niemand weiß, was jetzt geschehen kann. Falls Guaidó über Kontakte zum Militär verfügt und davon ausgehen kann, dass Teile der venezolanischen Streitkräfte ihn unterstützen, dann war sein Schritt richtig. Falls nicht, war sein Vorstoß unverantwortlich, da er zu einer Welle der Gewalt in Venezuela führen könnte."

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