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Verfassungsrichter prüfen Tarifgesetz

Rolf Wenkel
23. Januar 2017

Die Rückkehr zum Prinzip "Ein Betrieb - ein Tarifvertrag" soll die Macht kleiner Spartengewerkschaften beschneiden. Kritiker sehen das Streikrecht ausgehebelt. Nun prüft Karlsruhe das Gesetz.

Bahnstreik Hauptbahnhof Berlin 06.11.2014
Bild: DW/H. Kiesel

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am 24. und 25. Januar in einer mündlichen Anhörung über das umstrittene Tarifeinheitsgesetz. Das von Arbeitsministerin Andrea Nahles eingebrachte, im Juli 2015 in Kraft getretene Gesetz bedeutet die Rückkehr zum Prinzip "Ein Betrieb - ein Tarifvertrag". Das soll die Macht kleiner Spartengewerkschaften beschneiden, die in den vergangenen Jahren wiederholt mit teils zermürbenden Streiks für ihre Interessen gestritten hatten.

Etliche Gewerkschaften sehen sich allerdings durch die Tarifeinheit in ihrem Streikrecht beschränkt und haben geklagt. In dem Pilotverfahren verhandeln die Richter über Beschwerden von Verdi, des Deutschen Beamtenbunds dbb, der Luftverkehrsgewerkschaften Ufo und Vereinigung Cockpit (VC) sowie der Ärztegewerkschaft Marburger Bund. Ein Urteil in der Sache wird es aber erst später geben.

Zurück zur guten alten Zeit?

Das Gesetz regelt, dass nur der Tarifvertrag jener Gewerkschaft gilt, die zum Zeitpunkt des jüngsten Abschlusses im Betrieb die meisten Mitglieder hatte. Eine Konkurrenzvereinigung, die nicht an den Verhandlungen beteiligt war, hat ein Anhörungsrecht beim Arbeitgeber und kann den Vertrag nachzeichnen. Die Tarifeinheit gilt pro Betrieb in einem Unternehmen, nicht für das Unternehmen als Ganzes. Bei Kollisionen entscheiden die Arbeitsgerichte. Eigentlich sollen die Gewerkschaften ihre Zuständigkeiten aber untereinander abstimmen.

Anlass für die Neuregelung war ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das 2010 den Grundsatz der Tarifeinheit gekippt hatte - obwohl dieser Grundsatz seit dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang für eine friedliche und funktionierende Sozialpartnerschaft unter den Tarifparteien gesorgt hat. Nach dem Urteil brach das Chaos aus, konnten für gleiche Beschäftigtengruppen verschiedene Tarifverträge gelten, konnten kleine Gruppen von Spezialisten per Arbeitskampf die halbe Republik lahmlegen.

Das seinerzeit hastig von Frau Nahles zusammengezimmerte Gesetz sollte die guten alten Zeiten wiederbringen - und es war völlig klar, dass die kleinen Gewerkschaften das zu verhindern versuchen.

Eilanträge gescheitert

Gegen das Tarifeinheitsgesetz geklagt haben auch die Lokführergewerkschaft GDL und der Deutsche Journalisten-Verband(DJV). Drei Eilanträge hatten die Verfassungsrichter im Oktober 2015 abgewiesen - die Nachteile seien nicht derart schwerwiegend oder gar existenzgefährdend, hieß es zur Begründung. Das heißt aber nicht, dass die Verfassungsbeschwerden nicht trotzdem Erfolg haben können.

Auch bei der Lufthansa und ihren Tochtergesellschaften ist die schwierige Tarifsituation auch nach 14 Streikrunden der Piloten immer noch nicht ausgestanden – und könnte ebenfalls zu einem Streit über das Tarifeinheitsgesetz führen. Das Unternehmen und die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit sprechen zwar mit Hilfe eines Schlichters zu Gehaltsfragen wieder miteinander, doch ein weiterer Arbeitskampf ist ab Februar keineswegs ausgeschlossen.

Testfall Eurowings?

Außerdem sind bei der Lufthansa-Mutter und der Tochter Germanwings weitere Tarifthemen etwa zu den Übergangsrenten offen geblieben, so dass VC auch zu diesen Themen perspektivisch in beiden Unternehmen zum Streik aufrufen könnte.

Möglicherweise zum ersten Testfall für das neue Tarifeinheitsgesetzkönnte die Düsseldorfer Lufthansa-Tochter Eurowings GmbH mit gerademal 23 Jets werden. Hier hat die DGB-Gewerkschaft Verdi für das Kabinenpersonal einen Tarifvertrag unterschrieben, den die Konkurrenz-Organisation Ufo ablehnt. Sollte Ufo gegebenenfalls auch mit Streiks einen abweichenden Vertrag erzwingen, müsste festgestellt werden, welche Gewerkschaft im Betrieb die stärkere ist - ein bislang noch nicht erprobtes Verfahren mit vielen Fragezeichen.  

 

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