"Verbraucher fluten Firmen mit Anfragen"
3. Mai 2018Deutsche Welle: Sie haben eine Verbraucher-Umfrage zur neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (EU DSGVO) gemacht. Nach dieser Verordnung können sich Verbraucher bei Unternehmen Institutionen und Vereinen über alle Daten informieren lassen, die über sie gespeichert sind und auch die Löschung verlangen. Was sind die wichtigsten Ergebnisse dieser Umfrage?
Mathias Wenig: Unserer Recherche nach werden deutsche Verbraucher sehr stark und sehr intensiv von ihrem neuen Recht Gebrauch machen und Firmen mit Anfragen in diesem Zusammenhang fluten. Etwa tausend deutsche Verbraucher wurden befragt. Die Umfrage ergab, dass mehr als ein Drittel der Befragten ihre neuen Rechte schon in den kommenden sechs Monaten geltend machen wollen. Nur etwa zwölf Prozent wollen überhaupt nichts in dieser Hinsicht tun. Viele Unternehmen müssen also damit rechnen, von Anfragen deutscher Verbraucher zur Speicherung von personenbezogenen Daten überhäuft zu werden.
Welche Motivation treibt die Verbraucher dazu, sich über ihre gespeicherten Daten bei Unternehmen und Institutionen zu informieren?
Mehr als die Hälfte der Verbraucher wollen exakt wissen, welche personenbezogenen Daten Unternehmen erfassen und verarbeiten. Ebenfalls etwa die Hälfte der Verbraucher wollen mehr Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten und fühlen sich einfach unwohl, wenn sie nicht wissen, auf welchen Systemen welche Zugriffe und welche Verfahren mit ihren Daten einhergehen. Die Verbraucher haben Vertrauen in die Unternehmen verloren. Ein wichtiger Punkt: etwa ein gutes Drittel der Verbraucher wollen ihre Datenschutz-Rechte ausüben. Die Studie hat ergeben, dass die Menschen den Firmen nicht zutrauen, ihre Daten effektiv zu schützen. Dabei wird das sogenannte "right to be forgotten" (Recht auf Vergessenwerden), also der Rechtsanspruch auf Löschung persönlicher Daten aus der neuen Regulierung behilflich sein.
Welche Branchen haben denn mit den meisten Anfragen zu rechnen?
Wir erwarten aufgrund jüngster Ereignisse, dass vor allem Social Media-Anbieter, aber auch Finanz-Dienstleister und der Handel in Deutschland am härtesten von persönlichen Datenanfragen betroffen werden.
Das heißt also Facebook und Co. stehen da ganz in der ersten Reihe des Verbraucherinteresses?
Zu bestimmten Firmen kann und möchte ich hier nichts sagen, das war auch nicht Gegenstand der Umfrage. Aber natürlich spielen Unternehmen, die im Zusammenhang mit Datenschutzvergehen in jüngster Zeit für Schlagzeilen gesorgt haben, eine wichtige Rolle.
Glauben die von Ihnen befragten Verbraucher daran, dass ihre Nachfragen bezüglich gespeicherter Daten befriedigend beantwortet und bearbeitet werden?
Viele Verbraucher rechnen gar nicht damit, dass die Firmen ihre Anfragen im Sinne der Verordnung beantworten können. Eine große Mehrheit von etwa 85 Prozent meint sogar, dass Unternehmen nicht in der Lage sein werden, alle personenbezogenen Daten zu finden oder zu löschen. Etwa ein Viertel erwartet, dass Firmen höchstens die Hälfte ihrer personenbezogenen Daten liefern werden. Und das deckt sich auch mit unserer Erfahrung in der Datenmanagement-Branche. Firmen kennen oft ihre Daten nicht und werden es schwer haben, ohne die richtige Technologie eine solche Flut von Anfragen in der knapp gesetzten Frist von 30 Tagen überhaupt zu beantworten.
Wie gut sind die Verbraucher nach Ihrem Eindruck über den neuen EU-Datenschutz informiert? Kennt jeder die neue Verordnung?
Hätten Sie die Frage Anfang des Jahres vor dem letzten Datenskandal im Social-Media-Umfeld gestellt, hätte ich gesagt: noch nicht genügend. Das hat sich zwischenzeitlich geändert. Inzwischen ist jeden Tag in den Nachrichten davon zu sehen und zu hören. Die jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit der Nutzung personenbezogener Daten bei Social-Media-Dienstleistern und Dritten haben aber dazu geführt, dass Verbraucher sich viel mehr dafür interessieren, wie Firmen ihre Daten nutzen und speichern. Etwa mehr als die Hälfte der Befragten sagen, sie hätten bereits ein grundlegendes gutes Verständnis, etwa ein Drittel der Befragten behaupten, sie seien bereits im Detail darüber informiert, welche Rechte sie erlangen werden.
Inwiefern werden Sie persönlich von dem neuen Recht Gebrauch machen? Wo werden Sie sich informieren und Löschung Ihrer Daten verlangen?
Für mich ist nicht nur dienstlich sondern auch privat die Aufmerksamkeit auf den Umgang mit meinen Daten gestiegen. Ich werde es zwar nicht offensiv daran gehen, aber aufmerksam beobachten und im Verdachtsfall auf Datenlecks oder den Missbrauch meiner Daten reagieren, Anfragen stellen und dann von Fall zu Fall entscheiden.
Freuen Sie sich auf die neuen Regularien?
Die neue Verordnung räumt uns Konsumenten mehr Persönlichkeitsrechte ein, wird uns schützen und dabei unterstützen, die Kontrolle über unsere Privatsphäre zu wahren. Ich schaue positiv in die Zukunft - nicht nur weil die neue EU Datenschutzverordnung die Verbraucher schützt, sondern auch weil für Unternehmen neue Chancen entstehen, ihre Infrastrukturen zu modernisieren und damit neuen Nutzen aus dieser Verordnung zu ziehen.
Das Gespräch führte Klaus Ulrich.
Mathias Wenig ist beim internationalen Software Unternehmen Veritas Technologies Vertriebsleiter für Deutschland, Österreich und die Schweiz.