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Clintons wahre Probleme

Michael Knigge7. Juni 2016

Der Dauer-Streit um Hillary Clintons Umgang mit ihrem privaten E-Mail-Account und das Rennen gegen ihren Kontrahenten Bernie Sanders, das knapper ausfiel als erwartet, sind Symptome, nicht Ursache ihrer Probleme.

Hillary Clinton ernst zerknirscht
Bild: picture-alliance/dpa/M.Cavanaugh

Öffentliche Wahrnehmung

"Eines ihrer größten Probleme in Bezug auf die Wahl ist ihre öffentliche Wahrnehmung", sagt Adam Ramey, US-Politik-Experte an der New York University in Abu Dhabi. "Sowohl Donald Trump als auch Hillary Clinton haben die zweifelhafte Ehre, dass sie die am schlechtesten angesehensten Kandidaten einer der beiden großen Parteien in einer Präsidentschaftswahl seit Beginn der Datenerhebung sind."

Clinton wird derzeit laut der Politikseite Real Clear Politics von 55,8 Prozent der Amerikaner negativ eingeschätzt. Nur 37,6 Prozent der Befragten haben eine positive Meinung von ihr. Die Werte des voraussichtlichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump sind nur geringfügig schlechter. Er wird von 58 Prozent der Amerikaner negativ bewertet, nur 35,4 Prozent haben eine positive Meinung über ihn. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass viele Wähler, selbst in ihrer eigenen Partei, Clinton nicht mögen oder ihr nicht vertrauen. Die Tatsache, dass ihr demokratischer Rivale Sanders kürzlich eine Nachzählung des knappen Vorwahlergebnisses im US-Bundesstaat Kentucky forderte, ist ein Zeichen, wie tief das Misstrauen vieler liberaler Aktivisten gegenüber Clinton ist, meint Ramey.

"Ihre Ehrlichkeit und ihre Vertrauenswürdigkeit sind ihr zentrales Problem von dem sich alles andere ableitet", betont Ramey. Der anhaltende Streit um den Umgang mit ihrem Email-Account in ihrer Zeit als Außenministerin, die Diskussion um die Rolle der sogenannten demokratischen Superdelegierten, die für Clinton stimmen werden, das knappe Rennen gegen Bernie Sanders – alles hängt laut Ramey mit der negativen Grundstimmung vieler Amerikaner gegenüber der vorrausichtlichen demokratischen Präsidentschaftskandidatin zusammen.

Donald Trump stellt sich erfolgreich als Anti-Establishment-Kandidat darBild: Reuters/J. Ernst

Teil des Establishments

In einem Wahljahr, das von populistischer Wut auf das sogenannte Establishment gekennzeichnet ist, stellt Clinton - ehemalige Außenministerin, Senatorin und First Lady - eine einfache politische Zielscheibe dar. Und zwar nicht nur für Bernie Sanders, sondern auch für Donald Trump, ihren wahrscheinlichen Gegner bei der Präsidentschaftswahl im November.

Denn Trump gelang es auf der herrschenden Anti-Establishment-Welle zur Präsidentschaftskandidatur der Republikaner zu reiten. Kein gutes Vorzeichen für Clinton, denn Trump wird die "Establishment-Karte" auch im Wahlkampf gegen Clinton gnadenlos einsetzen. Dass Trump sich bislang erfolgreich als der Anti-Eliten und Anti-Establishment-Kandidat gerieren konnte ist faszinierend - wenn auch aus Sicht von Clinton extrem ärgerlich, denn schließlich ist Trump der Prototyp eines Kandidaten der Eliten und des Establishments, betont Scott Lucas, Professor für American Studies an der University of Birmingham in Großbritannien.

"Das ist ein Trick", sagt Lucas. "Wir haben zwei Kandidaten, die beide ganz eindeutig zum Establishment gehören. Bei Trump ist es eben das Wirtschaftsestablishment, bei Clinton dagegen das politische Establishment." Im Gegensatz zu Clinton gelang es Trump jedoch - dem Immobilien-Mogul, Fernseh-Star und selbsternannten Milliardär aus New York - bislang die Wähler davon zu überzeugen, dass er nicht zum verhassten Establishment gehört. Ob ihm das Kunststück sich im Gegensatz zu Clinton als Anti-Establishment-Kandidat darzustellen auch weiterhin gelingt, könnte ein entscheidender Faktor im Wahlkampf werden.

Authentizität

"Entscheidend ist, dass Hillary einfach bei den Menschen nicht ankommt wie Bill, der immer ankam und immer noch gut ankommt", sagt US-Experte Lucas. "Bei ihren öffentlichen Auftritten wirkt sie sehr unbeholfen, egal ob bei Wahlkampfveranstaltungen oder einfach nur wenn sie Menschen trifft." Viele Amerikaner hielten Clinton für "roboterhaft und inauthentisch" und fragen sich nach ihren öffentlichen Auftritten oft was ihre wirkliche Haltung zu bestimmten Themen ist, betont Ramey: "Ihr Mann Bill war auch ein Meister darin, sich an den politischen Zeitgeist anzupassen, aber mit dem Unterschied, dass er eine Art von Zugänglichkeit und Beliebtheit verkörperte, die Hillary bislang nicht vorweisen kann."

Viele Demokraten sind nicht überzeugt von Hillary ClintonBild: picture-alliance/dpa/J. Lane

Trump dagegen gilt bei vielen Menschen trotz oder gerade wegen seiner zahlreichen abenteuerlichen Aussagen, seiner aggressiven Art und seinen wechselnden Parteizugehörigkeiten als authentisch. "Trump ist wie schlechter politischer Jazz", sagt Lucas. "Er sagt einfach was ihm in den Kopf kommt. Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich das noch gegen Trump wenden könnte." Doch für Clinton wird es nicht reichen, einfach nur darauf zu setzen, dass Trump sich im Hauptwahlkampf mit seinen spontanen Äußerungen schon selbst schaden wird. "Wenn Hillary eine echte Chance haben will", sagt Ramey, "dann muss sie ein Mindestmaß an menschlichem Verhalten ausstrahlen und es irgendwie schaffen, authentisch mit den gewöhnlichen Wählern zu kommunizieren."

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