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Politik

"Wir lassen uns nicht von der Kanzlerin rügen"

1. März 2018

In der Diskussion um den Aufnahmestopp für Ausländer bei der Essensausgabe durch die Tafel in Essen wehrt sich der Bundesverband gegen Kritik der Kanzlerin. Die Entwicklung sei auch eine Folge deutscher Sozialpolitik.

25 Jahre Tafeln
Essensausgabe in einer Berliner TafelBild: picture-alliance/dpa/A. Riedl

Jochen Brühl, der Vorsitzende des Bundesverbandes der Tafeln, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, sich vor die Tafeln, ihre Arbeit und die ehrenamtlichen Helfer zu stellen. "Wir lassen uns nicht von der Kanzlerin rügen, denn die aktuelle Entwicklung ist eine Konsequenz ihrer Politik", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". 

Jochen BrühlBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Die Kritiker aus der Politik hätten sich kein Bild von den Umständen vor Ort gemacht, sagte Brühl. "Kümmert euch um die, die abgehängt sind", forderte er. Politiker müssten sich fragen, welchen Anteil sie an den wachsenden Problemen hätten. Es gebe einen "unfassbaren Niedriglohnsektor", eine unzureichende Grundsicherung und unausgegorene Zuwanderungspolitik: "Die politischen Rahmenbedingungen müssen verbessert werden, das ist nicht die Aufgabe der Tafel. Das ist Aufgabe des Staates."

Ausgelöst worden war die Diskussion durch die Ankündigung der Essener Tafel, bis auf weiteres bei der Neuregistrierung nur noch Bedürftige mit deutschem Pass für die Nahrungsmittelausgabe anzunehmen. Zur Begründung erklärte der Vorstand, der Anteil der Migranten unter den 6000 Menschen, die regelmäßig Lebensmittel erhielten, sei auf 75 Prozent gestiegen. Ältere Menschen und Alleinerziehende würden auf diese Weise schleichend verdrängt. Die Tafel will den Aufnahmestopp wieder aufheben, wenn das Verhältnis ausgeglichener ist. Die Ankündigung hatte Ende vergangener Woche empörte Reaktionen ausgelöst. Unter anderem wandte sich Kanzlerin Merkel in einem Fernseh-Interview gegen "solche Kategorisierungen".

Tafel in Marl schließt alleinstehende Männer aus

Die Tafel in Marl im nördlichen Ruhrgebiet hat mit unterschiedlichen Angaben zu ihrem Umgang mit Ausländern Verwirrung ausgelöst. Inzwischen stellten die Betreiber der Essensausgabe klar, alleinstehenden Ausländern werde nicht aufgrund ihrer Nationalität ein Berechtigungsausweis für die Lebensmittelausgabe verweigert. Aus Kapazitätsgründen würden derzeit generell keine alleinstehenden Männer neu zugelassen. Es würden nur noch Familien mit Kindern oder Rentner aufgenommen. Der Aufnahmestopp für alleinstehende Männer betreffe in der Praxis vor allem Ausländer, aber auch deutsche Männer habe man schon abweisen müssen. Die Regelung sei eingeführt worden, nachdem man wegen der zahlreichen Flüchtlinge an Kapazitätsgrenzen gestoßen sei. "Das Hauptproblem ist, dass wir nicht genug Ware haben", sagte die Vorsitzende des Trägervereins, Renate Kampe. Sobald wieder Kapazitäten frei würden, werde über eine neue Regelung nachgedacht.

Ehrenamtliche sortieren Nahrungsmittel-Spenden für Bedürftige in Frankfurt am MainBild: Imago/epd/H. Lyding

60.000 Ehrenamtler im Einsatz

Insgesamt sammeln rund 930 Tafeln in Deutschland überschüssige Lebensmittel, die nach den gesetzlichen Bestimmungen noch verwertbar sind, und geben diese an Bedürftige ab. Sie haben sich im Bundesverband Tafel Deutschland auf bestimmte Grundsätze und ein Leitbild verpflichtet. Rund 60.000 ehrenamtliche Mitarbeiter sind an etwa 2100 Ausgabestellen im Einsatz.

qu/uh (dpa, epd)

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