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Vereinbarung mit Modellcharakter

Karl Zawadzky 23. Juli 2004

DaimlerChrysler hat sich mit der Forderung nach einem Sparprogramm durchgesetzt. Im Gegenzug vereinbarten Unternehmen und Betriebsrat eine Beschäftigungsgarantie bis 2012. Karl Zawadzky analysiert das Ergebnis.

Einigung nach zähem RingemBild: AP

Recht hat Konzernchef Jürgen Schrempp: Das in der Nacht zum Freitag (23.7.04) in Stuttgart vereinbarte Programm zur Senkung der Arbeitskosten hat Modellcharakter für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Denn ohne Zweifel werden jetzt auch andere Unternehmen von ihren Beschäftigten Mehrarbeit und Einkommensverzicht verlangen. Allerdings ist im Interesse des sozialen Friedens zu hoffen, dass die Nachahmer dabei nicht so hemdsärmelig vorgehen wie das Management von DaimlerChrysler, das dem Betriebsrat ohne Not die Pistole auf die Brust gesetzt hat.

Die Unternehmensleitung hatte die Arbeitnehmervertretung ohne Vorwarnung vor die Alternative gestellt: Entweder werden die Arbeitskosten in den beiden großen Werken in Stuttgart - über's Jahr gerechnet - um 500 Millionen Euro verringert oder aber die 2007 startende neue C-Classe wird nicht mehr im Stammwerk, sondern in Südafrika gebaut. Letzteres hätte den Wegfall von 6000 Arbeitsplätzen in Stuttgart bedeutet.

Keine Produktionsverlagerung

Natürlich hatte die Beschäftigungssicherung für den Betriebsrat Priorität. Für die Zusicherung, bis zum Jahr 2012 werde es keine Kündigungen wegen Produktionsverlagerung geben, sind Privilegien der Beschäftigten in Baden-Württemberg bei der Arbeitszeit und bei den Zulagen aufgegeben worden. Im Ergebnis werden die Arbeitnehmer für weniger Geld länger arbeiten. Für die Ingenieure und Konstrukteure in den Entwicklungs- und Planungsbereichen wird die 35-Stunden-Woche aufgegeben und die 40-Stunden-Woche wieder eingeführt. Alle Beschäftigten werden in den kommenden Jahren Abstriche von den Tarifsteigerungen hinnehmen. Um die Wut der Arbeiter zu dämpfen, erklärte sich der Vorstand zu einem eigenen Beitrag bei der Senkung der Personalkosten bereit. Der Vorstand kürzt seine Bezüge um zehn Prozent und verlangt auch von den übrigen leitenden Angestellten einen vergleichbaren Einkommensverzicht.

Unternehmensleitungen, die ihre Beschäftigten jetzt mit der Forderung nach Mehrarbeit und Einkommenseinbuße konfrontieren, tun gut daran, mit der Reduzierung der üppigen Vorstandsbezüge anzufangen und damit ihren Beschäftigten ein Beispiel zu geben. Das könnte dazu beitragen, Eskalationen, wie es sie bei DaimlerChrysler gegeben hat, zu vermeiden. Denn klar ist: Die hohen Arbeitskosten sind für viele Unternehmen bei zunehmender Globalisierung der Produktion und der Märkte ein hohes Hindernis. Siemens hat kürzlich für zwei Werke, die in Deutschland bei der Produktion von Mobilfunktelefonen nicht mehr rentabel waren, über eine Arbeitszeitverlängerung die Lohnstückkosten reduziert und damit die Produktion in Deutschland gehalten.

Signal für andere Unternehmen

DaimlerChrysler hat die Senkung der Arbeitskosten dagegen ohne Not durchgesetzt, denn immerhin sind im vergangenen Jahr vom Konzerngewinn von 5,7 Milliarden Euro 3,1 Milliarden Euro von der Mercedes Car Group erwirtschaftet worden. Das heißt: Trotz der hohen Löhne und teilweise abstruser Vergünstigungen ist die Produktion profitabel. Dass sich dennoch eine Kostenreduzierung durchsetzen läßt, das ist für andere Unternehmen das Signal. Sie werden es DaimlerChrysler nachmachen. Das damit verfolgte Ziel ist offensichtlich: Wo jetzt die Konjunktur anzieht und die Kapazitätsauslastung in den Betrieben steigt, führt die Arbzeitszeitverlängerung zur Umwandlung von teuren Überstunden in unbezahlte Normalarbeitszeit und damit zur Absenkung der Lohnstück- kosten. Im Ergebnis steigern Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihren Gewinn.

Klar wird, dass die 35-Stunden-Woche zum Auslaufmodell geworden ist. Sie war ein Irrweg, denn durch die Arbeitszeitverkürzung ist die Arbeit nicht nur knapper, sondern auch teurer geworden. Erst haben die Unternehmen darauf mit Rationalisierung und Automatisierung reagiert, dann mit der Verlagerung von arbeitsintensiver Fertigung in so genannte Niedriglohnländer. Im Ergebnis ist die Arbeit in Deutschland zunehmend stressiger geworden und immer weniger geworden. Doch eine generelle Arbeitszeitverlängerung ist nicht die Lösung des Problems. Nötig ist ein Höchstmaß an Flexibilität bei den Arbeitszeiten. In der "atmenden Fabrik" der Zukunft ergibt sich die Arbeitszeit aus dem Auftragseingang. Solche Arbeitszeitmodelle haben Zukunft.

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