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Politik

Karlsruhe: Klimagesetz geht nicht weit genug

29. April 2021

Das oberste deutsche Verfassungsgericht hat eine Entscheidung gefällt, die Umweltschützern den Rücken stärkt - und dem Gesetzgeber eine Klatsche verpasst.

Das Braunkohlekraftwerk Neurath westlich von Köln
Das Braunkohlekraftwerk Neurath westlich von KölnBild: Reuters/W. Rattay

Das deutsche Klimaschutzgesetz ist teilweise verfassungswidrig. Es fehlten ausreichende Vorgaben für die Minderung der Emissionen ab dem Jahr 2031, teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit und gab damit den Verfassungsbeschwerden mehrerer junger Menschen teilweise statt. Die Richter verpflichten deshalb den Gesetzgeber, bis Ende 2022 die Reduktionsziele für Treibhausgas-Emissionen für die Zeit nach 2030 näher zu regeln.  

"Jegliche Freiheit potenziell betroffen"

Die Beschwerdeführenden seien durch die Regelungen in dem Gesetz in ihren Freiheitsrechten verletzt, erklärten die Richter weiter. "Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030." Einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur wie geplant auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei dann nur mit immer dringenderen und kurzfristigeren Maßnahmen machbar.

"Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind", heißt es in der Erklärung weiter. Zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit hätte der Gesetzgeber Vorkehrungen treffen müssen, "um diese hohen Lasten abzumildern".

Ein Protestmarsch in Stuttgart anlässlich des globalen Klimastreiks von Fridays for Future am 25. September 2020Bild: Christoph Schmidt/dpa/picture-alliance

Die Karlsruher Richter hatten insgesamt vier Klagen geprüft. Zahlreiche Umweltorganisationen unterstützten die Initiatoren, darunter der BUND, die Deutsche Umwelthilfe, Fridays for Future und Greenpeace. Mit den Verfassungsbeschwerden wollten sie erreichen, dass sich die Bundesregierung im Kampf gegen den Klimawandel mehr anstrengen muss. Die bisherigen Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgasemissionen und zur Begrenzung der globalen Erwärmung sind nach Meinung der Kläger und Organisationen unzureichend. Sie verlangen, das Bundes-Klimaschutzgesetz zu überarbeiten und zu verschärfen.

Pariser Klimaabkommen als Gesetzesgrundlage

Bundestag und Bundesrat hatten Ende 2019 dem Klimapaket der Regierung zugestimmt, nachdem Bund und Länder noch Kompromisse ausgehandelt hatten. Wesentlicher Punkt ist das Klimaschutzgesetz. Es legt für einzelne Bereiche wie Verkehr, Landwirtschaft oder Gebäude fest, wie viel Treibhausgase sie in welchem Jahr ausstoßen dürfen. "Zweck dieses Gesetzes ist es, die Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele sowie die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben zu gewährleisten", heißt es dazu vom Bundesumweltministerium.

Nach dem Pariser Klimaabkommen - das die Grundlage des deutschen Gesetzes bildet - soll der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden, um die Folgen des Klimawandels so gering wie möglich zu halten. 

Neubauer: Urteil schafft Generationengerechtigkeit

Umweltverbände bezeichneten das Karlsruher Urteil als bahnbrechend. Luisa Neubauer von Fridays for Future sagte: "Es ist ein unfassbar großer Tag für viele." Klimaschutz sei ein Grundrecht, und die junge Generation müsse sich nun nicht mehr als Bittsteller an die Regierung wenden. Neubauer: "Unsere zukünftigen Freiheiten und Rechte sind eben nicht weniger wichtig als die Rechte und Freiheiten der Generation heute." Insofern schaffe das Urteil Generationengerechtigkeit.

Klima-Aktivistin und deutsche Fridays-for-Future-Frontfrau Luisa Neubauer Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture-alliance

Neubauer gehörte zu den Klägerinnen. Ihre Mitklägerin Sophie Backsen erklärte: "Wir sind superglücklich und erleichtert." Wirksamer Klimaschutz müsse nun umgesetzt werden und nicht erst in zehn Jahren, wenn es zu spät sei. Felix Ekardt als rechtlicher Vertreter betonte, dass das Verfassungsgericht der Bundesregierung eine schallende Ohrfeige verpasst habe.

sti/rb (afp, dpa, rtr, epd) 

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