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Verfassungsschutz kontra AfD: Was darf der Geheimdienst?

10. März 2024

Seine Aufgabe besteht darin, rechtzeitig Gefahren für die Demokratie zu erkennen. Die Arbeit findet im Dunkeln statt, wird aber vom Parlament durchleuchtet.

"Bundesamt für Verfassungsschutz" steht auf dem Schild, das sich im Eingangsbereich der Zentrale in Köln befindet. Links neben neben dem Schriftzug befindet sich der Bundesadler und ein schmaler, vertikaler Streifen in den Farben der deutschen Fahne: Schwarz, Rot und Gold.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat seine Zentrale in Köln und versteht sich als Dienstleister der DemokratieBild: Christoph Hardt/Geisler-Fotopress/picture alliance

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hält es für möglich, dass die Alternative für Deutschland (AfD) verfassungsfeindlich ist. Deshalb wurde sie 2021 als sogenannter Verdachtsfall eingestuft. Dagegen klagte die Partei vor dem Verwaltungsgericht Köln, hatte aber keinen Erfolg. Die daraufhin von der AfD eingelegte Beschwerde wird am 12. und 13. März 2024 vor dem Oberverwaltungsgericht Münster verhandelt.

Durch das Revisionsverfahren wird der Blick auf eine staatliche Organisation gelenkt, die als Frühwarnsystem Gefahren für die Demokratie aufspüren soll. Damit gehört das BfV neben dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) und dem für die Auslandsaufklärung zuständigen Bundesnachrichtendienst (BND) zu den wichtigsten geheim arbeitenden Sicherheitsbehörden in Deutschland. Außerdem haben alle 16 Bundesländer eigene Ämter oder Abteilungen für Verfassungsschutz.

Anders als das Bundeskriminalamt (BKA) oder die für den Grenzschutz zuständige Bundespolizei hat der Verfassungsschutz aber keine exekutiven Befugnisse. Seine Hauptaufgabe besteht darin, Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Spionage-Aktivitäten zu sammeln und auszuwerten. Die Aufgaben sind gesetzlich geregelt. Politisch zuständig ist das Innenministerium.   

Rechtsextremismus gilt als die größte Gefahr

Erkenntnisse des Verfassungsschutzes können zu strafrechtlichen Ermittlungen führen oder Maßnahmen der Regierung auslösen, die vom Parlament legitimiert sein müssen. In diesem Rahmen arbeiten rund 4300 Leute in der Kölner Zentrale und der Berliner Außenstelle. Ihr Fokus richtet sich auf alle Formen von politisch und religiös motiviertem Extremismus. Als größte Gefahr wird seit Jahren der Rechtsextremismus bezeichnet.

Während Erfolge des Verfassungsschutzes aufgrund seiner Arbeit im Verborgenen selten bekannt werden, sorgten Skandale immer wieder für Schlagzeilen. So wurde nie abschließend geklärt, warum der Inlandsgeheimdienst die 2011 aufgeflogene Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) länger als ein Jahrzehnt im Visier hatte, ohne entscheidend einzugreifen.

Das NSU-Desaster hatte Folgen für den Verfassungsschutz

Auf das Konto des NSU gehen zehn Morde, davon neun an Menschen mit Migrationshintergrund, Bombenanschläge mit vielen Schwerstverletzten und zahlreiche Banküberfälle. Ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages sprach in seinem abschließenden Bericht von "staatlichem Totalversagen".  Der Verfassungsschutz durfte sich davon besonders angesprochen fühlen.

Nach dem NSU-Desaster wurden die Strukturen und Zuständigkeiten des Nachrichtendienstes mehrmals reformiert – sowohl intern als auch auf gesetzlicher Ebene. Das Bundesamt ist bei der verpflichtenden Zusammenarbeit mit den Landesbehörden federführend. Damit sollen Informationsdefizite vermieden werden.

Kein AfD-Mitglied im Geheimdienst-Kontrollgremium

Über die Arbeit des Verfassungsschutzes wie auch aller anderen Nachrichtendienste wacht das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr). Ihm gehören üblicherweise Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Fraktionen an. Die wiederum werden vom Parlament gewählt – oder auch nicht. Seit 2022 verweigerte die Mehrheit mehrmals den Kandidaten der AfD die Zustimmung.

Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang erscheint 2023 zur öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen KontrollgremiumsBild: Martina Skolimowska/dpa/picture alliance

Damit wollten die anderen Fraktionen verhindern, dass jemand aus den Reihen der vom Verfassungsschutz als teilweise rechtsextremistisch eingestuften Partei die Arbeit der deutschen Nachrichtendienste kontrolliert. Also auch jener Behörde, die Belege für die mutmaßliche Verfassungsfeindlichkeit der AfD sammelt.

Wann Parteien und Personen beobachtet werden dürfen

Während die Bundespartei als Verdachtsfall eingestuft ist, gelten die Landesparteien in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als "erwiesen rechtsextremistisch". Das trifft auch auf die Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) zu. In allen genannten Fällen dürfen deshalb sogenannte nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden. Dazu gehört die Möglichkeit, ganze Veranstaltungen oder Einzelpersonen in Wort, Bild und Ton zu überwachen.

Die AfD wehrt sich immer wieder juristisch gegen das aus ihrer Sicht politisch motivierte Vorgehen des Verfassungsschutzes. Auch andere Parteien und einzelne Abgeordnete haben schon gegen die Überwachung durch den Verfassungsschutz geklagt. Der Linken-Politiker Bodo Ramelow hatte damit 2013 vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg. Die Beobachtung sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in das freie Mandat des klagenden Abgeordneten, hieß es in der Urteilsbegründung.

Bodo Ramelow (Linke), seit 2014 fast ununterbrochen Ministerpräsident in Thüringen, wurde zu Unrecht vom Verfassungsschutz überwacht Bild: Martin Schutt/dpa/picture alliance

Zugleich wurde umrissen, unter welchen Voraussetzungen gewählte Parlamentsmitglieder trotzdem überwacht werden dürfen: "Wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Abgeordnete sein Mandat zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft."

Vize-Präsidentin des Bundestags gegen AfD-Überwachung

Ob das auf die AfD oder einzelnen Abgeordnete aus ihren Reihen zutrifft, muss notfalls vor Gericht entschieden werden. Die Vize-Präsidentin des Bundestags, Petra Pau (Linke), lehnt es grundsätzlich ab, die Verfassungstreue politischer Parteien vom Verfassungsschutz bewerten zu lassen. Deshalb sei sie auch gegen eine Überwachung der AfD, sagte sie schon 2019 in einem Interview mit der Deutschen Welle.

Anlass des Gesprächs war ihre eigene jahrelange Überwachung. Vor Gericht verlangte Pau die Herausgabe der über sie angelegten Akten – am Ende erfolgreich. Mit Blick auf die AfD betonte sie damals: "Ich halte eine Beobachtung durch die Geheimdienste nicht für das geeignete Mittel, um diese offen rassistisch und menschenfeindlich agierende Partei politisch kleinzukriegen." Dafür habe man Strafgesetze, sagte Pau.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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