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Indigene Völker und ihr Kampf um Rechte und Naturschutz

Tim Schauenberg
8. August 2023

Ureinwohner weltweit müssen immer noch für ihre Grundrechte kämpfen. Sie gelten als Hüter natürlicher Ressourcen und sind dennoch häufig Opfer von Repressionen.

Indigener mit Mikrofon und Kopfschmuck
Indigener aus dem Amazonas protestiert für mehr KlimaschutzBild: /AP Photo/picture alliance

Indigene Völker verteidigen weltweit ihre Menschenrechte, ihre Kultur, die Natur, ihre Heimat und sind immer wieder mit heftigsten Repressionen, Diskriminierung und Rassismus konfrontiert. Weltweit gibt es etwa eine halbe Milliarde indigene Menschen.

Die Verteidigung ihrer Rechte geht häufig mit dem Ruf nach mehr Umwelt- und Klimaschutz einher. Häufig bezahlen sie dafür mit ihrem Leben.

Zwischen 2012 und 2021 dokumentierten Menschenrechtsgruppen und -organisationen den Tod von mehr als 1700 Umwelt- und Landverteidigern in rund 60 Ländern. Mehr als 35 Prozent der Getöteten wurden als indigene Menschen identifiziert, wie aus veröffentlichten Daten der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Global Witness hervorgeht.

Im Zentrum der Konflikte stehen häufig industrielle Großprojekte für den Bergbau, Waldrodung für die Landwirtschaft, Staudämme oder Öl-, Gas- und Kohleförderung.

First Nation People in Australien - "Man sieht uns als Bittsteller"

"Unser Volk lebt seit über 60.000 Jahren auf diesem Kontinent", sagt Adrian Burragubba, leitender kultureller Hüter des Volks der Wangan und Jagalingou, im Gespräch mit der DW.

Die Wangan und Jagalingou, ein Stamm der australischen Ureinwohner, haben über Jahre gegen den Bau der Carmichael Kohlegrube des indischen Großkonzerns Adani im australischen Bundesstaat Queensland gekämpft und letztendlich verloren. Die Kohlegrube, die in Australien zum Politikum wurde, startete 2021 nach heftigen Protesten die Produktion.

Adrian Burragubba bei Protesten 2021 in Brisbane, QueenslandBild: Russel Freeman/AAP/IMAGO

Durch den Abbau könnte laut Medienberichten der Grundwasserspiegel unterirdischer Quellen sinken. Den Ureinwohnern sind die Quellen heilig, darüber hinaus sind sie überlebenswichtig für die Umwelt vor Ort. Hinzu kämen Luft-, Lärm- und Lichtverschmutzung rund um die Uhr, so Barragubba. Es wirke sich auch auf die Insektenpopulationen aus, was das ganze Ökosystem beeinflusse. 

Bereits im Vorfeld des Baus warnten Umweltaktivisten vor den Folgen für die Umwelt vor Ort und sogar für das berühmte Great Barrier Reef vor der Küste Australiens. Die Befürchtung, der zusätzliche Schiffsverkehr in der Nähe des Riffs könnte das empfindliche Ökosystem weiter beschädigen. Hinzukommt der Effekt für das Klima. Große Teile des Riffs sind heute schon unter anderem durch die Erderwärmung zerstört.

Die Mine könnte während ihrer Laufzeit in den nächsten 60 Jahren fast zwei Prozent des gesamten CO2 ausstoßen, das den Menschen noch zur Verfügung steht, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen.

Ein Aborigine tanzt einen traditionellen Tanz bei Protesten zum "Invasion Day", wie die Ureinwohner Australiens den nationalen Feiertag nennen Bild: Roni Bintang/Getty Images

Seit der Kolonialisierung sind die Ureinwohner Australiens Rassismus und Diskriminierung ausgesetzt. Barragubba sagt, wenn man ihnen schon nicht ihr Land geben wolle, versuchen die Wangan und Jaganlingou den Staat eben mit seinen eigenen Waffen zu schlagen: den Menschenrechten. Sie besuchen weiter ihre heiligen Stätten unweit des Kohlebergbaus und feiern ihre Zeremonien. "Wir besetzen das Land", so Barragubba. Freie Religionsausübung sei "ein fundamentales Menschenrecht. Daran kann uns keiner hindern."

Den Preis für philippinisches Gold könnten Millionen zahlen

Ein anderes Land, ähnliche Probleme: Im Nordosten der Philippinen rund um die Gold- und Kupfermine des australischen Bergbauunternehmens OceanaGold. In der ersten Jahreshälfte 2023 wurden in der Didipio-Mine 65.241 Unzen Gold und 6.911 Tonnen Kupfer gefördert. Beim Abbau der Metalle werden häufig giftige Chemikalien wie Arsen und Quecksilber genutzt. Ein UN-Bericht von 2019 stellt einen Zusammenhang zwischen absterbenden Bäumen um die Mine und angeblich kontaminiertem Wasser mit den Aktivitäten der Mine her.

