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Verdrehte Zinswelt - Vorbote einer Rezession?

Mischa Ehrhardt
27. März 2019

Wirtschaftsprognosen halbiert, Exporterwartungen im Keller und die US-Zinsen spielen verrückt. Keine guten Nachrichten für die Konjunktur. In der Vergangenheit waren solche Zeichen oft die Vorboten einer Rezession.

Deutschland - Gewitterwolken bei Mühlhausen
Bild: picture-alliance/dpa/F. May

Zunächst die gute Nachricht dieser Woche: Das Ifo-Institut aus München hat gleich zu Wochenbeginn gemeldet, dass sich das Geschäftsklima hierzulande wieder ein wenig gebessert hat: Nach sechs Rückgängen in Folge ging es für den Ifo-Geschäftsklimaindex also wieder leicht bergauf. Nun die schlechte Nachricht: Das Ifo-Institut meldete nur einen Tag später, am Dienstag, dass die Exporterwartungen in der deutschen Industrie in den Keller gerauscht sind: Vor allem die Auto- und die Metallindustrie sehen einen Rückgang ihrer Exporte voraus. Kein gutes Zeichen - die Automobilindustrie ist bekanntlich der wichtigste Industriezweig hierzulande.

Das zeigt vor allem eines: Der konjunkturelle Gegenwind hält an, er ist vielleicht stärker, als man sich das erhofft hatte. "Die deutsche Wirtschaft leidet hauptsächlich am nachlassenden Schwung des Exportgeschäfts", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. "Das gilt vor allem für die Exporte nach China."

Wachstumslok abgebremst

In der Tat hat der Motor der Wachstumslokomotive der Welt jüngst zu stottern begonnen. Eine weltweite konjunkturelle Abkühlung, vor allem aber auch der Zollstreit mit den USA hat sich bremsend auf das sonst starke chinesische Wachstum ausgewirkt. 2018 lag das dortige Wirtschaftswachstum bei 6,6 Prozent - es ist der niedrigste Stand seit 1990. Die Regierung in Peking hat angekündigt, entschieden gegensteuern zu wollen. Das ist ihr in der Vergangenheit bereits gelungen, denn der dirigierte Staatskapitalismus hat den Vorteil, dort einzugreifen zu können, wo es Wirkung verspricht.

Andernorts ist das schwieriger. Da kommen beunruhigende Nachrichten aus dem Mutterland des liberalen Kapitalismus, den USA. Denn in den USA ist ein Phänomen eingetreten, das in der Vergangenheit regelmäßig Vorbote einer Rezession war: Es ist das Gespenst einer umgedrehten Zinskurve, im Finanzsprech "inverse Zinsstruktur" genannt. Sie beunruhigt Finanzmarktakteure deswegen, weil den vergangenen fünf Rezessionen in den USA eine solche "verkehrte" Zinswelt vorausging.

Das Zinsproblem

Bei dieser kopfstehenden Zinskurve werfen langlaufende Staatsanleihen weniger Zinsen ab als kurzfristige. Das ist deswegen verkehrt, weil die Logik in normalen Zeiten anders funktioniert: Wenn eine Bank einem Verbraucher einen Kredit für zehn Jahre gibt, liegt der Zins gewöhnlich höher als bei einem Ein-Jahres-Kredit. Denn erstens dauert die Rückzahlung eines lang laufenden Kredites länger, zweitens ist das Risiko höher, dass etwas Unvorhergesehenes passiert und der Kreditnehmer den Kredit nicht mehr bedienen kann. Für Staatsanleihen gilt grundsätzlich die gleiche Logik.

Dreht sich dieses Verhältnis um, rechnen die Akteure an den Finanzmärkten mit niedrigeren Zinsen in der Zukunft und einem schwächeren Wachstum der Wirtschaft. Zudem bekommen die Banken bei inversen Zinsen ein Problem. Denn gewöhnlich bezahlen sie auf kurzfristige Spareinlagen ihrer Kunden vergleichsweise niedrige Zinsen. Dafür kassieren sie, indem sie langfristige Kredite ausgeben. Kehren sich die Zinsen um, müssen sie tendenziell ihren Kunden höhere Zinsen zahlen, können aber weniger durch Kreditvergabe verdienen. In der Folge schränken sie die Kreditvergabe ein, was einen Wirtschaftsrückgang durch fehlende Investitionen und Ausgaben beschleunigt.

Nur ein kurzes Unwetter?

Die Furcht vor einer Rezession ist deswegen auch so akut, weil der Handlungsspielraum zum Gegenlenken vergleichsweise klein ist: In Japan und im Euroraum liegen die Zinsen bei null Prozent; beide Zentralbanken haben erhebliche Mengen an Staatsanleihen aufgekauft. Jüngst hat die Europäische Zentralbank angekündigt, eine neue Runde an Langfristkrediten für Banken quasi zum Nulltarif aufzulegen.

Damit sind, befürchten Ökonomen, die übrigen Handlungsmöglichkeiten im Fall eines ernsteren konjunkturellen Niedergangs eher begrenzt. "Zehn Jahre nach der Finanzkrise ist die EZB noch immer im Krisenmodus", sagt Thomas Mayer, früherer Chefvolkswirt der Deutschen Bank, nun beim Vermögensverwalter Flossbach von Storch Research Institute tätig. "Von da kann man sich nicht mehr viel Hilfe erwarten." Deswegen kann man nur hoffen, dass Regierung und Wirtschaftsweise mit ihren Prognosen recht behalten: Sie haben zwar die Wachstumsprognosen um die Hälfte reduziert, gehen aber nur von einer temporären Schwächephase der Wirtschaft aus.

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