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Politik

Verfassungsänderung: Putin auf Lebenszeit

2. Juli 2020

Russland bekommt eine neue Verfassung, die Kremlchef Wladimir Putin das Regieren bis 2036 ermöglicht. Sie wurde im Referendum mit klarer Mehrheit angenommen. Aber es gibt auch Protest.

Wladimir Putin zeigt einer Wahlhelferin in Moskau seinen Ausweis bei der Stimmabgabe für das Referendum
Wladimir Putin kurz vor der Stimmabgabe in MoskauBild: picture-alliance/AP Photo/Sputnik/Kremlin/A. Druzhinin

Es ist die die größte Verfassungsänderung in der Geschichte Russlands - und das Volk hat sie nun legitimiert. Rund 78 Prozent der abgegebenen Stimmen sprachen sich nach Angaben der Wahlkommission für das neue Grundgesetz aus. Mit diesem könnte der 67-jährige Putin noch 16 Jahre an der Macht bleiben. 21,2 Prozent lehnten demnach die Verfassung ab. Die Wahlbeteiligung wurde mit rund 65 Prozent angegeben. Insgesamt waren im flächenmäßig größten Land der Erde mit elf Zeitzonen 110,5 Millionen Wähler aufgerufen, ihre Stimme für das neue Grundgesetz abzugeben.

16 Jahre Amtszeit - annulliert

Erste Ergebnisse wurden bereits veröffentlicht, als die von Manipulationsvorwürfen überschattete Abstimmung noch nicht in allen Teilen des riesigen Landes beendet war. Die letzten Wahllokale schlossen am Abend um 20.00 Uhr MESZ in der Exklave Kaliningrad.

Wählen in Corona-Zeiten: Wegen der Pandemie war das Referendum von April auf den Sommer verschoben wordenBild: picture-alliance/Tass/V. Sharifulin

Wesentlicher Kern der Verfassungsänderung: Mit dem neuen Grundgesetz kann der amtierende Präsident Putin in den nächsten 16 Jahren, also bis 2036, mit mehr Befugnissen im Amt bleiben, wenn er wiedergewählt wird. Nach der alten Verfassung von 1993 wäre in vier Jahren Schluss für ihn gewesen. Mit einer vierjährigen Unterbrechung als Ministerpräsident von 2008 bis 2012 amtiert Putin seit dem Jahr 2000 als Präsident. In einem eigenen Passus wurden nun aber seine bisherigen Amtszeiten seit 2000 annulliert. Im Jahr 2036 würde Putin 84 Jahre alt.

In der russischen Hauptstadt und in St. Petersburg kam es zu Protesten einzelner Putin-Gegner. Sie verliefen bis zum frühen Abend friedlich. 

Sozialversprechen und Ungereimtheiten

Die Verfassung beinhaltet viele soziale Versprechen wie etwa eine jährliche Rentenanpassung, Außerdem auch die Garantie, dass eine Ehe nur zwischen Mann und Frau erlaubt bleibe. Putin hatte betont, dass es gleichgeschlechtliche Ehen nicht geben werde, solange er an der Macht ist.

Der deutliche Trend zur Zustimmung zur neuen Verfassung deckt sich mit Nachwahlbefragungen des staatlichen Wziom-Instituts. Unabhängige Meinungsforscher hatten keinen so deutlichen Sieg vorhergesagt. Das Innenministerium berichtete der Agentur Interfax zufolge von mehr als 800 Zwischenfällen bei der Abstimmung. Es gebe aber keine Verstöße, die das Ergebnis beeinflussen könnten.

Unabhängige Wahlbeobachter der Nichtregierungsorganisation Golos sprachen dagegen von Hunderten Verstößen. Die Menschen seien zur Stimmabgabe gedrängt und das Wahlgeheimnis sei oft nicht gewahrt worden, hieß es. Zudem sollen viele Menschen mehrfach abgestimmt haben. Der Kremlkritiker Alexej Nawalny sagte, es sei ungeheuerlich, dass die Wahlkommission während der laufenden Abstimmung bereits erste Ergebnisse veröffentliche. "Sie wollen damit absichtlich zeigen, dass sie auf das Gesetz spucken", twitterte der Oppositionspolitiker. "Ihr Platz ist auf der Anklagebank."

Kritik aus dem Bundestag

Kritik kam auch aus Deutschland. "Diese Verfassungsänderung ist nicht nur ein Abgesang auf die letzten Reste der Demokratie in Russland", sagte die FDP-Bundestagsabgeordnete Gyde Jensen. Das Grundgesetz des Autokraten Putin sei auch "eine ganz reale Bedrohung und ein rabenschwarzer Tag für Menschenrechtsaktivisten, Oppositionelle und diskriminierte Minderheiten", betonte die Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. 

Protest in Moskau gegen die Verfassungsänderung Bild: DW/E. Samedova

Die Abstimmung hatte am Donnerstag begonnen. Sie war auf mehrere Tage angesetzt, damit wegen der Corona-Epedemie genügend Zeit für die Menschen blieb, ihre Stimmabgabe zu organisieren. Die Wahlberechtigten in Moskau und Nischni Nowgorod durften auch im Internet abstimmen. Zudem kamen Mitarbeiter der Wahlkommission zu den Menschen nach Hause. Als Anreiz, zur Abstimmung zu kommen, gab es Gewinnspiele. Ursprünglich war die Abstimmung für den 22. April angesetzt gewesen. Sie wurde wegen der Pandemie verschoben.

cw/qu/kle (afp, dpa)

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