Die indigenen Gemeinden am Didipio Fluss kämpfen dort seit Jahren für Ihr Recht, auf ihren Gebieten leben zu dürfen, erklärt Pedro Arrojo-Agudo, Berichterstatter der Vereinten Nationen für Wasser und Sanitärversorgung. Das Land, den Wald, den Fluss und letztendlich das Trinkwasser zu schützen, sei von "allgemeinem Interesse", betont er im DW-Interview.

"Das Problem mit den Schwermetallen ist, dass man nicht merkt, wenn man mit Schwermetallen belastetes Wasser trinkt. Man merkt nicht, dass es gefährlich ist. Die Akkumulierung über Jahrzehnte vergiftet die Menschen."

Die Förderung von Edelmetallen hat seinen Preis, für die Menschen und die Umwelt, hier eine Mine im SudanBild: Ashraf Shazly/AFP/Getty Images

In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Protesten indigener Gruppen vor Ort. Sie wurden teilweise von der Polizei niedergeschlagen, es kam Misshandlungen und "Zwangsräumungen", so Arrojo-Agudo, der die Situation als Berichterstatter für die Vereinten Nationen beobachtet. Eine Verseuchung des Wassers hätte langfristig nicht nur "gravierende Folgen für die Gesundheit der Menschen" am oberen Flusslauf, sondern auch für "Millionen von Menschen weiter unten im gesamten Einzugsgebiet des Flusses", so Arojo-Agudo. Verschiedene Experten der UN riefen die philippinische Regierung dazu auf, indigene Gemeinden nicht zugunsten von Wirtschaftsinteressen zu diskriminieren. Die Lizenz für OceanaGold wurde 2021 erst nach Ablauf der Genehmigung um weitere 25 Jahre verlängert.

Waldbrände, Illegale Abholzung, Landwirtschaft und Infrastrukturprojekte lassen den Amazonas weiter schrumpen Bild: Michael Dantas/AFP/Getty Images

Amazonas - Bedrohte Hüter des Waldes

Der Amazonas, die grüne Lunge des Planeten, erstreckt sich über neun Länder. Der gigantische Urwald, gehört zu den artenreichsten Regionen der Welt. Dort leben insgesamt 1,5 Millionen Indigene, die sich auf mehr als 380 ethnische Gruppen verteilen. Sie gelten als die Hüter des Waldes, der durch legale und illegale Abholzung, Drogenhandel, Infrastrukturprojekte, Landwirtschaft und Korruption in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch geschrumpft ist.

Proteste nach dem Verschwinden des indigenen Experte Bruno Pereira 2022Bild: Edmar Barros/AP Photo/picture alliance

Ob illegale Vertreibung oder die Unfähigkeit der Behörden, geltendes Recht durchzusetzen, indigene Völker geraten immer wieder in das Kreuzfeuer von Drogenkartellen, Militärs, privatem Sicherheitspersonal von Unternehmen, Milizen und Guerillas.

Mit Kolumbien und Brasilien führen zwei Länder aus der Region die Liste der Morde an (indigenen) Umweltschützern weltweit an. Die Dunkelziffer der Fälle ist weltweit immer noch hoch, die hohen Zahlen in diesen beiden Ländern hängen auch mit der besseren Dokumentierung zusammen.

Die Zerstörung des Amazons zwingt indigene Völker zur Umsiedlung und Aufgabe ihres traditionellen Lebensstils, das schadet auch dem Klima. Denn sie spielen beim Umweltschutz eine "entscheidende" Rolle, sagt Mercedes Bustamante, Biologin und Mitglied der Brasilianischen Akademie der Wissenschaften. "Die Abholzungsraten in indigenen Gebieten sind die niedrigsten in Brasilien und auch in anderen Teilen Südamerikas. Außerdem verfügen sie über das Wissen, das traditionelle Wissen, wie man den Wald bewirtschaften kann und ihn trotzdem intakt hält." Das hängt vor allem mit ihrer Sicht auf die Welt zusammen.

Indigene Völker verstehen "die Beziehung zwischen Mensch und Natur auf eine andere Art und Weise", erklärt Darìo Mejia Montalvo, vom Stamm der indigenen Zenù in Kolumbien und Mitglied vom Ständigen Forum für indigene Angelegenheiten der Vereinten Nationen im Gespräch mit DW. Es sei ein anderes Wertesystem, eine andere Sicht auf die Welt, die alle Lebewesen, Flüsse und Berge miteinbeziehe. So sei eine Verbindung und Koexistenz von Mensch und Natur in ihren Gebieten möglich.

Indigene Feuerwehrfrauen schützen den Regenwald

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