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Politik

Verfassungsschutz beobachtet "Querdenker"

9. Dezember 2020

Der Protest gegen die Corona-Auflagen treibt viele Menschen auf die Straße - darunter mischen sich auch Extremisten. Baden-Württemberg will näher hinschauen.

Ein Teilnehmer einer "Querdenken"-Kundgebung in Stuttgart hat ein Schild umgehängt mit der Aufschrift "Corona-Terror, Freiheitsberaubung, Impfmafia, Maulkorb, Ich hab die Schnauze voll!"
"Querdenken"-Protest in Stuttgart (Archivbild)Bild: Christoph Schmidt/dpa/picture alliance

Das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg hat als erstes in Deutschland die "Querdenken"-Bewegung in die Beobachtung aufgenommen. Es lägen "hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung" vor, erklärten Innenminister Thomas Strobl und Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube. Mehrere maßgebliche Akteure der "Querdenken"-Bewegung ordne der Inlandsgeheimdienst dem Milieu der Reichsbürger und Selbstverwalter zu, die die Existenz der Bundesrepublik leugneten und rechtsstaatliche Strukturen negierten.

"Die meisten Demonstranten sind keine Extremisten"

 "Zusehends weicht der legitime Protest gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie einer grundsätzlichen Staats- und Politikfeindlichkeit in bedenklichem Ausmaß", erklärte Strobl. Zentrale Akteure schürten mit falschen Behauptungen "Hass auf den Staat" und agierten damit letztlich "demokratiefeindlich". Die Beobachtung ziele in erster Linie auf die Organisatoren der Gruppe in Stuttgart und der regionalen Ableger. Dabei gehe es um eine Anzahl von Personen "im niedrigen zweistelligen Bereich". Der Innenminister fügte hinzu: "Die meisten Demonstranten sind keine Extremisten."

Beklagt "Hass auf den Staat": Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (Archivbild)Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Die Grünen, die in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten stellen, begrüßten die Entscheidung. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Uli Sckerl, erklärte: "Der zunehmende Einfluss von Rechtsextremisten aller Couleur macht uns ebenso viel Sorge wie die wachsende Radikalisierung und Gewaltbereitschaft von Anhängern von Verschwörungsmythen."

Gründer weist Vorwürfe zurück

Die Gruppe "Querdenken 711" - benannt nach der Stuttgarter Telefonvorwahl 0711 - macht seit Monaten gegen staatlich verordnete Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie mobil. Ihr Gründer ist der Stuttgarter Unternehmer Michael Ballweg. Er hatte sich wiederholt gegen die erhobenen Anschuldigungen gewehrt. "Wir sind eine friedliche Bewegung und keine politische Partei", sagte Ballweg in der vergangenen Woche der Deutschen Presse-Agentur. Extremismus, Gewalt, Antisemitismus und menschenverachtendes Gedankengut hätten ebenso wenig Platz bei den "Querdenkern" wie die Symbole dieser Denkweisen.

"Wir sind eine friedliche Bewegung", beteuert "Querdenken"-Initiator Michael Ballweg (Archivbild)Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Die Mischung der Protestteilnehmer ist vielfältig: Sie reicht von eher bürgerlichen Demonstranten, Esoterikern, Mitgliedern der Friedensbewegung bis hin zu Reichsbürgern und offen Rechtsextremen. Zuletzt hatte es im Umfeld der Demonstrationen mehrfach gewaltsame Zusammenstöße gegeben.

Zieht das Bundesamt nach?

Die Innenministerkonferenz will sich an diesem Donnerstag mit dem Thema befassen. Niedersachsens Ressortchef Boris Pistorius (SPD) hatte bereits eine schnelle Beobachtung der Bewegung gefordert. Dem Magazin "Der Spiegel" zufolge erwägt auch das Bundesamt für Verfassungsschutz, die "Querdenken"-Bewegung offiziell zu beobachten. Es sei wegen einer angekündigten Demonstration zu Silvester in Berlin alarmiert, für die unter Rechtsextremisten und Reichsbürgern massiv geworben werde.

Der Thüringer Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer hatte vor einigen Tagen eine Begegnung zwischen Angehörigen der Reichsbürgerszene und führenden Organisatoren der "Querdenken"-Initiative in seinem Bundesland öffentlich gemacht. Nach Einschätzung Kramers handelte es sich dabei um ein Vernetzungstreffen, an dem mehr als 100 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet teilgenommen hätten.

jj/ml (dpa, afp, rtr)

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