Vergessener Bürgerkrieg im Ostkongo
19. Juni 2009Menschenrechtsgruppen und Hilfsorganisationen warnen: auch nach der Gefangennahme von General Laurent Nkunda und dem Beginn der Friedensverhandlungen zwischen Regierungstruppen und Rebellen geht der Konflikt weiter. In der Region zwischen den Vulkanbergen und dem Kivu-See ist derzeit vor allem die Hutu-Miliz FDLR aktiv. Sie verbreitet bei der Bevölkerung Angst und Schrecken: Vergewaltigungen und Plünderungen sind an der Tagesordnung.
FDLR positioniert sich neu
Die FDLR-Milizen kamen nach dem Genozid in Nachbarland Ruanda vor 15 Jahren in den heutigen Ostkongo. Unter ihnen sind auch Mittäter des Völkermordes, bei dem 1994 bis zu einer Million Tutsi und gemäßigte Hutu ermordet wurden. Anfang des Jahres konnte die kongolesische Armee gemeinsam mit ruandischen Soldaten die FDLR-Milizen zwar zunächst vertreiben. Doch die ruandischen Soldaten zogen wieder ab, wie in einem Abkommen mit der Regierung des Kongos vereinbart. Und seitdem erobert die FDLR ihre Stellungen wieder zurück.
Das Erbe des General Nkunda
Noch im vergangenen Jahr wüteten Tutsi-Rebellen unter Führung des abtrünnigen Generals Laurent Nkunda in Nord-Kivu. Er und seine Leute galten jahrelang als Verbündete der ruandischen Regierung. Ausrüstung und finanzielle Unterstützung kämen aus dem kleinen Nachbarstaat, so mutmaßte jedenfalls die Regierung des Kongo. Nkunda selbst gab an, im Namen der Opfer des Völkermordes zu kämpfen und führte einen brutalen Untergrundkrieg, der eine regelrechte Massenflucht auslöste.
Im Januar dieses Jahres wurde er dann festgenommen – von der ruandischen Armee, also ausgerechnet von der Seite, die ihn bis dahin unterstützt hatte. Beobachter vermuten, dass er der ruandischen Armee in die Quere kam, die in einer gemeinsamen Operation mit dem Kongo nun selber gegen die Hutu-Milizen vorgehen wollte. Doch auch ein halbes Jahr nach seiner Festnahme hat sich die Lage in der Region nicht beruhigt.
Neue Gewaltausbrüche
Die Vereinten Nationen haben in der DR Kongo die größte Friedenstruppe aller Zeiten eingesetzt. Die Truppen der Mission MONUC sollen vor allem die Zivilbevölkerung schützen. Doch die bekommt davon bislang wenig zu spüren: nach Angabe von Hilfsorganisationen haben sich in den letzten Wochen Gewalt und die humanitäre Lage sogar noch verschlimmert. Seit Mai soll es zu einer Reihe von schweren Massakern an der Zivilbevölkerung gekommen sein. So hätten Milizen Anfang Mai bei einem Überfall auf ein Dorf 700 Häuser angezündet und mehr als 70 Bewohner verbrannt oder mit Äxten und Macheten getötet. Frauen von Regierungssoldaten seien geköpft worden. Das berichten Mitarbeiter der katholischen Ordensgemeinschaft Don Bosco, die in der Provinzhauptstadt Goma ein Hilfszentrum unterhält.
Frauen in Gefahr
Die Gewalt der Milizen richtet sich oft gegen Frauen und Kinder. Die Demokratische Republik Kongo sei für Frauen eine der gefährlichsten Regionen der Welt, berichtet die Hilfsorganisation "World Vision". "Sexuelle Gewaltakte sind systematisch und weit verbreitet und werden mit fürchterlicher Brutalität angewendet", sagte ein Friedensexperte der Organisation. Frauen berichteten über Vergewaltigungen in allen Lebenssituationen: bei der Arbeit auf den Feldern, beim Sammeln von Feuerholz oder sogar zu Hause.
Manchmal würden auch Kinder vor den Augen der Eltern vergewaltigt, oder der Ehemann würde gezwungen, seine eigene Tochter zu missbrauchen. Vor den Gewaltausbrüchen sollen sich bereits Hunderttausende Menschen auf der Flucht befinden.
Autorin: Katrin Ogunsade
Redaktion: Klaudia Pape